Gescheiterte Fusion von EADS und BAE:Viel riskiert, alles verloren

EADS-Chef Enders wollte mit der Fusion mit BAE mehrere Probleme auf einmal lösen: EADS sollte unabhängiger von der Politik werden - und internationaler. Nach seinem Scheitern werden die Probleme nicht kleiner, sondern größer.

Michael Kläsgen, Paris, Caspar Busse und Thomas Fromm

Gescheiterte Fusion von EADS und BAE: Die Fusion von EADS mit dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems ist gescheitert - wohl endgültig und am Ende vor allem am Widerstand aus Deutschland.

Die Fusion von EADS mit dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems ist gescheitert - wohl endgültig und am Ende vor allem am Widerstand aus Deutschland. 

(Foto: AFP)

Seit Ende Mai erst ist Thomas Enders im Amt. Nicht einmal fünf Monate agiert der Hobby-Fallschirmspringer und Hobby-Hubschrauberpilot, der das Risiko so liebt, nun als Vorstandsvorsitzender des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS. Jetzt hat er seine erste krachende Niederlage eingesteckt: Die von ihm ausgeheckte Fusion von EADS mit dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems ist an diesem Mittwoch gescheitert - wohl endgültig und am Ende vor allem am Widerstand aus Deutschland.

Spätestens vor zwei Wochen war es Enders und seinem Kollegen Ian King, dem Chef von BAE, wohl schon klar, wie schlecht die Aussichten für ihre Milliarden-Fusion sind. In einem gemeinsamen Aufruf, der unter anderem in der SZ erschienen war, hatten sie eindringlich für das Projekt geworben. "Das logische Prinzip hinter dieser Transaktion ist Wachstum", hieß es darin. Sogar neue Jobs könnten geschaffen werden, die Position an den Weltmärkten würde sich für den gemeinsamen Konzern deutlich verbessern. Das Fazit der beiden: "Davon würden alle profitieren."

Vorerst dahin

Doch daraus wird nun nichts. Enders hat viel riskiert und alles verloren. Eigentlich wollte er mit dem Deal gleich mehrere Probleme auf einmal lösen: Er wollte EADS aus der starken Abhängigkeit der Politik befreien und gleichzeitig internationalisieren. Derzeit ist EADS (Umsatz: 49 Milliarden Euro und 133.000 Mitarbeiter) noch stark auf seine Tochterfirma Airbus konzentriert. Zusammen mit BAE wäre das Geschäft ausgeglichener geworden: Etwa jeweils 40 Prozent wären in dem neuen Großkonzern auf die Bereiche ziviler Flugzeugbau und Rüstung entfallen. Doch das alles ist nun vorerst dahin.

Schlimmer noch: Die alten Probleme werden nicht kleiner, sondern größer. EADS dürfte künftig noch stärker in den Einflussbereich der Politik in Berlin rücken. Spätestens dann, wenn der Stuttgarter Autokonzern Daimler mit dem Bund und der Förderbank KfW über den Verkauf seiner Anteile an EADS handelseinig geworden ist. Enders' Ziel ist also in Gefahr: Er will aus EADS eigentlich ein "normales" Unternehmen machen, ohne Politiker und sonstige Interessenseinflüsse.

Aber Berlin hat seine Hand auf dem Unternehmen: Bis Jahresende wollte die KfW 7,5 Prozent der Anteile von dem Autobauer aus Stuttgart übernehmen, insgesamt hält Daimler direkt und indirekt 22,5 Prozent. "Wir werden die Gespräche über den Verkauf unserer Anteile auch nach den gescheiterten Fusionsverhandlungen natürlich fortführen", sagte ein Daimler-Sprecher. Man sei bemüht, seinen direkten Anteil noch in diesem Jahr abzubauen. "Auf der Grundlage der jüngsten Entscheidungen, die Klarheit schaffen, können wir nun weiter über eine Veräußerung sprechen", heißt es in Stuttgart.

Der Manager, der zwischen den Welten wandert

Allerdings heißt es in Konzernkreisen, dass nun fraglich sei, ob man den ursprünglichen Fahrplan für einen Verkauf bis Ende des Jahres noch halten könne. Es sei möglich, dass dieser Plan noch einmal "aktualisiert" werden müsse. Daimler will seine Anteile an EADS aus strategischen Gründen abgeben und sich künftig auf das Auto- und Lkw-Geschäft konzentrieren. Die Nachricht über die Fusionspläne war mitten in die Verkaufsgespräche zwischen Stuttgart und Berlin hineingeplatzt.

Verhandlungen gescheitert, der Bund vor der Übernahme der Daimler-Anteile - nun gehe es für EADS darum, Enders' Kopf zu retten, schreibt die Tageszeitung Le Monde. In Frankreich gelte er als "sehr deutsch", in Deutschland aber als "zu angelsächsisch". Der Manager, der zwischen den Welten wandert und nach Meinung vieler zu keiner richtig gehört - das sind keine guten Voraussetzungen, schon gar nicht nach dem Scheitern. Zumal den Deutschen die Schuld gegeben wird. Die Wirtschaftszeitung Les Echos bezeichnete das Scheitern als "europäisches Fiasko". Deutschland sage "Nein". Mal wieder.

"Vertrauen in EADS"

Unterstützung bekommt der Deutsche Enders von Frankreichs Staatspräsident François Hollande. Der sagte, er habe "Vertrauen in EADS", was durchaus als Rückhalt für Enders gewertet werden kann. "Der französische Staat wird alles tun, damit der Konzern die nötige Unterstützung hat." Er nahm Deutschland ausdrücklich gegen Vorwürfe in Schutz, das Vorhaben torpediert zu haben. Allerdings: In Frankreich wurden die Fusionsambitionen des EADS-Chefs von Anfang an eher mit Desinteresse verfolgt.

Scharf kritisiert wird die deutsche Regierung in der Branche. Luftfahrt-Experte Pierre Sparaco wirft Berlin vor, einen strategischen Fehler begangen zu haben. Das Scheitern werde die europäische Industrie gegenüber der Konkurrenz in den USA zurückwerfen. Dies könnte nicht nur Enders noch zu spüren bekommen. Auch die britische BAE Systems muss man nun genau beobachten. Denn einige sehen in dem Konzern bereits einen Übernahmekandidaten für amerikanische Konzerne.

Die Briten geben sich gelassen

Die Briten geben sich betont gelassen. "Wir haben eine exzellente Strategie, und dies wäre ein Zusatz dazu gewesen, kein Ersatz", sagte BAE-Chef Ian King am Mittwoch. BAE habe eine gute Gewinnmarge und eine klare Zukunftsvision. Es werde auch keine Umbesetzungen im Vorstand geben. Eine Fusion mit EADS wäre aber trotzdem eine "einzigartige Möglichkeit" gewesen.

An der Börse, wo man sich für den Plan nie richtig erwärmen konnte, legten EADS-Titel am Mittwoch um nahezu fünf Prozent auf 27,26 Euro zu. Den Jahreshöchststand hatten die Anteilsscheine im April mit fast 32 Euro erreicht. Seit Bekanntwerden der Fusionspläne am 12. September hatten die Papiere zwölf Prozent eingebüßt. Die Anteilsscheine von BAE verloren am Mittwoch bis zu 2,9 Prozent.

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