Geschäftsmann sitzt in China fest:Ausreise verweigert

Der Streit mit einem Lieferanten ist zwar schon Jahre her, aber jetzt darf der deutsche Geschäftsmann Harald Jürgs China nicht mehr verlassen. Es ist eine späte (Ab-) Rechnung.

Marcel Grzanna

Harald Jürgs befindet sich auf der definitiv letzten China-Reise seines Lebens. So viel steht für ihn fest. Jürgs weiß nur noch nicht, wann die Reise endet. Der deutsche Geschäftsmann wird seit dem 15. März von den chinesischen Behörden daran gehindert, das Land zu verlassen, weil eine Zivilklage gegen ihn läuft.

Porträt Harald Jürgs

Harald Jürgs darf China nicht mehr verlassen, weil er Streit mit einem Geschäftspartner hatte, der ihn nun verklagt hat.

(Foto: privat)

Ehemalige chinesische Geschäftspartner fordern von ihm Rückzahlungen von mehr als 900.000 Dollar. Es geht um ein lang zurückliegendes Geschäft, um eine strittige Lieferung und vor allem: Jürgs' ehemalige Firma, an die sich diese Forderungen einst richteten, gibt es nicht mehr, sie hat Anfang 2008 Insolvenz angemeldet. Der 54-jährige Geschäftsmann kann diese Forderungen gar nicht mehr begleichen, er will es auch nicht und sieht sich im Recht.

Seit Wochen liegen dem Gericht in Changsha in der Provinz Hunan Dokumente vor, die beweisen, dass der Deutsche für die Begleichung dieser Summen nicht verantwortlich ist. Doch frühestens Anfang Juli will sich das Gericht näher mit dem Fall befassen. Mindestens bis dahin sitzt Harald Jürgs fest. Er vermutet ein Komplott. "Die Gegenseite verfügt über nicht unerheblichen politischen Einfluss. Ich glaube, dass hier Korruption im Spiel ist", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Kracher die nicht krachten

Er ist nicht allein mit dieser Kritik. Bei der deutschen Botschaft in Peking melden sich noch immer regelmäßig Unternehmer, die in China betrogen wurden und dann die Unzuverlässigkeit und Bestechlichkeit der chinesischen Justiz kennengelernt haben. Doch die Botschaft kann lediglich sanften Druck ausüben, indem sie mitteilt, dass sie ein Verfahren genau beobachtet. Das tut sie auch im Fall von Harald Jürgs.

Der Unternehmer hatte 1997 im norddeutschen Pinneberg eine Firma gegründet, die Feuerwerkskörper aus China nach Deutschland importierte. Die Firma geriet 2006 in Schwierigkeiten, als ihr größter Zulieferer, die chinesische Shenzhen Union, Böller nach Deutschland lieferte, die nicht zündeten. Den finanziellen Schaden, der unter anderem durch Einnahmeausfälle und Entsorgungskosten entstand, beziffert Jürgs mit 450.000 Dollar.

Er beauftragte einen Gutachter, der die Schuld an dem Versagen der Knallkörper dem chinesischen Hersteller zuwies, weswegen der Deutsche die Zahlung der Lieferung verweigerte. Ehe Jürgs und die Shenzhen Union aber eine Lösung für das Problem finden konnten, ging die Firma des Deutschen pleite. Anfang 2008 meldete das Unternehmen Insolvenz an, wenige Monate später wurde der Eintrag im Handelsregister in Pinneberg gelöscht.

Doch Jürgs setzte weiter auf Feuerwerk aus China und gründete ein neues Unternehmen in Hamburg. Trotz der unangenehmen Erfahrung mit der Shenzhen Union kontaktierte er deren Inhaber erneut, um eine mögliche Zusammenarbeit zu besprechen. "Das war mein größter Fehler, weil die Gegenseite informiert war, wann ich in China bin", sagt Jürgs jetzt.

"Als wolle man den Beklagten mürbe machen"

Am 11. März reiste er in Begleitung seiner Tochter nach China, um Lieferanten zu besuchen. Schon am Tag der Ankunft überreichte ihm eine Angestellte des Gerichts in Changsha im Hotelzimmer die Zivilklage. Darin fordert die Shenzhen Union die Zahlung der Lieferung aus dem Jahr 2006.

"Ich war guten Glaubens, dass mir schon nichts Schlimmes passieren würde", sagt Jürgs. Deshalb verzichtete er arglos darauf, umgehend das Land zu verlassen und schaltete weder die Botschaft noch einen Anwalt ein. Drei Tage später wurde ihm die Ausreiseverweigerung übergeben. Die Tochter flog am nächsten Tag alleine zurück nach Deutschland.

"Eine Ausreisesperre gegen Ausländer ist durchaus rechtens, aber in diesem Fall außergewöhnlich früh verhängt worden", sagt der deutsche Rechtsberater Michael Schröder, der in Peking lebt. Hinzu komme, dass das Gericht in Changsha für den Fall Jürgs eigentlich gar nicht zuständig sei. Denn zwischen der insolventen Firma und der Shenzhen Union war vertraglich fixiert worden, Streitigkeiten von einem internationalen Schiedsgericht regeln zu lassen, nicht von einem chinesischen. Das Gericht in Changsha riss den Fall dennoch an sich.

Chinesen ignorieren deutsche Dokumente

"Ich habe bislang keine Gelegenheit bekommen, mich zu den Vorwürfen zu äußern", sagt Jürgs. Der Richter habe erklärt, die Sach- und Rechtslage müsse nicht geprüft werden, um eine Ausreisesperre zu erwirken. Es genüge, wenn eine Partei Klage einreicht.

Der Kläger heißt Huang Jianxiong. Er ist nicht nur Unternehmer, sondern auch politischer Berater der Lokalregierung in Changshas Nachbarstadt Liuyang. Der einflussreiche Huang sieht sich im Recht. "Ich habe nie ein Dokument erhalten, das die Insolvenz bestätigt", sagte er dieser Zeitung auf Anfrage am Telefon.

Auf der Insolvenzliste des Amtsgerichts Pinneberg ist die Shenzhen Union aber mit einer Forderung von damals 612.000 Euro vertreten. Huang behauptet zudem, dass seine Ware dem Gutachten zum Trotz einwandfrei war. "Dieses Gutachten akzeptiere ich nicht", sagte er. Seinen früheren deutschen Geschäftspartner nennt er einen Betrüger.

Erst für den 7. Juli ist die Anhörung vor dem Gericht in Changsha angesetzt, obwohl seit Anfang Mai alle Dokumente amtlich beglaubigt vorliegen. "Der Richter könnte die Anhörung jederzeit vorziehen. Für mich sieht es aber so aus, als wolle man den Beklagten mürbe machen", sagt Rechtsberater Schröder. Die Dokumente beweisen den ordnungsgemäßen Ablauf der Insolvenz und außerdem, dass Jürgs immer als Firmenvertreter bei der Shenzhen Union eingekauft habe und somit nicht als Privatmann belangt werden könne.

Chinesische Gerichte sind allerdings nicht verpflichtet, Urteile aus Deutschland zu akzeptieren. So könnte der Richter die Insolvenz ignorieren und die Klage zulassen. Harald Jürgs will in jedem Fall standhaft bleiben. "Selbst in diesem absurden Fall werde ich nicht bezahlen", sagt er.

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