Geschäft mit Brettspielen:Tausche zwei Lehm gegen ein Schaf

Fast jeder Deutsche hat schon mal "Die Siedler von Catan" gespielt. Kaum jemand weiß, dass deutsche Brettspiele ein Exportschlager sind. Spielregeln für ein gut funktionierendes Geschäft.

Von Daniel Wüllner

Fünf Menschen wollen Tokio in Schutt und Asche legen. Eine Frau aus Frankreich ist King Kong, der kleine Junge neben ihr Godzilla, drei erwachsene Männer streiten um die verbliebenen Monsterfiguren. Dann wird es still am Tisch. Alle lauschen geduldig dem gebrochenen Englisch eines Mannes, der neben ihnen kniet: "You have six black monster dice. Roll them! Keep some. Then roll the rest again!" Nach Ihrem Nicken zu urteilen, haben die Spieler die Regeln des Familienspiels King of Tokyo verstanden.

Zur weltgrößten Spielemesse, der SPIEL in Essen, kamen Ende Oktober mehr als 150.000 Besucher. Auf 48.000 Quadratmetern sahen sie, dass das analoge Brettspiel in Zeiten von GTA V und Battlefield 4 keineswegs verschwunden ist.

Natürlich lässt sich auch GTA V übers Netzwerk mit Freunden spielen - doch kein Videospiel ersetzt den Gesichtsausdruck des Gegners, wenn sein Monster von einem Energiestrahl, von einer Spielkarte ausgelöst, getroffen zu Boden sinkt. Um Videospiele gibt es einen Hype. Kommt ein neues Spiel heraus, überbieten sich Medien mit dem schnellsten Spielbericht, der treffendsten Einschätzung. Aber wie ist es um das analoge Spiel bestellt?

Der deutschen Spielebranche geht es gut. Laut der Fachgruppe Spiel e.V. ist der Umsatz im Einzelhandel um 5 Prozent gegenüber den ersten drei Quartalen des Vorjahres gewachsen. Der Sprecher des Vereins, Hermann Hutter, erwartet, dass dieses Jahr sogar die 400 Millionen-Umsatzgrenze geknackt werden könnte. Das Weihnachtsgeschäft sei entscheidend.

Spiele entwickeln - ein Hobby und ein Job

Für Verkaufszahlen und Entlohnung der Erfinder gelten in der Branche besondere Spielregeln.

Im Schnitt verkaufen sich Brettspiele für Erwachsene etwa 5000 Mal, die erfolgreichen bis zu 20.000 Mal. Kinderspiele können deutlich höhere Verkaufszahlen erreichen. Anders läuft es, sobald ein Spiel den begehrten, auch im Ausland anerkannten Preis "Spiel des Jahres" verliehen bekommt. Dann können sich Spiele, wie die diesjährigen Gewinner Hanabi (Spiel des Jahres 2013) und Die Legenden von Andor (Kennerspiel des Jahres 2013), bis zu einer halben Million Mal und mehr verkaufen.

Kann man allein vom Entwickeln von Brettspielen leben? Der freiberufliche Spieleautor Stefan Feld sagt Süddeutsche.de, was man an einem Spiel verdient: Je nach Vertrag bekommt der Erfinder des Spiels 4 bis 6 Prozent vom Händlerpreis, der wiederum bei 50 Prozent des Verkaufspreises liegt. Somit verdient Feld an Spielen wie Brügge und Amerigo zwischen 50 Cent und einem Euro pro verkauftem Spiel. Nach dieser Rechnung dürfte Klaus Teuber, der Erfinder des deutschen Verkaufsschlagers Die Siedler von Catan, Millionär sein.

Klaus Teuber: Der Vater von Catan

Der ehemalige Zahntechnikermeister kann heute hauptberuflich als Spieleautor leben, in der Branche keine Selbstverständlichkeit. Im Gespräch mit Süddeutsche.de gibt sich Teuber bescheiden. Die Vorbedingungen für sein Spiel seien günstig gewesen: "Catan ist auf fruchtbarer Boden gefallen." Die deutsche Spielkultur sei damals durch Kritiken in Zeitungen, durch Veranstaltungen wie Spielefeste und durch die Preise ständig gewachsen. Ein Trend, der weiter anhält. Heute wissen vier von fünf Deutschen, wo Catan liegt: im Regal neben Monopoly.

Der Erfolg der Siedler von Catan steht aber auch stellvertretend für den Exportschlager deutsches Brettspiel. Es war das erste so genannte German Game, das in Amerika Aufmerksamkeit bekam. Statt eines Wusts von Plastikhäusern, Hotels und Geldscheinen in amerikanischen Brettspielen - auch liebevoll Ameritrash genannt - kommt man auf der Insel Catan mit fünf einfachen Rohstoffen aus: Lehm, Erz, Holz, Wolle und Getreide. Der Brettspieldokumentation "Going Cardboard" zufolge waren die Siedler Ende der Neunziger in Amerika so beliebt, dass in Deutschland stationierte Soldaten ihren Verwandten das Spiel mitbringen mussten. Die übersetzten die Regeln dann selbst ins Englische.

Klaus Teuber

Klaus Teuber, der Erfinder von "Die Siedler von Catan" auf der Spielemesse in Essen.

(Foto: Daniel Wüllner)

Deutsche Brettspiele als Exportschlager

Deutschland ist Exportweltmeister, wenn es um Brettspiele geht. Die Verlage setzen in den vergangenen Jahren vermehrt darauf, komplexere Spielideen ins Ausland zu verkaufen - bei einigen macht der Export mittlerweile fast 50 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Sie verkaufen weniger ihre Lizenzen nach Amerika, sondern halten deutsche Texte auf Spielbrett und Spielkarten möglichst gering. Dafür fertigen sie eigene englische Übersetzungen der Regeln an. So machen sie amerikanische Firmen zu Vertriebspartnern statt Herausgebern.

Die deutsche Brettspielbranche funktioniert nicht nur wegen intelligenter Exportstrategien, simpler Regeln oder einfacher Holz- oder, was heute öfter vorkommt, Plastikfiguren. Sie funktioniert auch, weil die Szene der Erfinder, Verlage und Enthusiasten stetig gewachsen ist. German Games sind noch immer ein Exportschlager, der Dialog über Brettspiele findet mittlerweile aber auch international auf der Website BoardGameGeek statt. Dort lässt sich nachlesen, wie Amerikaner dem nächsten Spiel von Stefan Feld regelrecht entgegenfiebern.

Stefan Feld: Der Uhrmacher

Neben den wenigen hauptberuflichen Spieleautoren üben die meisten weiterhin ihren normalen Beruf aus. Für den stellvertretenden Schulleiter Stefan Feld (rechts im Bild) ist das Entwickeln von Brettspielen Ausgleich zum Beruf. Statt fernzusehen oder in den Urlaub zu fahren, tüftelt er lieber mit seiner Frau an einem neuen Spielemechanismus. Seine Fans nennen ihn den "Uhrmacher".

In den vergangenen zehn Jahren hat Feld 21 Brettspiele erfunden und bei zehn verschiedenen Verlagen veröffentlicht. Im Gegensatz zur Buchbranche sind Spieleautoren nicht sehr stark an Verlage gebunden. Um den Gewinn geht es Feld nach eigener Aussage gar nicht: "Es geht mir eher darum, dass ich hinterher ein schönes Produkt im Laden stehen habe. Ob ich da 500 Euro mehr mit verdiene, spielt für mich keine Rolle."

Und welche Brett- und Kartenspiele neben "Die Siedler von Catan" dürfen in keiner Spielesammlungen fehlen?

  • Im Haus von Klaus Teuber wird an jedem Weihnachten das Familienspiel Bausack gespielt.
  • Zur Entschleunigung: Das Brettspiel "Tokaido" lädt zum Flanieren durch Japan ein.
  • Beim Spiel des Jahres 2013 Hanabi sehen nur die Mitspieler, welche Karten man auf der Hand hat.
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