Gerichtsurteil gegen Ex-Arcandor-Chef:Ja-aber-Urteil für Middelhoff

Urteil im Fall Middelhoff: Der Ex-Arcandor-Chef Middelhoff hat beim Verkauf eines Karstadt-Hauses in Wiesbaden seine Pflichten verletzt und ist zu Schadenersatz verpflichtet. Wie hoch die Summe sein wird, ist noch unklar. Selbst zahlen muss der Manager aber sowieso nicht.

Beobachter werten das Urteil des Essener Landgerichts als ein typisches Beispiel für eine Ja-aber-Rechtsprechung: Ja, Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff habe während seiner Amtszeit Pflichten verletzt. Ja, Middelhoff und drei andere ehemalige Vorstände der Karstadt-Muttergesellschaft hätten beim Verkauf eines Kaufhauses in Wiesbaden einen für Karstadt nachteiligen Vertrag verhindern können. Ja, deshalb müsste der Manager Schadenersatz an den Insolvenzverwalter leisten.

Aber: In vier weiteren Fällen verletzte er seine Pflichten nicht. Wie viel Middelhoff zahlen muss, ließ das Gericht offen. Die Höhe des entstandenen Schadens sei fraglich, sagte Richterin Regina Pohlmann. Über die genaue Summe einer Schadenersatzzahlung müsse deshalb gesondert verhandelt werden, nachdem die jetzige Entscheidung rechtskräftig sei.

Der Insolvenzverwalter von Arcandor hatte Middelhoff und zehn weitere Ex-Vorstände und Ex-Aufsichtsräte ursprünglich auf Zahlung von 175 Millionen Euro Schadenersatz verklagt. Hintergrund sind fünf umstrittene und für das Unternehmen angeblich wirtschaftlich nachteilige Verkäufe von Karstadt-Immobilien an den Oppenheim-Esch-Fonds im Jahr 2005.

Das Essener Landgericht sah aber nur im Falle des Verkaufs des Wiesbadener Karstadt-Hauses eine "schuldhafte Pflichtverletzung" von Middelhoff und drei weiteren Ex-Vorständen als erwiesen an. Die darüber hinaus gehenden Ansprüche erkannte die Richterin nicht an.

Allein den Schaden in dem Wiesbadener Fall beziffert ein vom Insolvenzverwalter in Auftrag gegebenes Gutachten auf 30 bis 46 Millionen Euro. Eine Verhandlung über die Summe würde nach Ansicht der Richter aber "wahrscheinlich mehrere Jahre dauern".

Middelhoffs Anwalt kündigte Berufung gegen die Entscheidung an. Das Grundurteil aus Essen muss nun vom Oberlandesgericht Hamm erst überprüft werden. Folgt das OLG der Entscheidung des Landgerichts, muss dieses dann in einem nächsten Schritt über die konkrete Schadenshöhe entscheiden. Middelhoff selbst wird seinem Anwalt zufolge aber in keinem Fall bezahlen müssen. Eine Versicherung werde für den Manager einstehen.

Der frühere Bertelsmann-Manager hatte den Führungsposten bei Arcandor 2005 übernommen. Etwa vier Jahre später musste Middelhoff gehen - nach einem Jahresverlust von einer dreiviertel Milliarde Euro. Wenige Monate später stellte Arcandor Insolvenzantrag. Allein bei Karstadt bangten etwa 25.000 Mitarbeiter monatelang um ihre Jobs. Schließlich übernahm Investor Nicolas Berggruen die Warenhaus-Kette.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: