Wer tatsächlich das erste Bier gebraut hat, darüber streiten sich die Gelehrten, bekannt ist nur so viel: Aus Bayern kam der Erfinder wohl nicht, schon die alten Ägypter wussten offenbar, wie man aus Getreide und Wasser ein süffiges Gebräu herstellt. In Liebhaberkreisen gilt es bis heute als eine Art Grundnahrungsmittel, flüssiges Brot quasi. Paracelsus, der sich vor gut 500 Jahren als Arzt, Alchemist und Philosoph einen Namen machte, war dem Gerstensaft so zugetan, dass er ihn als "wahrhaft göttliche Medizin" pries. Und so mancher schwört auch heute darauf, dass ein warmes Bier das beste Mittel gegen eine Erkältung sei.
Doch lässt sich daraus ableiten, dass Bier wirklich gesund ist? Ganz sicher nicht, stellte das Oberlandesgericht Stuttgart am Donnerstag in einem wegweisenden Urteil klar. Brauereien dürfen für Bier demnach auch nicht mit dem Begriff "bekömmlich" werben. Dies sei eine gesundheitsbezogene Angabe und dürfe deshalb in der Werbung für alkoholische Getränke nicht verwendet werden, hieß es in der Begründung. Hintergrund des Verfahrens ist ein Streit zwischen der Brauerei Härle aus Leutkirch im Allgäu und dem Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) aus Berlin. Seit 2015 streiten beide Seiten vor Gericht darüber, ob Bier als bekömmlich bezeichnet werden darf. Das klingt nach Haarspalterei, ist es aber nicht. Denn bekömmlich kann nicht nur gut verdaulich, sondern auch gesund bedeuten - und das macht die Sache kompliziert. Denn gesundheitsbezogene Aussagen müssen belegbar sein. So hat es die EU in der sogenannten Health-Claims-Verordnung festgelegt, die Verbraucher vor falschen Gesundheitsversprechen schützen soll.
Die Entscheidung könnte sich auf die gesamte Branche auswirken
Brauereichef Gottfried Härle zeigte sich enttäuscht über das Urteil. Er ließ offen, ob er die Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof anfechten will. Fest steht aber schon jetzt, dass sein Fall auch für andere Bierproduzenten Folgen haben kann. Dass deutsche Hersteller ihre Biere als bekömmlich bezeichnen, sei nichts Ungewöhnliches, sagt ein Sprecher des Verbandes Private Brauereien Bayern. Auch der lokale Bierproduzent Härle nutzt den Begriff seit mehr als 100 Jahren. Damit werde die Genusswürdigkeit des Bieres hervorgehoben, argumentierte die Brauerei.
Der Verband Sozialer Wettbewerb, eine unabhängige Organisation, in der kleine und mittelständische Unternehmen Mitglied sind, hält das jedoch für irreführend. Nach dessen Ansicht verschleiert das Wort "bekömmlich" die Gefahren des Alkoholkonsums und suggeriert zudem einen gesundheitlichen Nutzen, der nicht vorhanden sei.
Dieser Einschätzung schlossen sich auch die Richter des Stuttgarter Oberlandesgerichtes an. Ihr Urteil kommt nicht ganz überraschend: Bereits 2012 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem ähnlichen Fall entschieden, dass Wein nicht als "bekömmlich" vermarktet werden darf. Die Luxemburger Richter hatten damals darauf verwiesen, dass nach EU-Recht gesundheitsbezogene Angaben bei Getränken mit einem Alkoholgehalt über 1,2 Volumenprozent unzulässig sind.
Wenn es um Werbung geht, reizen viele Hersteller die rechtlichen Spielräume oft bis an die Grenzen des Zulässigen oder darüber hinaus aus. Der Anreiz ist groß. Lebensmittel mit Gesundheitsversprechen verzeichnen stark wachsende Umsätze, während der Rest des Marktes kaum noch zulegen kann. Was erlaubt ist und was nicht, regelt zwar seit 2012 die Health-Claims-Verordnung der EU, doch immer wieder müssen Gerichte im Einzelfall klärend eingreifen. Wie vor Kurzem bei einem Hersteller, der seine Erfrischungsgetränke mit dem Spruch bewarb: "Lass die Vitaminbombe platzen und dein Immunsystem Salsa tanzen." Dagegen ging die Wettbewerbszentrale vor, eine Einrichtung, hinter der die Wirtschaft steht. Das Landgericht München sah darin einen klaren Verstoß gegen die europäischen Vorschriften und untersagte die Werbung.
EU-Regeln sollen Verbraucher schützen, doch die Gesetze haben oft Lücken
Bis zum Bundesgerichtshof schaffte es gar ein Früchtequark, der mit dem Slogan "So wichtig wie das tägliche Glas Milch" Käufer locken sollte. Die Wettbewerbszentrale hatte hier moniert, dass der Quark doch deutlich mehr Zucker enthalte als das genannte Glas Milch. Ein Einwand, den die Richter jedoch nicht gelten ließen, auch weil sie darin keinen Verstoß gegen die EU-Verordnung sahen. Offensichtlich ist jedoch, dass das Regelwerk durchaus Schlupflöcher lässt oder gar nicht greift. Etwa wenn es um die Fragen geht, ob ein Mineralwasser mit dem Zusatz "Bio" beworben werden darf, obwohl eigentlich nur landwirtschaftliche Erzeugnisse als Bioprodukte ausgewiesen werden, was auf Wasser nicht zutrifft. Trotzdem befand der Bundesgerichtshof 2012, dass die Bezeichnung Bio-Mineralwasser zulässig ist.