Geplante Steuersenkung:Rösler stimmt Deutschland auf Kirchhof-Kurs ein

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Die geplante Steuersenkung der FDP hat wenig Freunde: Die Union murrt, Wissenschaft und Öffentlichkeit scheinen nicht begeistert. Doch die Liberalen sind auf dem richtigen Weg, wenn sie die Mittelschicht entlasten wollen. Insgesamt aber braucht Deutschland ein völlig neues Steuerrecht - wie es der Professor Paul Kirchhof bald vorstellt.

Marc Beise

Es gibt Zeiten, da kann man machen, was man will, es ist immer falsch. So geht es der FDP. Für ihre Unstetigkeit in der Steuerpolitik wird sie seit langem gegeißelt, jetzt kehrt sie zum Ursprungskurs zurück und will die Mittelschicht entlasten - und wieder ist es nicht recht. Der Koalitionspartner zieht nur murrend mit, die Wissenschaftler sind mehrheitlich ablehnend, und die Öffentlichkeit wirkt indifferent. Ein Steuerreformklima herrscht erkennbar nicht. Und doch ist die FDP auf dem richtigen Weg.

Endlich mehr Netto vom Brutto: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und Kanzlerin Angela Merkel planen eine rasche Steuerentlastung. (Foto: dpa)

Erstens machen sich die Liberalen in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen endlich daran, ihr zentrales Wahlversprechen umzusetzen, dass der Staat sich zugunsten der Bürger (etwas) bescheiden möge. Zweitens und vor allem ist eine Entlastung der Mittelschicht dringend geboten, jener schrumpfenden Gruppe von Bürger also, die überhaupt noch nennenswert Steuern zahlen, aber gleichzeitig nicht als Großverdiener alle Tricks auskosten können und mögen, um ihrer Pflicht zu entrinnen.

Diese Leistungsträger zu entlasten, haben sich alle Parteien seit Jahren auf die Fahnen geschrieben - um es im politischen Alltag gleich wieder zu vergessen. Die FDP will das endlich ändern, und es stände den anderen gut, sich dadurch motivieren zu lassen, statt den Vorstoß zu diskreditieren.

Die Argumente gegen eine Steuersenkung sind so zahlreich wie kurzsichtig. Der Staat habe andere Sorgen, als die Steuern zu senken, heißt es, die Zukunft werde schließlich teuer: Energiewende, Euro-Rettungsschirme, Schuldenabbau als Verfassungsauftrag. Alles richtig, nur: Wie immer es mit Euro, Energie und Schulden weitergeht, ohne eine motivierte Mittelschicht wird das Land das nicht packen.

Die Mitte aber leidet am Zugriff des Staates. Kalte Progression und Mittelstandsbauch, die beiden Fachbegriffe, weisen auf himmelschreiende Ungerechtigkeiten hin. Der Steuertarif, der gerade bei den unteren und mittleren Einkommen besonders steil ansteigt, hat keine Rechtfertigung. Ein Signal der Umkehr ist dringend erwünscht.

Steuersenkungen sind möglich

Steuersenkungen sind auch entgegen vieler Ansicht bezahlbar, man muss nur wollen. Wer die Mittelschicht wirklich entlasten will, kann anderswo kürzen im Milliarden-Reich der Subventionen. Man könnte sogar im Steuersystem selbst sparen, wenn man beispielsweise den Spitzensteuersatz erhöhte und mehr Solidarität von den wirklich Reichen einforderte - alles eine Frage der Priorität.

Wichtig am Vorschlag der FDP ist, dass er das Steuerrecht gerechter machen will. Das ist auch das Argument gegen jene, die lieber die Sozialausgaben senken wollen: Es geht nicht (nur) um die Summe, es geht auch ums System, das ungerecht ist. Das muss geändert werden.

Freilich darf die FDP dabei nicht stehen bleiben. Wenn sie ihren Ruf als Reformpartei wirklich zurückgewinnen will, muss sie die Steuersenkungen als Einstieg in eine größere Steuerreform begreifen. Die Bereitschaft dazu ist größer, als die erste Reaktion auf die FDP-Vorschläge vermuten ließe. Davon kann einer berichten, der kommende Woche Schlagzeilen machen wird.

Dann wird der Heidelberger Professor Paul Kirchhof seinen Entwurf eines völlig neuen Steuerrechts vorstellen. Es ist ein wahrhaft großes Werk: In neunjähriger Arbeit ist nicht weniger als das erste "Bundessteuergesetzbuch" entstanden, das alle deutschen Steuerarten nebst ihren insgesamt gut 30.000 Paragraphen in einem einzigen Gesetz mit nur noch 146 Artikeln zusammenfasst werden.

Kirchhof hat sich auf diesem Weg nie beirren lassen, und das macht seine Glaubwürdigkeit aus. Eine Glaubwürdigkeit, um die sich auch die FDP zurecht bemüht.

© SZ vom 25.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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