Gentechnisch veränderte Lebensmittel:Deutschland blockiert Gen-Futter

In der Europäischen Union zeichnet sich ein neuer Streit über genveränderte Pflanzen wie Mais und Soja ab. Die Agrarkommissarin will die Zulassungen beschleunigen - Deutschland will dagegen die Genehmigungen vorläufig stoppen.

Cornelia Bolesch

Beim EU-Agrarrat am Montag nannte Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) das Zulassungsverfahren "hoch unbefriedigend". Der Minister meinte: "Das sollte man jetzt einmal stoppen und schauen: Ist das Verfahren so in Ordnung?" Kommissarin Mariann Fischer Boel aber fürchtet "dramatische Konsequenzen", würden die Genehmigungen eingestellt.

Sie plädiert im Gegenteil für eine deutliche Beschleunigung der Verfahren. Andernfalls müssten sich Europas Bauern auf einen Engpass vor allem bei sojahaltigen Futtermitteln und die Verbraucher auf steigende Fleischpreise einstellen.

Ein Moratorium bei der Zulassung genveränderter Maissorten und anderer Getreideprodukte würde die Futtermittelpreise weiter ansteigen lassen, befüchtet die Kommission. Mariann Fischer Boel schlug deshalb den Agrarministern vor, die Importzölle auf alle Getreidesorten außer Hafer abzuschaffen. Würde die EU gentechnisch veränderte Futtermittel nicht mehr zulassen, würde das langfristig zu einer Auslagerung der Fleischproduktion aus Europa führen.

Sojaimporte aus Brasilien und Argentinien

Laut Kommission bezieht die EU 45 Prozent ihrer Maisimporte aus Ländern, die auf die grüne Biotechnologie setzen wie die USA, Brasilien und Argentinien. Die beiden lateinamerikanischen Länder liefern der Kommission zufolge sogar 85 Prozent aller Sojaimporte in die EU.

In schneller Folge würden in diesen Ländern neue genveränderte Sorten zugelassen und angebaut. Dagegen kämen in der EU die Zulassungen nicht voran. GVO-Produkte, die von der EU nicht zugelassen seien, dürfen aber auch nicht als "zufällige Verunreinigungen" in Importen von genehmigten Futtermitteln vorkommen, was technisch aber nur aufwendig zu verhindern ist .

"Ich verstehe nicht, warum Genehmigungen in der EU vier bis sechs Jahre dauern, anderswo aber nur ein Jahr", klagte die Agrarkommissarin. Es gehe ihr nicht darum, die Kontrollen aufzuweichen, sondern um schnellere Verfahren, sagte Fischer Boel.

Landwirtschaftsminister Seehofer dagegen findet die bisherige EU-Praxis "politisch bedenklich". Die "starken Vorbehalte in der Bevölkerung" gegen Genprodukte würden nicht ausreichend berücksichtigt. Er sei sich in dieser Beurteilung mit dem deutschen Umweltminister Sigmar Gabriel einig, betonte Seehofer. Sigmar Gabriel (SPD) hatte bereits im Dezember 2006 eine Grundsatzdebatte über das EU-Zulassungsverfahren gefordert.

Bisher prüft die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) in Parma die Anträge der Biotechnik-Unternehmen. Bei einer positiven EFSA-Empfehlung schlägt die Kommission den Mitgliedstaaten vor, die entsprechende Sorte für Import, Vermarktung oder Anbau zuzulassen. Weil sich die Staaten aber in der Regel gegenseitig blockieren, ist es meistens die Kommission alleine, die die Entscheidungen trifft.

Umweltschützer warnten die Agrarminister davor, die Zulassung von GVO-Produkten zu beschleunigen. "Kein Schwein braucht Gentechnik", meinte der grüne EU-Parlamentarier Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Die Agrarminister dürften sich nicht für die Interessen der Futtermittelindustrie einspannen lassen. "Gentechnikfreies und zugelassenes Futter für die Tiere ist genügend vorhanden".

Was fehle sei jedoch eine Kennzeichnung jener Tiere, die mit genverändertem Mais oder Soja ernährt würden. Erst dann könne der Verbraucher durch seine Auswahl "dafür sorgen, dass ausschließlich gentechnikfrei gefüttert wird".

Der Streit über die Gentechnik schien in Europa mit der Verabschiedung europaweit geltender Gesetze und Leitlinien zunächst beendet zu sein. Produkte aus genverändertem Soja, Mais oder Kartoffeln müssen gekennzeichnet werden. Import und Anbau sind nur erlaubt, wenn Wissenschaftler keine negativen Folgen für die Gesundheit oder die Umwelt sehen.

Die Auseinandersetzung über die Folgen der grünen Gentechnik werden inzwischen aber auch offen in der Kommission selbst ausgetragen. Umweltkommissar Stavros Dimas hat sich - anders als die EU-Zulassungsbehörde - gegen die Genehmigung von zwei neuen Maissorten ausgesprochen.

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