Süddeutsche Zeitung

Gentechnik in der Landwirtschaft:Umstrittenes Produkt, fragwürdiges Geschäftsmodell

Lesezeit: 3 min

Schadet Gentechnik in der Landwirtschaft der Umwelt und Gesundheit? Schwierig zu beantworten. Klar ist, wer davon profitiert.

Ein Kommentar von Silvia Liebrich

Genmanipulierter Mais und Kartoffeln sind unerwünscht auf deutschen Äckern. Der Widerstand ist mittlerweile so groß, dass die umstrittene Technik in Deutschland von den Feldern verbannt wurde. Auch im restlichen Europa spielen gentechnisch veränderte Pflanzen keine nennenswerte Rolle im Anbau.

Die Kritiker - Umweltorganisationen und Verbraucherschützer - jubeln. Die Agrarindustrie wendet sich frustriert ab. Konzerne wie BASF und Syngenta forschen längst an anderen Orten. Weit weg, in den USA oder Brasilien, wo der grünen Gentechnik Wohlwollen entgegengebracht wird. Ganz anders als in Europa, wo Errungenschaften wie Genmais oder Gensoja als ungeliebte Schöpfungen gelten.

Wenn es um Gentechnik in der Landwirtschaft geht, kochen die Emotionen hoch. Auf beiden Seiten. Sachliche Argumente werden mit diffusen Ängsten vermengt. Agrarindustrie und Gentechnik-Gegner führen haufenweise Studien ins Feld, die mögliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken entkräften oder belegen sollen, je nach Lager. Wer nun recht hat, ist für Laien kaum noch nachvollziehbar.

Weitaus einfacher ist es da, das Geschäftsmodell der Agrarindustrie zu analysieren. Der Blick hinter die Kulissen zeigt, wer vor allem von der Gentechnik auf dem Acker profitiert - und das ist in erster Linie eine Handvoll internationale Agrarkonzerne, die seit Jahren alles daran setzt, den Markt für Saatgut und damit die Ernährungsgrundlage der Menschheit unter ihre Kontrolle zu bringen.

Patente sind ein mächtiges Instrument für die Agrarkonzerne

Das entscheidende Hilfsmittel dafür sind Patente auf Pflanzen und Tiere. An allererster Stelle steht dabei das US-Unternehmen Monsanto, ein Vorreiter auf dem Gebiet der grünen Gentechnik. Aber auch deutsche Firmen wie BASF, Bayer und KWS mischen kräftig mit. Sie haben in den vergangenen Jahren viele kleine Saatgutanbieter übernommen oder verdrängt. Damit sinkt der Wettbewerb.

Patente sind im Geschäft mit Saatgut ein mächtiges Instrument für die Agrarkonzerne. Und die sind leichter zu bekommen, wenn bei der Züchtung Gentechnik im Spiel ist. Das zeigen auch diese Zahlen: Von 2000 Pflanzenpatenten in der EU beziehen sich nur knapp 100 auf konventionelle Züchtungen. Wer seinen Genmais patentieren lässt, kann eine Erfindung vorweisen. Und damit lässt sich viel Geld verdienen in Form von hohen Lizenzgebühren.

Solche Patente beziehen sich nicht mehr nur allein auf das Saatgut. Sie reichen inzwischen bis zum fertigen Nahrungsmittel. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte patentierte Schnitzel. Damit versucht Monsanto, das Fleisch von Schweinen, die mit genveränderten Pflanzen des Konzerns gefüttert wurden, als Erfindung für sich zu beanspruchen. Nicht nur Viehhalter, sondern auch Verarbeiter und Konsumenten werden so extra zur Kasse gebeten. Das macht Lebensmittel teurer. So maximieren die Gentechnikkonzerne ihre Gewinne.

Höchst fragwürdig ist darüber hinaus der wirtschaftliche Zusatznutzen der Gentechnik. Befürworter argumentieren, genmanipulierte Pflanzen würden höhere Erträge bringen. Doch den Beweis ist die Industrie bis heute schuldig geblieben. Sowohl im Gentechnik-Anbau als auch in der konventionellen Landwirtschaft liegen die jährlichen Produktionszuwächse im weltweiten Schnitt unter zwei Prozent.

Von der Industrie einen Kurswechsel zu erwarten, ist naiv

Dagegen wächst vor allem der Einsatz an Pestiziden. Damit verdienen die Agrarkonzerne doppelt. Denn Gentech-Pflanzen werden so entwickelt, dass sie gegen diese Mittel resistent sind. Agrarkonzerne verkaufen auch Spritzmittel. Der von Monsanto entwickelte Unkrautvernichter Roundup gilt als meist verkauftes Pestizid der Welt. Den darin enthaltenen giftigen Wirkstoff Glyphosat haben Wissenschaftler nun im Urin von Menschen nachgewiesen. Umweltschützer fordern zu Recht ein Verbot des Stoffs. In der EU steht die Genmaissorte Smart Stax kurz vor der Zulassung, die gleich gegen zwei Pestizide resistent ist, obwohl die Risiken nicht ausreichend geprüft wurden. Ein verheerendes Signal, weil die EU-Regierung damit die Interessen der Wirtschaft über die der Verbraucher stellt.

Monsanto und Co. bringen mit ihrer zweifelhaften Firmenpolitik nicht nur sich selbst, sondern auch eine Technik in Verruf, die der Menschheit nützen könnte. Gentechnik kann einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie mit Weitblick eingesetzt wird und nicht allein der Gewinnmaximierung einzelner Firmen dient. Pflanzen müssen so gezüchtet werden, dass sie ohne Pestizide höhere Erträge bringen und Lebensmittel bezahlbar bleiben. Es ist die Politik, die den Auswüchsen in der grünen Gentechnik Einhalt gebieten muss. Von der Industrie einen Kurswechsel zu erwarten, ist naiv.

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SZ vom 14.06.2013
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