Süddeutsche Zeitung

Gentechnik in der Landwirtschaft:Mehr Gift, weniger Ertrag

Nur mit Gentechnik auf dem Acker lasse sich die wachsende Weltbevölkerung ernähren, behaupten die großen Agrarkonzerne. Eine Studie zeigt nun aber, dass die Ernte keinesfalls größer ist als in der normalen Landwirtschaft - es werden sogar mehr Pestizide eingesetzt.

Von Silvia Liebrich

Grüne Gentechnik ist in Europa heftig umstritten. Drei Viertel der Europäer lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Bis auf wenige Ausnahmen dürfen diese in der EU auch nicht als Nahrungsmittel verkauft werden, weil nicht klar ist, welche langfristigen Risiken damit verbunden sind. Mindestens genauso umstritten ist jedoch, ob gentechnisch veränderte Pflanzen tatsächlich die von der Agrarindustrie versprochenen höheren Ernteerträge bringen.

Ohne Gentechnik lasse sich die wachsende Weltbevölkerung nicht ernähren, argumentieren Unternehmen wie Bayer, BASF, Syngenta und Monsanto, die solche Pflanzen entwickeln. Außerhalb der EU-Grenzen machen sie damit gute Geschäfte, auch weil sie passend dazu speziell entwickelte Pestizide und Düngemittel verkaufen.

Die Grünen haben dieses Geschäftsmodell nun in einer Untersuchung kritisch beleuchtet und kommen zu dem Ergebnis, dass Gentechnik auf dem Acker unter dem Strich keine ökonomischen Vorteile bringt. Die Untersuchung wurde an diesem Donnerstag in Berlin vorgelegt. "Die Landwirtschaft in den USA ist im Vergleich zu der Westeuropas in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht sogar zurückgefallen - weil sie auf Gentechnik gesetzt hat", sagt Martin Häusling, Agrarexperte der Grünen im EU-Parlament.

Das ist eine provokante Aussage. Häusling verweist unter anderem auf eine Studie der University of Canterbury in Neuseeland. Das Team von Professor Jack Heinemann verglich Ernteerträge, Pestizideinsatz und Sortenvielfalt von gentechnisch verändertem Mais, Raps und Soja mit konventionellen Sorten. Sie kamen dabei zu dem Ergebnis, dass die Kombination von herkömmlichem Saatgut und guter Feldpflege, wie sie in Westeuropa praktiziert wird, die Ernteerträge schneller wachsen lässt, als die in den USA praktizierten Gentechnik-Anbaumethoden.

Auffällig sei dabei, dass bei Gentechnik-Saatgut am Anfang durchaus ein guter Zuwachs zu verzeichnen sei, der aber schon nach wenigen Jahren seinen Höhepunkt erreicht. Danach sinken die Erträge sogar zum Teil wieder, so die Beobachtung. Was jedoch weiterhin hoch bleibt, ist der Einsatz an Pestiziden, und das erhöht die Kosten.

Nicht nur in den USA, auch in Brasilien und Argentinien wachsen auf einem großen Teil der Agrarfläche Pflanzen, die in Biotechnologie-Laboren entwickelt wurden. Doch der massive Einsatz von Unkrautvernichtungsmittel hat negative Seiten, die immer deutlicher zutage treten: Es breiten sich sogenannte Superunkräuter aus, die resistent sind gegen großflächig eingesetzte Mittel wie Glyphosat. Und das bereitet den Farmern Probleme. Der Unkrautvernichter ist weltweit das am meisten verkaufte Präparat in der Landwirtschaft und wird häufig in Kombination mit Gentech-Pflanzen eingesetzt. Entwickelt wurde es ursprünglich von Monsanto, kommt aber nach Auslaufen der Patente inzwischen auch von anderen Produzenten.

Häusling von den Grünen macht die Gentechnik mitverantwortlich für diese Fehlentwicklung. In einigen Regionen der USA wachsen die Unkräuter nach einem Bericht des Handelsblatt bereits auf einem großen Teil der Felder, auf denen zu 90 Prozent gentechnisch verändertes Saatgut wächst. Das Wissenschaftsmagazin Science sieht die USA auf eine Krise zusteuern. Die Agrarindustrie weist den Verdacht jedoch zurück. Dass Pflanzen Resistenzen entwickeln, sei völlig normal und eine Folge natürlicher Selektion.

Gentechnikkritiker sehen das anders: "Die anfänglichen Vorteile beim Anbau herbizidresistenter Pflanzen in Form von Arbeitszeitersparnis und geringeren Aufwendungen an Spritzmitteln haben sich längst ins Gegenteil verkehrt", sagt der Grünenpolitiker. "Um dem zu begegnen, rüsten die Agrarkonzerne weiter auf mit einer neuen Generation von Genpflanzen." Darunter seien Pflanzen, die gegen vier Unkrautvernichtungsmittel gleichzeitig resistent seien und ein halbes Duzend Insektengifte produzieren, um Schädlinge abzuwehren. Für Häusling führt dieser Weg in eine Sackgasse. Die Risiken seien unkalkulierbar

Ihre neuen Produkte wollen die Agrarkonzerne auch gern in Europa verkaufen. Bis Oktober 2013 lagen den EU-Behörden laut Studie 55 Anträge für die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Pflanzen vor, 49 andere und ältere Sorten dürfen bereits als Rohstoffe importiert werden. Sie dienen vor allem als Tierfutter. Die meisten Anmeldungen kommen den Angaben zufolge von Monsanto (18), Syngenta (11), Dow Agroscience, Dupont/Pioneer (8) und Bayer (8).

Kurz vor der Zulassung steht die Maissorte 1507. Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) muss in den nächsten Tagen dazu sein Votum abgeben. Das Thema Gentechnik spielt auch beim geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA eine große Rolle. Amerikanische Produzenten machen Druck, dass die EU ihre Märkte öffnet.

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SZ vom 23.01.2014/sana/rus
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