Süddeutsche Zeitung

Gentechnik im Essen:Agrarindustrie kämpft gegen Kennzeichnungspflicht

Gentechnisch verändert? US-Amerikaner können das im Supermarkt nicht erkennen. Nun entscheiden die Kalifornier darüber, ob die Kennzeichnung zur Pflicht wird. Kampflos will das die Agrarindustrie nicht hinnehmen. Sie hat eine millionenschwere Kampagne gegen die Kennzeichnung gestartet.

Silvia Liebrich

Wenn am 6. November in den USA gewählt wird, geht es nicht nur um den neuen Präsidenten. In Kalifornien entscheiden die Bürger auch darüber, ob Gentechnik im Essen künftig gekennzeichnet werden muss. Ein absolutes Novum in den USA, wo die umstrittene Technologie ihren Ursprung hat.

Kampflos will das die Agrarindustrie nicht hinnehmen. Sie hat eine millionenschwere Kampagne gegen die Kennzeichnung gestartet. Unter den Spendern finden sich auch die Chemie- und Agrarkonzerne Bayer und BASF. Sie beteiligen sich mit je zwei Millionen Dollar an dem 40 Millionen Dollar teuren Projekt.

Kritik am Engagement der deutschen Firmen kommt von Umweltverbänden und den Grünen. "An den Investitionen von BASF und Bayer sieht man, wo das tatsächliche Interesse liegt, nämlich Verbrauchern wichtige Informationen vorzuenthalten", meint Dirk Zimmermann von Greenpeace. "Ich finde es wirklich skandalös, dass gerade deutsche Konzerne sich so massiv in die amerikanische Innenpolitik einmischen", sagt Martin Häusling, Agrarexperte der Grünen im Europaparlament.

Hauptargument der Gegner: die Mehrkosten

BASF und Bayer gehören zu den wichtigsten Geldgebern nach dem US-Gentechnikkonzern Monsanto (sieben Millionen Dollar) und dem Chemieriesen DuPont (4,9 Millionen Dollar). Zu den Unterstützern der Kampagne zählen auch Nestlé und Coca-Cola. Eines ihrer Hauptargumente gegen eine Kennzeichnung von gentechnisch-veränderten Lebensmitteln ist, eine solche Deklarationspflicht würde die Kosten der Hersteller "um Milliarden von Dollar" erhöhen.

Ein Bayer-Sprecher bestätigte die Spende, wies aber die Kritik zurück. Die Kennzeichnungsinitiative in Kalifornien schaffe keine vollständige Transparenz für Verbraucher. Sie sorge für Unsicherheit, weil sie einen falschen Eindruck über die Sicherheit von Lebensmittel vermittle. BASF äußerte sich zunächst auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen.

Abstimmungsniederlage könnte Stimmung im Land verändern

Eine Abstimmungsniederlage für die Industrie in Kalifornien käme einem Dammbruch gleich. Der Bundesstaat ist mit Abstand das bevölkerungsreichste Land in den USA. Sollten sich die Kalifornier für eine Kennzeichnung entscheiden, könnten andere Bundesstaaten folgen - und Firmen wie Monsanto müssten mit empfindlichen Umsatzeinbußen rechnen. Denn US- Verbraucher können gentechnisch veränderte Lebensmittel im Laden bisher nicht erkennen. In Deutschland müssen diese dagegen seit 2004 deklariert werden. Drei Viertel aller EU-Bürger lehnen Gentechnik im Essen laut Umfragen ab.

Vor diesem Hintergrund gerät Monsanto nun auch in Europa erneut unter Druck. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) will dem Konzern offenbar Garantien über 40 Millionen Euro zur Verfügung stellen, damit dieser mehr Saatgut und Pestizide in Osteuropa verkaufen kann. Die öffentliche Unterstützung mit EU-Geldern könnte für Monsanto zum Türöffner in Osteuropa werden, erst für Chemie und dann für Gentechnik, befürchtet Häusling von den Grünen. Eine Stellungnahme der Bank lag bis Redaktionsschluss nicht vor.

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SZ vom 03.11.2012/rela
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