Weiße Tabletten mit Bruchkerbe, die ein wenig aussehen wie Aspirin. Bunte Kapseln, Dragees. Zumindest das Deckblatt des virtuellen Jahresberichts 2024 von Pro Generika ist bunt. Dem Verband gehören Hersteller von Generika an, also Firmen, die Medikamente nachahmen, deren Patentschutz abgelaufen ist. Die Medikamente auf dem Deckblatt tragen keinen Namen, es kann vieles sein, was die Pharmaindustrie so zu bieten hat. Der Verband vertritt Unternehmen wie den israelischen Konzern Teva, zu dem Ratiopharm und AbZ gehören, Sandoz aus der Schweiz oder Zentiva aus Tschechien, Namen, die auf Verpackungen stehen. Viele ihrer Produkte gehören zur medikamentösen Grundausstattung deutscher Haushalte.
Und manche könnten knapp werden. Das Bfarm, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, führt auf seiner Liste der Lieferengpässe weit mehr als 500 Produkte auf. Zum Beispiel das Medikament Quetiapin in verschiedenen Stärken von der Sandoz-Tochter Hexal. Mit dem Mittel werden laut Anbieter verschiedene psychische Krankheiten behandelt wie etwa Schizophrenie oder depressive Störungen. Auch die Schwesterfirma 1A Pharma hat Probleme mit der Lieferung, laut Bfarm-Liste werden sie noch bis Ende August dauern. Lieferengpässe gibt es auch in anderen europäischen Ländern, schreibt die EU-Arzneimittelagentur EMA auf ihrer Internetseite. Die Behörde nennt auch Gründe. Die Nachfrage nach Quetiapin sei gestiegen und der Hersteller, der diese Formulierung an mehrere Firmen liefere, habe Produktionsprobleme.
Derzeit fehle kein Fiebersaft und auch kein prominentes Krebsmittel, so Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer. Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, „dass die Versorgungslage nach wie vor wacklig ist“. Die Zahl der Lieferengpässe sei unverändert hoch, die Rahmenbedingungen teilweise schwierig. Immer mehr Unternehmen müssen laut Bretthauer aus der Versorgung aussteigen, weil diese nicht mehr wirtschaftlich ist. Zwar habe Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach versucht, bei einigen wenigen Arzneimittel gegenzusteuern, allein seinen Maßnahmen „fehlte der Wumms.“ Auf Basis des in seiner Amtszeit verabschiedenden Lieferengpassgesetzes ALBVVG hätten die Firmen „keinen Euro“ in den Ausbau der Produktion von Antibiotika stecken können, bei Krebsmitteln sehe es genauso aus, beklagt Lobbyist Bretthauer.
Bei vielen relevanten Arzneimitteln werde fast die gesamte Versorgung von wenigen Unternehmensgruppen gestemmt, heißt es in der Broschüre. Diese Marktkonzentration bei Generika trage zu Versorgungsrisiken wie Lieferengpässen bei. Beispielhaft aufgeführt werden acht Arzneimittel, darunter das Antibiotikum Amoxicillin. 80 Prozent der Versorgung würden von zwei Unternehmensgruppen getragen. Bemessungsgrundlage für den Marktanteil sind dabei die GKV-Verordnungen im Rabattvertragsmarkt, also Medikamente, die über gesetzliche Krankenkassen abgerechnet werden und für die es Rabattverträge gibt, diese Rabatte handeln die Krankenkassen mit den Herstellern aus, die Höhe der Rabatte wird nicht veröffentlicht.

Größter Anbieter von Amoxicillin in Deutschland ist nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Insight Health mit einem Anteil von mehr als der Hälfte Sandoz. Auch die Experten von Insight Health konstatieren bei dem Antibiotikum eine Marktverengung. Auf der Liste von Pro Generika steht auch das Schmerzmittel Ibuprofen. 90 Prozent der Versorgung würden von zwei Firmengruppen gestemmt. Größter Anbieter ist laut Insight Health Zentiva.
Laut Pro Generika gaben die gesetzlichen Krankenkassen 2024 gut 58 Milliarden Euro für Arzneimittel aus. In diesem Wert sind neben den Abgabepreisen der Hersteller auch Apothekenvergütung, Großhandelsaufschlag und Mehrwertsteuer. Auf Generika entfielen 6,8 Milliarden Euro, nach Abzug von Rabatten seien es 2,34 Milliarden Euro gewesen. Während Generika fast 80 Prozent der Versorgung ausmachten, bezogen auf Tagestherapiedosen. Das ist ein gebräuchliches Maß für die Menge, die einem Erwachsenen in einer bestimmten Indikation im Durchschnitt pro Tag verordnet wird. Der Kostenanteil auf Basis des Abgabepreises der Hersteller lag nach Berechnungen von Pro Generika bei knapp sieben Prozent.
Ohne Berücksichtigung der Rabatte seien die Herstellerabgabepreise je Tagestherapiedosis seit 2015 fast konstant geblieben bei 18 Cents. Für patentgeschützte, chemisch hergestellte Arzneimittel sei der Preis von 3,40 Euro auf 5,44 Euro im Jahr 2024 gestiegen. Nach Abzug der Rabatte zahlen die gesetzlichen Krankenkassen für ein Generikum im Schnitt sechs Cents. Zwischen Krankenkassen und Herstellen habe es, Stand Dezember 2024, fast 16 900 Rabattverträge gegeben, heißt es in der Broschüre. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken will den Pharmadialog neu starten. Versorgungssicherheit sei ihr wichtig, hat sie wiederholt gesagt. Und Verbände wie Pro Generika hoffen nun wieder.