Süddeutsche Zeitung

Generationswechsel in Familienfirmen:Chinas nächste Mitte

Generationswechsel in chinesischen Familienunternehmen: Auf die in der Staatswirtschaft groß gewordenen Gründer folgen die Söhne und Töchter mit akademischer Ausbildung.

J. Vougioukas

Der Lan-Club liegt im vierten Stock eines Einkaufszentrums mitten in Peking. Es ist dunkel, schon am späten Vormittag weht Technomusik durch die Luft. "Wir wollen unseren Gästen nicht nur Essen servieren. Ein Besuch im Lan soll eine 360-Grad-Erfahrung sein", sagt Wang Xiaofei, der Chef.

Vor zweieinhalb Jahren hat er den ersten Club eröffnet. Er hat ihn nach seiner Mutter Zhang Lan benannt, Chefin der Restaurantkette South Beauty. Lan heißt übersetzt Orchidee.

Die Clubs sollen noch stärker als die Restaurants der Mutter neue Standards in der Pekinger Gastronomie setzen. Wenn Wang Besucher durch den Club führt, ist er noch genauso stolz wie am Tag der Eröffnung. Der 27-Jährige kleidet sich westlich: schwarzer Anzug, weißes Hemd, Manschettenknöpfe, dazu eine schwarze Krawatte.

Der Club nimmt die ganze vierte Etage des Einkaufszentrums ein, fast 6000 Quadratmeter. Der französische Stardesigner Philippe Starck hat die Inneneinrichtung entworfen.

Wie ein Sternenhimmel schmücken Ölgemälde die Decke. Dazwischen schweben wuchtige Kronleuchter, die sich in den schwarz lackierten Tischplatten spiegeln. An den Wänden stehen breite Sofas, bespannt mit Kuhfell. Mehr Schnörkel kann der Raum kaum verkraften. Zwischen den Möbeln tänzeln bildhübsche Kellnerinnen in traditionellen chinesischen Kostümen.

Mit Bauchgefühl

200 Angestellte arbeiten im Lan. Während der Olympischen Spiele kamen an manchen Abenden mehr als 2000 Gäste: Politiker wie Tony Blair und Schimon Peres, Schauspieler Keanu Reeves, das Model Cindy Crawford und der Fußballer David Beckham.

Bald will Wang einen Lan-Club in London eröffnen. Er führt die Clubs im Auftrag seiner Mutter Zhang Lan. Zu ihrer Gastronomiegruppe South Beauty gehören inzwischen im ganzen Land 50 Restaurants, ein Konzern mit 7000 Mitarbeitern. Bald will das Unternehmen an die Börse.

South Beauty ist eines der bekanntesten Familienunternehmen Chinas. Und Wangs Mutter gehört zu den einflussreichsten Unternehmerinnen des Landes mit einem geschätzten Vermögen von rund 180 Millionen Dollar.

Kenner der Pekinger Restaurantszene gehen davon aus, dass Wang im Lan Erfahrung sammeln soll, um eines Tages die Nachfolge seiner Mutter anzutreten. Wang selbst äußert sich dazu nicht.

Generationswechsel steht an

Im South Beauty hat der Generationswechsel schon begonnen, der in den kommenden Jahren in den meisten chinesischen Privatbetrieben ansteht. Es wird kein sanfter Übergang, sondern ein Bruch.

Gründerin Zhang Lan hat ihre Karriere noch bei einem staatlichen Baukonzern begonnen, ihre unternehmerischen Entscheidungen traf und trifft sie vor allem aus dem Bauch heraus. Der Sohn hat das Gastgewerbe im Ausland gelernt. "Unser Führungsstil ist ganz anders", sagt er. "Meine Mutter ist stark und dominant. Ich arbeite gern im Team."

Vor neun Jahren hat sie das erste South-Beauty-Restaurant eröffnet. Wang studierte damals in Frankreich. Eines Tages kam seine Mutter zu Besuch. Die Chinesen lieben Essen, und Wang wollte ihr eine neue kulinarische Welt zeigen.

Er führte sie in die besten Restaurants des Landes. "Meine Mutter war sehr beeindruckt vom Essen und dem perfekt arrangierten Umfeld und fragte immer wieder, warum es in China keine schönen Restaurants gibt." Kurz nach ihrer Rückkehr nach Peking gründete sie das erste Restaurant mit gehobener chinesischer Küche, serviert wird in moderner Atmosphäre. Die Idee war neu.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie es zu den ersten Firmengründungen kam.

"South Beauty ist eine Erfolgsgeschichte, auch weil Zhang Lans Sohn Wang Xiaofei so talentiert ist", sagt der Unternehmensberater Pan Yifan von Alliance PKU Management Consultants. Er verfolgt die Entwicklung chinesischer Familienunternehmer seit Jahren. "Es ist eine Zeit großer Veränderungen", sagt der Berater. In Chinas Privatwirtschaft steht der erste Generationswechsel an.

Ende 1978 begann der große Reformer Deng Xiaoping mit der vorsichtigen Öffnung der Wirtschaft. Und plötzlich schossen im ganzen Land private Unternehmen aus dem Boden: Restaurants, Geschäfte, Hinterhoffabriken und Schneidereien. 2005 kam eine Studie des Brokerhauses CLSA zu dem Ergebnis, dass der private Sektor bereits drei Viertel der chinesischen Waren produziert und drei von vier Arbeitnehmern beschäftigt.

Kaum Daten über Unternehmen

Auch der Arbeitgeberverband All-China Federation of Industry and Commerce bezeichnet die private Wirtschaft als wichtigsten Motor des Aufschwungs. Dennoch gibt es kaum Daten über die Unternehmer. Nicht einmal die genaue Zahl der privaten Firmen ist bekannt.

Im oft unsicheren politischen und rechtlichen Umfeld der Volksrepublik ist Diskretion eines der goldenen Geschäftsprinzipien. "Zu Beginn der Öffnungspolitik in den achtziger Jahren war es leicht, mit einer Firmengründung Erfolg zu haben. Wer genug Mut und Antrieb hatte, wurde auch dafür belohnt", sagt Berater Pan. "Damals haben fast alle Unternehmer die Gesetze gebrochen, denn anders hatten sie gar keine Chance."

Die Mehrheit der chinesischen Unternehmer hat ihre Firmen mit den eigenen Händen und einem gesunden Bauchgefühl aufgebaut, und viele von ihnen haben nicht einmal studiert. "Die Firmengründer von einst sind inzwischen 50, 60 Jahre alt geworden", sagt Pan.

Begrenzte Auswahl

Er erwartet, dass die meisten Unternehmer der ersten Stunde großen Wert darauf legen, dass die Führung der Firma auch nach dem Generationswechsel in den Händen der Familie bleibt - auch wenn das in vielen anderen Ländern als ein sicheres Rezept für den Niedergang des Unternehmens gilt.

"Es gibt den Beruf des professionellen Managers in China noch nicht lange. Und es gibt nur wenige wirklich hochqualifizierte Führungskräfte auf dem Arbeitsmarkt. Die Gründer werden deshalb davon ausgehen, dass die Risiken für das Unternehmen kleiner sind, wenn die Führung an die Kinder übergeben wird", sagt Pan.

Der Kreis möglicher Nachfolger ist noch kleiner als bei vielen Familienunternehmen im Westen, wo die großen Familienunternehmen oft genug ganzen Clans gehören. In China haben viele Familienbetriebe nur ein oder zwei Eigentümer.

Die Ein-Kind-Politik hat die Zahl potentieller Nachfolger zusätzlich begrenzt. Und ihren Töchtern trauen die chinesischen Unternehmer weniger zu als den Söhnen, ergab eine Umfrage der Tageszeitung Qianjiang Evening News. Berater Pan glaubt, dass der Generationswechsel Chinas private Betriebe weiter professionalisieren wird. "Aber es wird einige Jahre dauern, bis man abschließend sagen kann, ob die zweite Generation Erfolg hatte", sagt er.

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SZ vom 22.01.2009/saf/pak
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