Generation D:Junge Weltverbesserer

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Gesunde Kinder und sparsame Uni-Gebäude: Beispiele aus Aalen und Eichstätt zeigen, wofür sich studentische Tüftler einsetzen

Elisabeth Dostert

Die Innovation rostet an den Rändern. "Es ist nur ein Prototyp", sagt Dejan Stojicevic, 29. Der Rost ist ihm peinlich. Einige Tropfen rötlich gefärbten Wassers rinnen in den Plexiglasbehälter am Fuß des Gerätes, das er vor sich auf dem Tisch in einem Seminarraum der Hochschule Aalen aufgebaut hat. Das Gerät ist ein Wasserfilter. "Er braucht keinen Strom und ist nahezu wartungsfrei", sagt Stojicevic, als böte er ihn schon zum Verkauf an. Er hat ihn gemeinsam mit Denis Kuzmenko, Isabelle Linicus und Stefanie Gallenberger entwickelt. Sie studieren an der Hochschule Aalen Internationale Betriebwirtschaftslehre im letzten Semester.

1,5 Millionen Kinder sterben jährlich, weil sie schmutziges Wasser trinken. Ein einfacher Filter von Dejan Stojicevic und Kommilitonen soll Abhilfe schaffen. (Foto: Foto: Dostert)

Ein Jahr haben sie getüftelt und einen Geschäftsplan geschrieben. "Das ist schon der vierte Prototyp", sagt Stojicevic. In Serie soll das Gerät aus Edelstahl gefertigt werden, dann rostet es auch nicht mehr. "Es wiegt nur 15 bis 20 Kilogramm und lässt sich in einem Rucksack transportieren", sagt Stojicevic. Der Filter soll sich damit auch für Regionen eignen, die mit Lastkraftwagen und anderem schwerem Gerät nicht erreichbar sind.

"3,7 Milliarden Menschen auf der Welt haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser", schreiben die Vereinten Nationen. Nach Angaben des Kinderhilfswerkes Unicef sterben jedes Jahr 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren an Durchfallerkrankungen, weil sie schmutziges Wasser getrunken haben. Die Anleitung für den Filter wird als Piktogramm geliefert, also in Bildersprache. Die meisten künftigen Nutzer können weder lesen noch schreiben.

Draht und eine alte Dose

Die Studenten nehmen wie weitere 98 Teams aus ganz Deutschland am Wettbewerb "Generation D" teil, der in diesem Jahr zum ersten Mal von Bayerischer Elite-Akademie, Süddeutscher Zeitung, Allianz und der Stiftung Soziale Marktwirtschaft ausgeschrieben wurde. Die Sieger werden in dieser Woche ermittelt und am 21. November bei einer SZ-Veranstaltung in Berlin geehrt.

Fast 400 Studenten haben sich Gedanken über die soziale Gesellschaft, Klima und Umwelt, Arbeit und Wirtschaft gemacht - etwa über eine Online-Schenkbörse, über die registrierte Nutzer Sachen verschenken können, statt sie wegzuwerfen, oder über ein Kurssystem, in dem Senioren unter Anleitung von Experten Bildungs- und Freizeitangebote für Schüler entwickeln.

"Denis ist der Tüftler unter uns", sagt Stojicevic. Er will auf gar keinen Fall, dass es so aussieht, als sei es allein sein Projekt. Wie in einer kleinen Firma haben die vier Studenten die Aufgaben untereinander aufgeteilt. Stojicevic, der in einem Familienbetrieb großgeworden ist, kümmert sich um Beschaffung und Finanzen. Das Gerät kann er dennoch erklären. Er hat Kuzmenko, dem Tüftler, manchmal beim Löten und Schrauben geholfen.

Sie haben den Filter aus Konservendosendeckeln, Drähten, dünnen Metallrohren und einer aufgeschnittenen Mondamin-Büchse zusammengebaut. "Neulich gab es eine Nostalgie-Edition für Speisestärke", sagt Stojicevic. Die hatte die passende Dose für das Projekt. Das alles zusammen steckt dann in einem Plexiglasrohr.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie Studenten der Universität Eichstätt die Energieversorgung ihrer Hochschule ökologisiert haben.

Stojicevic setzt einen alten Plastikeimer auf das Rohr, dazu einen dünnen milchigen Gummischlauch. Aus dem Eimer läuft das Wasser durch elf schräg angeordnete Ebenen aus je zwei verlöteten Dosendeckeln in den Behälter am Fuß des Rohres. Dort wird es durch das in einem Parabolspiegel gebündelte Sonnenlicht erhitzt, der Dampf steigt in dem Plexiglasrohr auf, kondensiert an der Oberfläche der verlöteten Deckel, das aufgefangene Wasser wird über einen Schlauch aus dem Plexiglasrohr geleitet. "Drei Liter Brackwasser schafft der Filter pro Stunde", sagt Stojicevic. Ein Gerät reiche aus, um den Tagesbedarf an Trinkwasser einer fünfköpfigen Familie zu decken, und ein wenig halbwegs sauberes Brauchwasser fällt auch noch ab.

Anfang nächsten Jahres, wenn alle vier Studenten ihren Abschluss geschafft haben, wollen sie eine kleine Firma gründen, die das Gerät vertreibt. Erste Kontakte zu möglichen Lieferanten soll es schon geben, die Produktion solle Mitte 2009 anlaufen.

Als Absatzziel für das nächste Jahr nennt Stojicevic 400 Filter. 2011 sollen 10.000 verkauft werden und das Unternehmen die Gewinnschwelle überschreiten. Ein Filter soll zwischen 250 und 300 Euro kosten. "Wir wissen, dass sich die hilfsbedürftigen Menschen den Filter nicht leisten können", sagt Stojicevic: "Aber einige Hilfsorganisationen haben schon Interesse signalisiert." Günther Rusch, er gilt als Experte für Ghana, habe dem Team Kontakte zu einer Hochschule in dem afrikanischen Land vermittelt. "Die Studenten dort könnten sich um die Reparatur der Geräte kümmern, falls die doch mal nötig wird", sagt Stojicevic.

Über Absatzchancen müssen sich Agnes Grasberger, 20, Elisabeth Altmann, 21, und ihr Team keine Gedanken machen. Sie haben sich die Energieversorgung ihrer Hochschule, der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, angesehen. Die beiden Studentinnen leiten das Umweltreferat, eine Abteilung des studentischen Konvents, der wiederum eine Art Parlament ist und dem Juliane Roscher, 21 vorsteht. Die Idee zu dem Projekt hatte vor einem Jahr Valentina Aversano, die mittlerweile in Paris studiert. Sie war auf die Internetseite einer amerikanischen Universität gestoßen, die ihre Energieversorgung ganz über Ökostrom deckt.

Die Studenten wollen zahlen

Zunächst haben sich die Studenten vom Umweltreferat im Dezember vergangenen Jahres auf eine "Energie-Tour" durch die Hochschule gemacht, um herauszufinden, in welchen Gebäuden der Energieverbrauch besonders hoch ist. Insgesamt lag der Stromverbrauch im vergangenen Jahr bei knapp zwei Millionen Kilowattstunden. "In vielen Räumen brennt rund um die Uhr das Licht", berichteten die Hausmeister.

Die Zentralbibliothek beispielsweise verschlingt viel Strom, weil sie bis 24 Uhr geöffnet ist, aber nicht nur im Lesesaal, sondern meist auch in allen Nebenräumen durchgehend das Licht brennt, sagt Altmann. Im Sommer heizen sich Bibliothek, aber auch die Mensa wegen der weitgehend gläsernen Fassade auf und müssen klimatisiert werden, erzählen die Studentinnen. "Und in der Sommerresidenz sind die Fenster undicht", sagt Grasberger.

Eine Umfrage im Sommersemester habe ergeben, dass 83 Prozent der 4500 Studenten in Eichstätt bereit wären, acht Euro pro Semester zu zahlen, wenn die Uni auf Ökostrom umstellt. Vier Anbieter hat das Umweltreferat angeschrieben. Sobald die Angebote vorliegen, wollen die Studenten der Hochschulleitung konkrete Energiespar-Pläne unterbreiten. Im Winter wollen sie an jede Tür ein Plakat heften, das ihre Kommilitonen dazu auffordert, beim Verlassen des Raumes das Licht auszuschalten, die Fenster zu schließen, die Heizung runterzudrehen und die Elektrogeräte ganz auszuschalten. "Die sollen auch nicht im Stand-by laufen", sagt Grasberger.

"Vielleicht lassen sich Sponsoren gewinnen, die die höheren Kosten für den Ökostrom übernehmen. Vielleicht übernimmt ja auch das Bistum einen Teil", hofft sie. Schließlich sei so ein Projekt doch gut fürs Image. "Und Ressourcen zu schonen, ist doch auch eine Art, die Schöpfung zu wahren, schließlich sind wir hier an einer katholischen Universität", sagt Altmann.

© SZ vom 30.10.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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