Generalstreik in Spanien:"Wir sind nicht Griechenland"

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Spaniens Gewerkschaften wollen Madrid mit einem Generalstreik zum Kurswechsel zwingen. Generalsekretär Méndez wettert gegen die sozialistische Regierung. Die Reformen seien unternehmerfreundlich und falsch.

Javier Cáceres

"Hinter uns liegt eine Etappe, in der die Regierung Spaniens schwierige Entscheidungen treffen musste, damit die Märkte unsere feste Entschlossenheit würdigen, um die spanischen Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig machen." Das sagte Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Zapatero in Washington bei einem Treffen mit US-Banken und Investmentfonds. Diese Entscheidungen wirken nach: Für Dienstag haben die Gewerkschaften zum Generalstreik aufgerufen.

Der spanische Gewerkschaftsfunktionär Cándido Méndez kritisiert die Politik seines Landes. (Foto: AFP)

Die SZ befragte dazu den 58-jährigen Generalsekretär Cándido Méndez von der mit den Sozialisten verbandelten Allgemeinen Arbeiter Union UGT.

SZ: Wogegen richtet sich der Streik?

Cándido Méndez: Gegen die brüske politische Kehrtwende der Regierung. Die Regierung hat, ausgelöst durch die Griechenlandkrise der ersten Maiwoche, eine Reihe von Entscheidungen getroffen, ein Kürzungspaket und eine Arbeitsmarktreform eingeschlossen, die keines der Probleme unseres Landes lösen wird. Sogar die Regierung gibt zu, dass die Arbeitsmarktreform die Arbeitslosigkeit nicht verringern wird.

SZ: Sie liegt bei 20 Prozent, also weit über dem EU-Mittel. Als einer der Gründe dafür wird der rigide Kündigungsschutz einer antiquierten Arbeitsmarktgesetzgebung genannt. Ist das so?

Méndez: Erstens: Wir haben versucht, eine Übereinkunft mit der Regierung und den Unternehmern zu erzielen. Die Unternehmer haben sich geweigert, und die Regierung hat schließlich eine Reform verabschiedet, die eher den Positionen der Unternehmer zuneigt. Zweitens widersprechen wir der These, dass die Arbeitslosigkeit an der Gesetzgebung liegt. In jenen Gesprächen sagten die Mittelständler: Unser Problem ist nicht die Arbeitsmarktgesetzgebung, sondern dass uns die Banken von den Krediten abgeschnitten haben. Wenn ich etwas weiter ausholen darf . . .

SZ: . . . bitte . . .

Méndez: Durch den Eintritt von Frauen und Einwanderern in den Arbeitsmarkt ist die aktive Bevölkerung in den letzten 20 Jahren um fast acht Millionen Menschen angewachsen. So ein Wachstum gab es in keinem europäischen Land, nicht mal annähernd. Dennoch schuf Spanien Arbeitsplätze, zeitweise mehr als alle anderen europäischen Länder zusammen. Wir hatten, was die männliche Bevölkerung anbelangt, zeitweise sogar Vollbeschäftigung. Mit den bisherigen Arbeitsmarktgesetzen!

SZ: Worauf führen Sie den dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit zurück?

Méndez: Darauf, dass in den Unternehmen die Kultur vorherrscht, Anpassungen im Wege von Entlassungen herbeizuführen, und die Gesetzgebung in diesem Punkt sehr großzügig ist. Zudem hing unsere Wirtschaftsstruktur stark von der nun zusammengebrochenen Baubranche und dem Konsum ab. Eine Arbeitsmarktreform hätte exakt in die umgekehrte Richtung gehen, Entlassungen erschweren, prekäre Anstellungsverhältnisse verringern müssen. Stattdessen sind nun die Entlassungsmöglichkeiten vergrößert worden. Was Spanien braucht, ist ein anderes Produktionsmodell, eine andere Unternehmensstruktur. Die durchschnittliche Größe der Firmen ist bei uns geringer als etwa in Deutschland. Wir haben enorm viele Mikrobetriebe.

SZ: Warum hat ausgerechnet eine linke Regierung die Reformen beschlossen?

Méndez: Aus Panik. Aus einer Panik heraus, die durch die Griechenlandkrise entstand und dazu führte, dass sich die Kriterien mächtiger EU-Länder wie Deutschland durchsetzten.

SZ: Was meinen Sie konkret?

Méndez: Dass Kürzungen auferlegt wurden, um die Position der Gläubigerbanken zu schützen, darunter viele deutsche Banken. Doch dabei wurde nicht beachtet, dass unser Land sehr solvent ist. Sehr solvent. Wir haben ein öffentliches Verschuldungsniveau, das weit unter dem von Deutschland liegt. Uns wurde das Griechenland-Schnittmuster verpasst, obwohl wir nicht Griechenland waren. Mit gravierenden Folgen. Denn die Entscheidungen werden in meinen Augen die Erholung unserer Wirtschaft verlangsamen.

SZ: Es wird immer wieder moniert, dass die Produktivität Spaniens in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Ist das nicht unbestreitbar?

Méndez: In den Jahren des Wachstums haben die Arbeiter am Boom durch mehr Arbeitsplätze partizipiert. Aber während des Booms ist der Anteil der Löhne und Gehälter am Pro-Kopf-Einkommen zurückgegangen - zugunsten der Staatskassen und der Kapitalerträge. Verallgemeinernd von der Produktivität zu reden, ist sehr gewagt. Natürlich hat der Bauboom für negative Produktivität gesorgt. Aber wir haben Exportbranchen, die sogar superproduktiv sind. Der Autobau zum Beispiel. Das Problem ist, dass Spanien ein hohes Außenhandelsdefizit hat. Wir müssen unsere Exportfähigkeit steigern. Und andere strukturelle Probleme beseitigen. Neben der Kreditklemme vor allem die Energiekosten.

SZ: Wie wollen Sie die Krise bekämpfen?

Méndez: Wir sind gegen eine voreilige Exit-Strategie, wie sie in den Kürzungen zum Tragen kommt und wie sie von der EU gefordert worden sind. Spanien braucht fiskalische Impulse. Für mich ist es fahrlässig, das Defizit bis 2013 unter die 3-Prozent-Marke zu drücken. Unser Problem ist nicht, dass der Staat viel ausgibt, er gibt sogar vergleichsweise wenig aus. Unsere Steuereinnahmen liegen acht Punkte unter dem EU-Schnitt, unsere öffentlichen Ausgaben liegen fünf Punkte unter dem Schnitt. Man muss die Steuereinnahmen erhöhen und vor allem die Schwarzwirtschaft bekämpfen, um Ressourcen zu haben. Das ist keine Ketzerei. Es gibt dafür Margen.

SZ: Die Umfragen deuten darauf hin, dass beim Generalstreik eine geringe Beteiligung droht. Und Zapatero hat versichert, dass er an den Reformen festhalten wird. Fürchten Sie einen Misserfolg?

Méndez: Das ist vor Generalstreiks immer gesagt worden. Zu den Zeiten von Felipe González, zu den Zeiten von José María Aznar, nun wieder. Der Erfolg wird sich daran erkennen lassen, dass die Regierung ihre Positionen überprüfen muss.

© SZ vom 25.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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