General Motors und seine Europa-Tochter Opel:Detroit wird aggressiv

Während der Autohersteller General Motors Milliardengewinne macht, steckt seine Europa-Tochter Opel tief im Minus. Jetzt denken die US-Manager an weitere Werkschließungen, tausende Arbeitsplätze könnten wegfallen. Die deutschen Arbeitnehmer fürchten außerdem, dass Opel auf das Maß einer Regionalmarke gestutzt wird: klein, billig - wenn auch ein bisschen profitabel.

Thomas Fromm und Moritz Koch

Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke ist ein Manager, der in zwei Welten lebt. Wenn er Deutsch spricht, hat er einen amerikanischen Akzent. Weil er lange für die Opel-Mutter General Motors (GM) in den USA gearbeitet hat. Wenn er Englisch spricht, dann hört man seine deutsche Herkunft heraus. So ist das mit Stracke. Dem Chef eines deutschen Autobauers, dessen Chefs wiederum in der GM-Konzernzentrale in Detroit sitzen.

A traffic light is pictured in front of the Opel plant in Bochum

Das Opel-Werk in Bochum: Die Arbeitnehmer in Europa befürchten, dass die US-Manager weitere Werke schließen.

(Foto: REUTERS)

Wochenlang hatte man nichts von ihm gehört. Bis Donnerstag. An dem Tag, an dem GM seine Bilanz für 2011 veröffentlichte, musste auch Stracke ran und Journalistenfragen beantworten. Es war kein perfekter Tag für einen Auftritt.

7,6 Milliarden Dollar Gewinn hat GM im vergangenen Jahr gemacht, teilten die Amerikaner am Donnerstag mit. Einzig Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall fuhren ein Minus von rund 750 Millionen Dollar ein. Das war zwar besser als die zwei Milliarden Dollar Verlust im Vorjahr. Allerdings wollte Opel endlich aus den roten Zahlen herauskommen. Jetzt haben die US-Manager die Geduld mit ihrer Europa-Tochter verloren. Sie wollen wieder kürzen.

In Detroit saß GM-Chef Dan Akerson und erklärte, das Opel-Ergebnis sei "nicht zu akzeptieren", man werde die Probleme "eher aggressiv angehen". In Deutschland saß Stracke und sprach Englisch. Und es klang mal wieder wie Deutsch. Ob nun Opel-Werke wie das in Bochum geschlossen werden, wird er gefragt. Und Stracke sagt, dass es noch zu früh sei, darüber zu sprechen. Zurzeit werde über alles verhandelt. Derzeit sei alles "Teil der Diskussion". Wie lange das nun dauere? "Ich erwartet, dass das nicht in einem Monat oder so passiert, eher in einigen Monaten", sagt er. Für die Opelaner wird es ein langes Zittern.

Die Amerikaner, sie wollen nun durchgreifen. Andere deutsche Autobauer schrieben in 2011 Rekordgewinne. Nur Opel blieb erfolglos. Europa, das ist der große rote Fleck auf der Weltkarte des größten amerikanischen Autobauers. Und das, obwohl in Europa in den vergangenen zwei Jahren bereits 8000 Jobs gestrichen und ein Werk in Antwerpen geschlossen wurden.

Das alles brachte nichts. Nur ein Mal gelang es Opel in den vergangenen zwölf Jahren, profitabel zu arbeiten. Das war 2006. Die Arbeitnehmer in Europa befürchten nun, dass die Manager in den USA das große Messer zücken. Tausende Arbeitsplätze könnten wegfallen, ganze Werke wie das in Bochum geschlossen werden. Die Angst der Arbeitnehmer: Opel soll kleiner werden und sich als Regionalmarke mit kleinen Investitionen in die Gewinnzone hangeln. Klein, billig, und zumindest ein bisschen profitabel.

Schon heute kann Opel nicht, wie etwa Volkswagen, vom Auto-Boom in den Schwellenländern profitieren. Die Rüsselsheimer dürfen nicht dorthin - um den anderen GM-Marken keine Konkurrenz zu machen. Die Arbeitnehmervertreter stemmen sich daher mit aller Kraft gegen den freien Fall in die Bedeutungslosigkeit. Opel habe in 2011 immerhin "ein wesentlich besseres Ergebnis als im Vorjahr" erzielt, stellte der Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug am Donnerstag fest. Opel als kleine Regionalmarke, im Schatten der großen GM-Schwestern? "Wichtig wird es sein, die Material- und Produktkosten zu senken und den Zugang zu neuen Märkten auszuweiten", fordern die Betriebsräte. Außerdem setze man auf die "Erweiterung und Verjüngung der Opel-Produktpalette". Mit anderen Worten: Europa fordert, dass die USA weiter investieren.

General Motors feiert die Wiederauferstehung

Doch Rüsselsheim ist von Detroit weit weg. Von den Sorgen der Arbeiter in Bochum und Rüsselsheim ist in amerikanischen Werken nichts zu spüren.

Denn sie sind jetzt wieder wer in der Autostadt Detroit. 2008 von Massenentlassungen bedroht, können sich GM-Mitarbeiter heute über einen Bonus freuen. 7000 Dollar gibt es für jeden der insgesamt 47.500 gewerkschaftlich organisierten Arbeiter. Eine Erfolgsbeteiligung für das beste Jahr der Konzerngeschichte. GM feiert die Wiederauferstehung, im Jahr drei nach der Stunde null: Im Sommer 2009 stand der Konzern vor dem Aus. Nur die Verstaatlichung bewahrte ihn vor der Abwicklung, die damaligen Aktionäre waren die Leidtragenden. Sie erlitten einen Totalverlust. Seither geht es steil bergauf. Das neue Unternehmen ist schlank, innovativ, wettbewerbsfähig. Und GM ist zurück an der Börse. Dennoch ist der Weg zurück in die Normalität weit. Noch immer hält die amerikanische Regierung 26 Prozent an GM.

Genau das ist das Problem, auch für all die, die in Europa arbeiten. Unter der Staatsbeteiligung leidet die Aktie des Konzerns. Solange Investoren damit rechnen müssen, dass die Regierung ihre restlichen Anteile abstößt, halten sie sich zurück. Rekordgewinn hin oder her, der Kurs kommt kaum vom Fleck. Das Finanzministerium rechnet damit, dass es fast die Hälfte der 50 Milliarden Dollar, mit denen es GM gestützt hat, nie wieder sehen wird. Damit steigt auch der Druck auf Opel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: