General Motors: Insolvenz:"Was gut für das Land ist, ist auch gut für GM"

Von Haifischflossen, Waffen und Krankenkassen - Aufstieg und Fall des einst größten Autokonzerns der Welt.

Nikolaus Piper

Charles E. Wilson war einer der mächtigsten Präsidenten, die General Motors je hatte. Während des Zweiten Weltkriegs steuerte er die Kriegsproduktion in Detroit und schuf damit die Voraussetzungen für den Sieg der Alliierten über Japan und Deutschland. Präsident Franklin D. Roosevelt nannte Detroit deshalb das "Arsenal der Demokratie". Und Präsident Dwight Eisenhower wollte Wilsons Erfahrungen für den Kalten Krieg gegen die Sowjetunion nutzen; er machte ihn deshalb 1953 zum Verteidigungsminister.

General Motors, Reuters

Vom Weltkonzern zum Krisenfall: Das einstige Vorzeigeunternehmen General Motors ist pleite.

(Foto: Foto: Reuters)

Vor seiner Ernennung im Senat gab es aber Schwierigkeiten. Bei einer Anhörung im Kongress verlangten einige Senatoren, Wilson solle seine GM-Aktien verkaufen, um Interessenskonflikte im Amt zu vermeiden. Worauf dieser leicht verwundert antwortete: "Ich dachte immer, was gut ist für das Land, sei auch gut für General Motors, und umgekehrt." Dieser Satz ist, in leicht verkürzter Form, in den Zitatenschatz der Welt eingegangen.

Er belegt die enorme politische und wirtschaftliche Bedeutung, die der einst größte Autokonzern der Welt für Amerika hatte. Selbst in der Krise ist GM noch der zweitgrößte Industriekonzern der USA. Noch größer ist vielleicht die symbolische Bedeutung. Manche Kritiker sahen in der engen Verbindung zwischen Detroit und Washington einen "militärisch-industriellen Komplex", die meisten erinnert der Name GM aber an die glorreichen Zeiten der amerikanischen Autoindustrie, an Straßenkreuzer, Haifischflossen und Weißwandreifen.

Ungeheuerlicher Einschnitt

Deshalb ist der Insolvenzantrag von GM ein so ungeheuerlicher Einschnitt in die amerikanische Geschichte. Der Konzern hatte schließlich die gesamte Weltwirtschaftskrise überstanden, ohne einen Dollar Verlust schreiben zu müssen. Für den Niedergang werden in der Öffentlichkeit zwei Erklärungen gehandelt. GM hat es verlernt, gute Autos zu bauen, sagen die einen. GM ging unter, weil die Gewerkschaften eine Kostenstruktur erzwungen haben, wegen der der Konzern international aus dem Wettbewerb fiel.

Beide Erklärungen sind für sich genommen falsch, in der Kombination aber werden sie richtig. GM-Managern wird immer wieder vorgeworfen, dass sie Autos nur noch als Maschinen mit vier Rädern betrachteten und daher seelenlose Autos bauten. Der Vorwurf ist aus heutiger Sicht berechtigt, paradoxerweise jedoch begann der Aufstieg des Konzerns vor 101 Jahren gerade mit der Erkenntnis, dass Autos etwas Emotionales sind.

Amerikas Autoindustrie wurde nicht von nüchternen Ingenieuren begründet, sondern von verrückten Autonarren: Louis Chevrolet, David Buick, die Brüder Studebaker und Dodge. Die meisten dieser Gründer gingen mindestens einmal in ihrer Karriere pleite. Auch der Gründer von General Motors, William Durant, hatte zwei Insolvenzen hinter sich, ehe sein Erfolg begann. Sein Geniestreich bestand darin, farbige, interessante und emotionale Marken zusammenzukaufen und in einem Konzern zusammenzubinden: Buick, Oldsmobile, Pontiac, Cadillac, Chevrolet.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie GM zum Weltkonzern wurde - und wann der Abstieg begann.

Aufstieg und Niedergang

Zum Weltkonzern wurde GM in den zwanziger Jahren durch Alfred Sloan. Der langjährige Präsident und Chairman schaffte es, die Marken so zu ordnen, dass sie sich keine Konkurrenz mehr machten. Unter seiner Ägide überholte GM den Erzrivalen Ford; Sloan war es auch, der 1929 Opel kaufte und vor dem Untergang bewahrte.

Einer der wichtigsten Tage in der Geschichte von GM hat aber nichts mit Autos zu tun, sondern mit Arbeitsbeziehungen. Am 30. Dezember 1936 begann die Autogewerkschaft UAW einen Streik im GM-Stammwerk Flint bei Detroit, um als Verhandlungspartner anerkannt zu werden. Nach erbittertem Widerstand des Managements hatte die UAW Erfolg: Am 11. Februar 1937 schloss GM einen Vertrag mit der Gewerkschaft, der für die gesamte Autoindustrie zum Maßstab werden sollte.

Die Arbeiter wurden immer besser bezahlt und kauften von ihren höheren Löhnen immer teurere Autos. Detroit schuf so die Standards für die amerikanische Mittelklasse. Zuletzt kam GM nicht nur für die Krankenversicherung der Arbeiter und ihrer Familien auf, sondern für die aller Pensionäre.

Lange Krisengeschichte

Der Niedergang begann in den siebziger Jahren, als die Benzinpreise stiegen und die japanische Konkurrenz zeigte, dass man Autos günstiger als in Detroit bauen konnte. Die Toyotas und Nissans mochten langweilig sein, aber sie waren bezahlbar.

Für GM setzte nun eine lange Krisengeschichte ein. Das Management schaffte es nicht, Kosten zu senken und suchte lieber nach Modellen, die zu den überhöhten Kosten in Detroit noch produziert werden konnten.

Das Ergebnis waren Hummers und Chevrolet Silverados - benzinschluckende Ungeheuer, die wenigstens bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise noch Käufer fanden. Es waren Notlösungen. Die globale Autokrise konnte GM nicht stemmen. Der Absatz brach binnen eines Jahres um die Hälfte ein. In vier Jahren hat GM 33 Milliarden Dollar Verlust angehäuft und war überschuldet. Jetzt hat die Regierung die Aufgabe, das Kostenproblem lösen.

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