General Electric:Ein Konzern streicht

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Seit zwei Monaten gehört Alstoms Energiegeschäft nun zu General Electric, jetzt sollen 6500 Jobs wegfallen. Am stärksten sind Deutschland und die Schweiz betroffen.

Von Christoph Giesen, Leo Klimm und Charlotte Theile, München/Paris/Zürich

Am Anfang war es ein zähes Ringen, nun geht alles ganz schnell: Gerade einmal zwei Monate nach der erfolgreichen Übernahme des Energiegeschäfts des angeschlagenen französischen Industriekonzerns Alstom durch General Electric (GE) will der amerikanische Konzern in Europa 6500 Stellen streichen. Am stärksten betroffen sind Deutschland und die Schweiz. Nach Angaben des Unternehmens sind hierzulande bis zu 1700 der insgesamt 11 000 Arbeitsplätze bedroht, die meisten davon in Mannheim. Dort soll die Turbinenfertigung geschlossen werden. Der Standort selbst bleibe aber erhalten, sagte ein GE-Sprecher.

In Mannheim werden vor allem Dampfturbinen produziert, das Geschäft lief zuletzt jedoch nur schleppend. Im vergangenen Herbst wurde in dem Werk daher Kurzarbeit eingeführt. Nach Angaben der IG Metall müssen allein in Mannheim mehr als 1000 der etwa 1800 Mitarbeiter um ihren Job bangen. Neben etwa 500 Beschäftigten in der Fertigung beträfen die Sparpläne auch gut 500 Mitarbeiter im Servicegeschäft und in der Verwaltung. Am Mittwoch demonstrierten deshalb in der Mannheimer Innenstadt mehr als 1000 Menschen gegen den geplanten Stellenabbau.

"Mit so dramatischen Einschnitten haben wir nicht gerechnet", sagte Kai Müller, er ist Vorsitzender des Europäischen Betriebsrats. "Zwei Monate sind erst seit der Übernahme vergangen, und schon werden Stellen abgebaut, da kann man Zweifel bekommen, ob die neuen Eigentümer sich das alles überhaupt genau angesehen haben." Selten hatte jedoch ein Unternehmen mehr Zeit, sich auf eine Übernahme vorzubereiten: Über Wochen zog sich im Frühsommer 2014 die Übernahmeschlacht zwischen GE und dem ewigen Rivalen Siemens hin. Mal legte der eine ein Angebot vor, dann wieder konterte der andere, und mittendrin die Politik: Paris stellte Forderungen, Berlin vermittelte, am Ende entschied Brüssel. Im September 2015 genehmigte die Europäische Kommission den Deal, im November konnte GE die Übernahme dann endlich abschließen. Für insgesamt 8,5 Milliarden Euro kaufte GE das Turbinengeschäft von Alstom und ist seitdem auch Miteigner der Alstom-Aktivitäten mit Atomstrom, erneuerbaren Energien und Stromnetzen. Ein Teil des Gasturbinengeschäfts, das in der Schweiz seinen Sitz hat, musste GE an den italienischen Wettbewerber Ansaldo abgeben. Ohne diese Auflage aus Brüssel wären die Abbaupläne für die Schweiz wohl noch gravierender ausgefallen.

Jeder fünfte Job ist dort bedroht: 1300 von 6500 Stellen. Christian Gusset von der Schweizerischen Gewerkschaft Unia zeigte sich erschüttert: "Noch vor zwei Jahren wurden wir als Schwarzseher verspottet, als wir vor einem solchen Abbau warnten", sagte Gusset. Nun sei genau das eingetreten, was man befürchtet habe. "Es sind viele sehr gut ausgebildete Ingenieure betroffen. Wir verlieren hier massenhaft Know-how - und das unwiederbringlich."

Anders als Deutschland und in der Schweiz, wird Frankreich geschont. Dort sollen von insgesamt etwa 14 000 Stellen lediglich 765 gestrichen werden. Dieser Einschnitt war auch schon länger angekündigt, wenngleich noch nicht präzise beziffert. Betroffen sind vor allem Verwaltungsjobs im früheren Alstom-Konzern an Standorten im Raum Paris. "Dieser Abbau wird ausgeglichen", beteuerte ein GE-Sprecher. "In Frankreich werden wir bis Ende 2018 viele neue Mitarbeiter einstellen, um die Zahl der Beschäftigten im Land auf dann 15 000 zu steigern."

Der Job-Aufbau um netto 1000 Stellen in Frankreich ist eine Zusage, die GE-Chef Jeffrey Immelt auf politischen Druck hin machen musste: Im Bieterkampf, den er 2014 gegen Siemens um Alstom geführt hatte, sicherte er sich damit die Unterstützung von Präsident François Hollande. Am Mittwoch erklärte ein Regierungssprecher, Frankreichs Führung werde "genau nachzählen", um die Einhaltung des Versprechens zu überprüfen. Immelts Zusage bezieht sich allerdings nicht nur auf den früheren Alstom-Konzern, sondern auf alle GE-Aktivitäten in Frankreich - also auch auf Sparten wie Luftfahrt oder Gesundheitstechnik.

Dennoch kritisieren auch Frankreichs Gewerkschaften das Sparprogramm scharf. Die Einschnitte dienten allein dazu, den Kurs der GE-Aktie zu stützen, urteilte die Gewerkschaft CGT. Das Programm sei "die erste Etappe dazu, die Energieaktivitäten von Alstom in Frankreich und Europa zu zerstören". Immelts Arbeitsplatz-Zusage für Frankreich werde nur durch Tricks eingehalten - nämlich, indem Mitarbeiter externer Zulieferer übernommen und Aktivitäten aus anderen europäischen Ländern abgezogen würden.

Allesamt Vorwürfe, die GE aus Amerika nicht kennt.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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