General Electric:Die entzauberte Ikone

Jeffrey Immelt führte General Electric jahrelang mit großen Sprüchen - nun stürzt der größte Industriekonzern der Welt ab.

Markus Balser

Keine drei Jahre ist es her, da verneigte sich die Welt vor seinem Konzern. Anfang 2006 erkor das US-Magazin Fortune General Electric (GE) zum "am meisten bewunderten Unternehmen der Welt".

General Electric: Der Aktienkurs kennt zuletzt nur eine Richtung: nach unten

Der Aktienkurs kennt zuletzt nur eine Richtung: nach unten

(Foto: Foto: dpa)

Über Jahrzehnten galt der Gemischtwarenladen, der Kühlschränke, Kraftwerke und Kinofilme verkauft, als globaler Maßstab für Elite-Manager. "General Electric ist ein großes Unternehmen", stellte Konzernboss Jeffrey Immelt fest.

Die Gewinne stiegen, kein Wortspiel schien verwegen: "Unser Ziel ist es nicht nur, groß zu sein, sondern unsere Größe zu nutzen, um großartig zu sein." Ob es auch eine Nummer kleiner geht? "Wer kleine Brötchen backt, gehört nicht hier her", befand Immelt.

"Ruf wurde in Mitleidenschaft gezogen"

Als die Aktionäre des Konzerns am Mittwoch überall auf der Welt Post der GE-Zentrale aus dem Städtchen Fairfield im US-Bundesstaate Connecticut bekamen, war von Optimismus nicht mehr viel zu spüren.

Auf zwölf Seiten legte Immelt ein bemerkenswertes Geständnis ab: "Der Ruf unseres Unternehmens wurde in Mitleidenschaft gezogen, weil wir nicht das sichere und zuverlässige Wachstumsunternehmen waren, das wir hofften zu sein. Ich übernehme die Verantwortung dafür", lasen die Aktionäre. Es half ihnen wenig. Der Aktienkurs sackte zeitgleich auf ein historisches Tief und kostete erstmals seit 18 Jahren weniger als sechs Dollar. Zum Vergleich: Im Jahr 2000, kurz vor Immelts Start, waren sie noch 60 Dollar wert. Und der Absturz ist steil. Seit Jahresanfang haben die Papiere des Konzerns mit weltweit 300.000 Mitarbeitern und 182 Milliarden Dollar Umsatz fast 60 Prozent an Wert verloren.

Das größte Industrie- und Finanzkonglomerat, steckt in Schwierigkeiten, weil es die Kreditkrise voll erwischt hat. Besonders betroffen: Die Finanzsparte GE Capital. Investoren an der New Yorker Wall Street sind in großer Sorge. Zwar wies die Sparte im vergangenen Jahr noch fast neun Milliarden Dollar Gewinn aus. Doch Analysten warnen vor nicht realisierten Verlusten in Milliardenhöhe, weil diverse Posten bei GE nicht der Pflicht unterliegen, sie auf den aktuellen Marktwert abzuschreiben. Die Angst vor der "tickenden Zeitbombe" machte die Runde im New Yorker Finanzzentrum.

Die Finanzsparte hat für GE große Bedeutung. Sie vergibt Kredite an Privat- und Geschäftskunden - in guten Zeiten ein florierendes Geschäft. Über Jahre verdiente der Konzern in seiner Finanzsparte 30 bis 50 Prozent zum gesamten Konzerngewinn. Wegen der starken Abhängigkeit vom Finanzgeschäft treffen den Konzern Spekulationen um die Überlebensfähigkeit der Sparte nun um so härter. Der Konzern war mit der Finanzsparte auch außerhalb der USA aktiv und lieh zahlreichen Kunden in Entwicklungsländern und Osteuropa viel Geld - Länder, die von der Finanzkrise besonders hart getroffen werden.

Misstrauen an der Börse

GE zog am Donnerstag alle Register um in der Finanzgemeinde Vertrauen zurückzugewinnen. Finanzchef Keith Sherin trat im hauseigenen Fernsehsender CNBC, der über die Tochter NBC zu GE gehört auf und trat den schlimmsten Befürchtungen entgegen: "Bei GE Capital gibt es keine Zeitbombe." Die Spekulationen am Finanzmarkt seien übertrieben, GE sei gut mit Kapital ausgestattet, sagte Sherin.

Doch die Märkte sprechen eine andere Sprache, das Misstrauen bleibt groß, es hagelt Verkaufsempfehlungen für die Aktie. "Anleger halten sie für sehr riskant, sagt Tim Backshall, Chefstratege von Credit Derivates Research. Und Immelts Brief an die Aktionäre ließ keine Zweifel mehr. GE steht vor schweren Zeiten: "In der Vergangenheit ging ich davon aus, dass die starke Diversifizierung des Unternehmens über alle Konjunkturzyklen hinweg einen Schutz darstellt. Aber einen Zusammenbruch des Weltfinanzsystems und die nachfolgenden katastrophalen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben wir nicht erwartet. Das makroökonomische Umfeld ist brutal" Immelt wirkt ratlos: Ein wirtschaftlicher Sturm fege über die Welt hinweg, klagt der Konzernchef.

"Aus dem Liquiditätsengpass ist eine finanzwirtschaftliche Kernschmelze geworden", schreibt Immelt. "2008 war ein schwieriges Jahr und es ist zu erwarten, dass 2009 noch schwieriger wird."Immelt, 53, weiß, dass er längst um seinen eigenen Job kämpft - und versucht alles, um ihn zu halten. Im Februar ließ er seinen Bonus für 2008 streichen. Seine Gesamtbezüge sinken um insgesamt zwei Drittel.

Längst wollen die Aktionäre mehr sehen als nur eine Entschuldigung des Managements. Gegen das Unternehmen und seinen Chef hat ein Investor in dieser Woche Klage eingereicht - und strebt eine Sammelklage an. Er fühle sich hintergangen begründete er seinen Schritt. Noch Anfang des Jahres habe Immelt eine gleichbleibende Dividende versprochen, nun solle sie gekürzt werden - erstmals seit 1938.

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