Geldwerkstatt:Verlieren ist keine Option

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Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Für viele Anleger ist die Rendite zweitrangig - ihnen geht es vor allem darum, ihr Vermögen zu erhalten. Doch auch das ist schwierig geworden, denn Ertrag ohne Risiko ist nicht mehr in Sicht. Aber es gibt noch Alternativen.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Christian von Bechtolsheim hat die Angst um das Geld unmittelbar erlebt, und er kann froh sein, dass es seine Firma bis heute gibt. Kaum hatte er die Focam AG gegründet, die vor allem große Familienvermögen verwaltet, spielten die Märkte verrückt. Es war 2001, die Internetblase platzte, und so ziemlich jeder, der damals in Aktien angelegt hatte, verlor Geld. Bechtolsheim hielt durch, die Krise ging vorbei, und aus 50 Millionen wurden bis heute fast zwei Milliarden Euro, die er im Auftrag seiner Kunden steuert. Aber die Kunden haben sich verändert.

Im Gedächtnis von Anlegern wiegen Verluste schwerer als Gewinne, das ist in der Verhaltensforschung gut belegt. Die Krisen der vergangenen Jahre haben ihre Spuren hinterlassen, die Verluste von 2001, die Kernschmelze im Weltfinanzsystem 2008, der Kursrutsch von 2011 und die endlose Staatsschuldenkrise in Europa. "Das Sicherheitsbedürfnis ist gestiegen, seitdem wir am Markt sind", sagt Bechtolsheim. Gerade Menschen mit großen bis sehr großen Vermögen, die Milliardäre und Multimillionäre, mit denen er zu tun hat, seien besonders konservativ. "Vermögenserhalt und Stabilität sind in den vergangenen Jahren sehr viel wichtiger geworden", sagt er.

Das hat auch mit einer Entwicklung zu tun, die es so noch nie gegeben hat: Zu keiner Zeit in der Geschichte waren die Leitzinsen der wichtigsten Notenbanken über einen so langen Zeitraum flächendeckend so niedrig. Zugleich steigen die Börsenkurse noch immer von einem Rekord zum nächsten, der Aufwärtstrend an den Kapitalmärkten hält seit acht Jahren an. Vergleichsweise sichere Anleihen geben seit Jahren kaum noch Rendite her oder sind sogar negativ verzinst. Viele Anleger sind misstrauisch geworden - wer aber vorsichtig ist, verdient zu vergleichsweise geringem Risiko kaum noch Geld. Vermögenserhalt ist wichtiger geworden, aber wer mit seinem Vermögen ein stetiges Einkommen erzielen will, hat kaum noch Optionen.

Mit der Garantie verzichteten die Sparer auch auf Erträge

"Es gibt keine Lösungen mehr, die einen risikolosen Ertrag versprechen", sagt Conrad von Sydow, Vorstandskollege von Bechtolsheim. Früher war das einfach: Man besorgte sich mehrere Anteile an Fonds, die regelmäßig Gewinne ausschütteten, ließ sich ein Portfolio aus Anleihen zusammenkaufen und kassierte die Zinsen - oder legte ein wenig Fest- und Tagesgeld an, um einen regelmäßigen Ertrag zu haben oder wenigstens die Inflation auszugleichen. Noch immer steckt das Geld deutscher Sparer zu fast zwei Dritteln in Anleihen, auf Zinskonten, in Versicherungen oder Rentenfonds. Solide Erträge bringt all das nicht mehr.

Nach der Finanzkrise reagierten die Fondsgesellschaften auf die grassierende Angst und brachten eine Reihe sogenannter Garantiefonds unter die Leute. Traumhaft: Produkte, die eine ordentliche Rendite versprechen und obendrein Verluste vermeiden. Bei diesen Produkten sichern die Fondsgesellschaften ihren Anlegern vertraglich zu, dass diese mindestens ihr eingesetztes Kapital zurückerhalten. Allerdings zeigte sich schnell: Mit der Garantie verzichteten die Anleger auch auf Erträge. Die meisten Produkte brachten nicht viel, waren dafür aber teuer. "Rentenfonds mit langen Laufzeiten in Kombination mit Geldmarktfonds wären in der Phase von 2008 bis 2015 allerdings eine genauso effektive, aber kostengünstigere Variante gewesen", sagt Andreas Görler, der bei Pruschke & Kalm in Berlin Vermögen verwaltet. Weil sich Garantiefonds im Niedrigzinsumfeld kaum mehr darstellen lassen, haben sie zuletzt reihenweise geschlossen.

Wertuntergrenzen sind zwar Zielvorgaben, gewährleistet werden diese aber nicht

Derweil versuchen manche Fondsgesellschaften, Sicherheitsbewusste mit einer neuen, vergleichbaren Kategorie anzusprechen: Sogenannte Wertsicherungsfonds, die statt einer Garantie ein maximales Verlustrisiko angeben und deren Kurs möglichst wenig schwanken soll. Die Strategien sind dabei unterschiedlich: Einige Fonds streben an, den Verlust innerhalb eines Jahres zu beschränken, wie der Wertsicherungsfonds 98 der Privatbank Metzler. Dessen Manager versuchen, den Verlust auf zwei Prozent zu begrenzen. Andere Produkte wie der schon neun Jahre alte VR Westmünsterland Select von Union Investment streben eine Verlustgrenze über mehrere Jahre hinweg an. Relativ neu ist das Konzept der Frankfurter Fondsboutique Veritas: Innerhalb eines Jahres soll der Fonds Veri-Safe nicht mehr als 2,5 Prozent verlieren - steigt er im Wert, wird die Wertuntergrenze nachgezogen.

Anders als bei Garantiefonds unterscheiden sich die Strategien also teilweise erheblich. Auch sind die Wertuntergrenzen zwar Zielvorgaben, werden aber nicht gewährleistet. So unterschiedlich wie ihre Strategien sind, ist auch die Wertentwicklung der Fonds - und die zeigt den klassischen Zusammenhang: Die Sicherheit geht zulasten der Rendite. Dafür erleben Anleger mit diesen Fonds weniger Schwankungen mit.

Für risikoscheue Sparer gibt es indes bessere Alternativen als Produkte, die "sicher" oder "Garantie" im Namen tragen. "Neue Wertsicherungsprodukte lassen sich vermutlich gut verkaufen", sagt Görler, "sind nach meiner Auffassung aber völlig überflüssig." Kombinationen aus den etwa 11 000 Investmentfonds und 1500 börsengehandelten Indexfonds böten genügend Möglichkeiten, findet er. Mehrere defensive (und kostengünstige) Mischfonds oder Income-Fonds als Grundlage reichen, um als risikoscheuer Anleger gut auf die nächste Krise vorbereitet zu sein.

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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