Geldwerkstatt:Scheibchenweise Kredite vergeben

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Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage.

Auf Crowdlending-Portalen können Verbraucher auch kleinere Beträge in Firmen investieren. Anbieter locken mit fünf Prozent Zinsen - doch es droht auch der Totalausfall. Was bei dieser Geldanlage zu beachten ist.

Von Felicitas Wilke

Frederik Barmeyer hat es fast geschafft. Der Kredit, den er über die Online-Plattform Kapilendo beantragt hat, ist zu fast 90 Prozent finanziert; es dürfte nicht mehr lange dauern, bis der geschäftsführende Gesellschafter der Firma Vendago seine 200 000 Euro erhält. Davon wird er, wie er in einem kurzen Video auf der Webseite ankündigt, neue Fotoautomaten kaufen, die in Kinos, Clubs und Diskotheken stehen sollen, mit Werbeanzeigen versehen. Barmeyer erklärt sein Geschäftsmodell in weniger als einer Minute.

Über Plattformen wie Funding Circle, Lendico oder Kapilendo können Verbraucher kleinen und mittelständischen Firmen einen Kredit geben. Wenn alles klappt, zahlen die Unternehmer die Summe später samt Zinsen zurück. Dabei muss der Verbraucher der Firma nicht die gesamte Summe leihen, sondern nur einen Teil des benötigten Betrags. Den Rest legen andere Investoren dazu: die Crowd.

Im Jahr 2015 haben 13 Crowdlending-Portale Kredite im Wert von mehr als 189 Millionen Euro an Unternehmen und Privatpersonen vermittelt. Damit sitzen die Anbieter zwar noch immer in einer Nische; allerdings hat sich das Marktvolumen im Vergleich zu 2014 fast vervierfacht.

Warum nutzen Mittelständler diese neue Form der Finanzierung, statt einen gewöhnlichen Bankkredit aufzunehmen? Laut den Vermittlungsportalen liegt das nicht daran, dass die Unternehmer für die Banken nicht kreditwürdig wären. Sondern vor allem, weil sie so schneller und unkomplizierter an Geld kommen: "Bei einer Bank dauert der Prozess oft über drei Monate, bei uns erfahren die Unternehmer innerhalb von 48 Stunden, ob sie den Kredit erhalten", sagt Thorsten Seeger, Geschäftsführer von Funding Circle in Deutschland.

Auch potenzielle Kreditgeber müssen nur wenige Hürden überwinden, um ihr Geld anzulegen: Sie registrieren sich online und können dann bei vielen Anbietern bereits mit 100 Euro in ein Projekt einsteigen. Worin sie genau investieren, erfahren sie vorher in Werbevideos oder Beschreibungen auf der Webseite. Schafft es das Vorhaben, genügend Anleger zu überzeugen, winken den Kreditgebern im Schnitt etwa fünf Prozent Zinsen, teilweise noch mehr. Obwohl einige Plattformen ein Prozent als Servicegebühr abziehen, klingt die Rendite in Nullzinszeiten verlockend.

Doch wo attraktive Zinsen locken, lauern auch immer Risiken. Ob das Geschäftsmodell der Kreditnehmer funktioniert und sie die Schulden später tatsächlich zurückzahlen können, ist ungewiss. Zwar können Verbraucher im elektronischen Bundesanzeiger die Jahresabschlüsse der Firmen nachlesen und analysieren, doch dafür brauchen sie betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse - und können sich lediglich auf Zahlen der Vergangenheit stützen. Investitionen über Crowdlending-Plattformen fallen "ganz eindeutig unter Risikokapital", sagt Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung z-invest.

Kreditgeber gehen das Risiko ein, dass ein Unternehmen das Geld nicht zurückzahlen kann

Ähnlich sieht das Stephanie Heise, Bereichsleiterin Finanzen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Wir raten nicht grundsätzlich davon ab, über solche Plattformen Geld anzulegen", sagt Heise, "doch Verbraucher sollten sich bewusst sein, dass ein Kredit auch komplett ausfallen kann. Wir empfehlen, nur Geld einzusetzen, dessen Verlust man verschmerzen könnte."

Bei Krediten gilt die Faustregel: Je höher der Zinssatz, desto riskanter. Wie die Banken prüfen auch Crowdlending-Plattformen die Kennzahlen der Unternehmer - und analysieren, wie wahrscheinlich es ist, dass der Kredit nicht zurückgezahlt werden kann. So entsteht ein mehr oder weniger hoher Zinssatz. Weil viele Anbieter in Deutschland noch nicht lange Kredite vermitteln, lässt sich noch nicht verlässlich feststellen, wie oft Unternehmen nicht zahlen konnten. Kapilendo gibt an, dass bei den 45 bislang finanzierten Projekten einmal die letzten zwei Raten ausgefallen seien. Allerdings sind auch erst vier Projekte bereits vollständig getilgt.

Um das Risiko möglichst gering zu halten, sollten Anleger ihr eingesetztes Geld auf mehrere Projekte verteilen. Falls ein oder mehrere Firmen den Kredit nicht komplett zurückzahlen können, schmerzt es den Anleger etwas weniger. Bei Funding Circle heißt es, 99 Prozent der Anleger, die in mehr als 100 Projekte investiert haben, erzielten eine positive Rendite. Dabei greift die Plattform auf Erfahrungswerte anderer Länder zurück, in denen Funding Circle schon länger aktiv ist.

Wer wirklich breit streuen und beispielsweise in 100 Projekte jeweils 100 Euro investieren würde, müsste allerdings 10 000 Euro in die Hand nehmen. Das ist viel Geld - zumal gar nicht immer so viele Projekte gleichzeitig auf Investoren warten. Bei Funding Circle sind derzeit gerade einmal fünf Anlagemöglichkeiten gelistet. Kreditgeber zu finden, sei nicht schwer, kreditwürdige Unternehmen hingegen schon, sagen die Plattformen. Um überhaupt breit streuen zu können, brauchen Anleger also Geduld.

Manche Plattformen wie Kapilendo vermitteln darüber hinaus nicht nur klassische Kredite, sondern auch sogenannte Nachrangdarlehen. Dabei handelt es sich aber nicht um klassisches Fremdkapital. Im Fall einer Insolvenz werden die Gläubiger von Nachrangdarlehen erst nach den anderen, erstrangigen Kreditgebern bedient. Belohnt wird dieses Risiko mit höheren Zinsen - es ist und bleibt aber ein Wagnis.

Die Kreditvermittler schmücken sich gern damit, dass sie Verbraucher mit dem seriösen deutschen Mittelstand zusammenbringen. Und tatsächlich tragen kleine und mittlere Unternehmen hierzulande entscheidend zur Wirtschaftskraft bei. Dennoch: Unter den 99,6 Prozent der deutschen Firmen, die klein oder mittelgroß sind, tummeln sich nicht nur funktionierende Geschäftsideen. Selbst einige große und bekannte Mittelständler, die sich in den vergangenen Jahren am Kapitalmarkt Geld geliehen und Mittelstandsanleihen herausgegeben hatten, mussten Insolvenz anmelden: unter anderem Steilmann, René Lezard und German Pellets.

Diese Gefahr bestehe auch bei kleinen Unternehmen, die auf Crowdlending-Plattformen um Investoren werben, sagt Verbraucherschützerin Heise: "Nur weil die Anbieter mit dem Begriff des Mittelstandes werben, heißt das noch nicht, dass der Kreditnehmer seriös und zahlungskräftig sein muss."

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