Geldwerkstatt:Raus aus der Nische

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Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage.

Kaum ein anderes Segment am Kapitalmarkt wächst derart schnell wie das der "grünen" Anleihen.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Mit welchen Mitteln die Welt zu retten sein könnte, ist ziemlich gut dokumentiert. Eine der wichtigsten Fragen aber ist auch nach 23 Welt-Klimakonferenzen und dem Pariser Abkommen von Ende 2015 noch weitgehend ungelöst: Woher die vielen Milliarden kommen sollen, um all die Dämme zu bauen, den Umstieg auf erneuerbare Energien zu finanzieren und die vielen Bäume zu pflanzen, ohne die eine katastrophale Erderwärmung nicht mehr zu verhindern wäre. Wenn nicht die Privatwirtschaft einen großen Teil dazu beiträgt, auch das ist gewiss, wird das Geld nicht reichen. Deshalb ruhen große Hoffnungen auf dem Kapitalmarkt, vor allem auf einem Instrument, das zehn Jahre nach seiner Erfindung noch immer auf den Durchbruch wartet: Green Bonds, "grüne" Anleihen, bei denen das geliehene Geld in Umwelt- und Klimaschutzprojekte fließt.

Die EU-Förderbank EIB brachte 2007 die erste solche Anleihe auf den Markt, ein knappes Jahr später tat die Weltbank es ihr gleich. Im vergangenen Jahr kamen nach Daten der Climate Bonds Initiative grüne Anleihen im Wert von annähernd 81 Milliarden Dollar auf den Markt, mehr als doppelt so viele wie 2015. Inzwischen holen sich nicht nur Förderbanken mit solchen Schuldverschreibungen Geld, auch Konzerne und sogar Staaten finanzieren sich auf diese Weise.

"Mit der Verbreiterung des Marktes werden Green Bonds ihren Nischenstatus verlieren", sagt Wolfgang Köhler voraus, der im Vorstand der DZ Bank für das Kapitalmarktgeschäft zuständig ist. Denn bisher ist das Segment im Vergleich zum Gesamtmarkt winzig. Grüne Bonds machen gerade einmal 0,2 Prozent des weltweiten Anleihemarktes aus. Und obwohl immer mehr solche Papiere auf den Markt kommen, reichen sie längst nicht mehr aus, um die stark steigende Nachfrage von Investoren zu bedienen. Im wichtigsten Problem des jungen Marktes steckt also eigentlich eine gute Nachricht: Geld gibt es genug, nur das Angebot für Anleger wächst eben nicht schnell genug. Das hat mit einem zweiten Problem zu tun, das sich erst allmählich löst: "Man kann nicht in allen Fällen exakt darstellen, welchen Effekt die Investitionen haben", sagt Frank Czichowski, Treasurer bei der staatlichen Förderbank KfW, dem mit Abstand größten Akteur im deutschen Green-Bond-Markt. Und die verfügbaren Daten seien oft schlecht vergleichbar. Global einheitliche, verpflichtende Regeln für die Papiere gibt es noch nicht.

Käufer einer grünen Anleihe wollen möglichst genau wissen, wie viel sie damit zum Klima- und Umweltschutz beitragen. Zwar haben sich 140 Banken, Förderinstitute und Fondsgesellschaften vor drei Jahren auf einheitliche Standards verständigt. Das reicht aber nicht aus. Wer eine Anleihe begibt, muss in der Regel vorher genau festlegen, wofür er die Mittel verwenden will - aber erst allmählich gibt es flächendeckend bessere Daten darüber, ob die Ziele tatsächlich erreicht wurden. Denn ist eine Anleihe einmal auf dem Markt, berichten laut einer aktuellen Studie der Climate Bonds Initiative nur 75 Prozent der Schuldner ein Jahr später über den jeweiligen Projekterfolg.

Green Bonds funktionieren im Grunde wie gewöhnliche Anleihen. Der Schuldner nimmt für eine vorab festgelegte Laufzeit eine bestimmte Summe am Kapitalmarkt auf, die er zuzüglich Zinsen zurückzahlt. Im Unterschied zu herkömmlichen Schuldverschreibungen stecken die Emittenten das Geld aber in den Ausbau erneuerbarer Energien, finanzieren Investitionen in Energieeffizienz oder Aufforstungsprojekte in Rodungsgebieten im Regenwald.

Erst, wenn eine unabhängige Stelle die Bedingungen geprüft hat, darf eine Anleihe als "grün" angeboten werden. Einen Rendite-Vorteil gegenüber gewöhnlichen Anleihen bieten die Umwelt-Papiere nicht, aber auch keinen Nachteil. Sie sind von den gleichen Schwierigkeiten betroffen wie herkömmliche Anleihen: Jahrelange Nullzinsen, ein Wettlauf um renditestarke Papiere und die Anleihekaufprogramme der Notenbanken haben die Verzinsung der Papiere stark gedrückt. Im Schnitt werfen sie derzeit nur 1,4 Prozent Rendite pro Jahr ab. Hinzu komme, sagt Czichowski, dass wegen der ganzen Berichtspflichten der Aufwand für die Emittenten viel größer sei, wenn sie eine grüne Anleihe begeben. Sie zahlen gleich hohe Zinsen bei deutlich höheren Kosten.

Der zusätzliche Klima-Effekt ist in Summe bisher gering: Nur in Ausnahmefällen haben Green Bonds Projekte finanziert, die nicht ohnehin umgesetzt worden wären. Das dürfte sich aber mit der Zeit ändern. Bisher waren es vor allem Pensionskassen, große Versicherer oder Kirchenstiftungen, die in dem Segment investiert haben. Mittlerweile haben auch die großen Fondsgesellschaften Green Bonds für sich entdeckt und öffnen den Markt für Privatanleger.

In Deutschland sind mit steigender Tendenz 14 Anleihe-Fonds auf dem Markt, die teilweise ausschließlich in grüne Papiere investieren. Neun davon stehen Sparern offen. Inzwischen kommen auch erste börsengehandelte Indexfonds auf den Markt, die Anleihen-Indizes wie den Solactive Liquid Green Bond Index nachbilden. Mit Polen im vergangenen und Frankreich in diesem Jahr treten zudem erstmals Staaten als Emittenten auf, was den Markt zusätzlich in Schwung bringt. Auch Weltkonzerne wie Apple haben das Segment für sich entdeckt - wobei fraglich ist, wie grün ein solches Unternehmen überhaupt sein kann.

Wer mit gutem Gewissen investieren möchte, findet in den Fondsprodukten jedenfalls eine gute Alternative zu mickrig verzinsten Tages- oder Festgeldangeboten bei Nachhaltigkeitsbanken wie Triodos oder GLS und muss dabei nicht auf Rendite verzichten. Zugleich bieten die Bonds einen willkommenen Ersatz zu als nachhaltig vermarkteten, in der Regel riskanteren Aktien-Investments, deren Effekt für den Klimaschutz oft nicht ersichtlich ist.

Bei aller Aufmerksamkeit bleibt der Green-Bond-Markt vorerst allerdings sehr klein. Auch der Kapitalmarkt fällt als Retter der Welt - noch - aus.

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