Süddeutsche Zeitung

Geldwerkstatt:Inflation frisst Zins

Deutsche Sparer haben es schwer: Da es kaum Zinsen gibt, die Preise aber deutlich steigen, verlieren sie im Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Von Harald Freiberger

Schwere Zeiten für Sparer: Die Zinsen für Geldanlagen verharren auf einem historischen Tief, die Preise ziehen dagegen seit Monaten deutlich an. Das bedeutet, dass die Bundesbürger derzeit real, also unter Berücksichtigung der Inflationsrate, Geld verlieren. Auf das gesamte Jahr gerechnet, liegt dieser Verlust im zweistelligen Milliardenbereich.

Das Internetfinanzportal Verivox hat ausgerechnet, was die Kombination aus Niedrigzins und steigender Inflation mit den Ersparnissen der Deutschen macht: Der durchschnittliche Zins für Tagesgeld, errechnet aus den Konditionen von mehr als 800 Banken, liegt derzeit bei 0,05 Prozent. Die Preise in Deutschland stiegen im Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 2,2 Prozent. Zwar wird erwartet, dass die Inflationsrate in den kommenden Monaten etwas zurückgeht, trotzdem dürfte sie aufs Jahr gerechnet annähernd zwei Prozent betragen.

Die Deutschen haben 1,8 Billionen Euro auf der hohen Kante - auf Sparbüchern, in Tagesgeld, auf dem Girokonto oder als Bargeld. Unterstellt, es wird mit dem Tagesgeld-Zinssatz von 0,05 Prozent verzinst, verlieren die Deutschen bei einer Inflation von 1,9 Prozent damit im gesamten Jahr 33 Milliarden Euro. Bei einer Inflation von 1,4 Prozent, von der die Bundesbank ausgeht, sind es immer noch 24 Milliarden Euro.

Das ist eine bittere Erkenntnis, zumal die Deutschen bei der Geldanlage konservativ sind. Viele scheuen das Risiko, das die Geldanlage in Aktien oder Fonds in sich birgt. Sie bringen sich damit aber auch um die größeren Chancen dieser Anlageformen, gerade wenn es um das langfristige Sparen für die Altersvorsorge geht. In einer Umfrage der Norisbank gaben 30 Prozent der Bundesbürger an, dass sie resigniert haben und ihr Geld derzeit auf dem Girokonto liegen lassen, wo es meist überhaupt keine Zinsen gibt. Für 20 Prozent ist Tagesgeld die erste Wahl. Nur zwölf Prozent investieren in Aktien oder Fonds.

Wie können Sparer der Zinsinflationsfalle entkommen? Zumindest zum Teil lassen sich die Verluste ausgleichen, den die steigenden Preise mit sich bringen - durch Anlage in Sparformen, die zumindest noch ein bisschen Zins bringen. Das fängt beim Tagesgeld an. Anlageexperten empfehlen Sparern, stets etwa zwei bis drei Monatsgehälter als eiserne Reserve in dieser Anlageform zu halten. Denn sie hat den Vorteil, dass das Geld - wie der Name sagt - täglich verfügbar ist. Das ist dann wichtig, wenn etwa eine überraschende Autoreparatur ansteht.

Bei den meisten der weit über 1000 Banken in Deutschland bewegt sich der Tagesgeldzins kaum über der Nulllinie. Es gibt aber einige, die noch bis zu 1,00 Prozent zahlen (siehe Tabelle). Bei den meisten gibt es diesen Zinssatz allerdings nur für Neukunden, und es gibt ihn nur einige Monate lang garantiert; danach sinkt er auf ein deutlich niedrigeres Niveau. Tagesgeld-Offerten ohne diese Einschränkungen bieten die PSD Bank Niederbayern-Oberpfalz (1,00 Prozent), die Ferratum Bank (0,75 Prozent) und Cosmos Direkt (0,55 Prozent).

Wichtig ist es dabei, auf die Einlagensicherung zu achten. Innerhalb Europas muss jede Bank einen Anlagebetrag von 100 000 Euro pro Sparer garantieren. Für die Umsetzung verantwortlich ist dabei der jeweilige Staat. In Deutschland gibt es zusätzlich zur europäischen Regelung noch eine Einlagensicherung der einzelnen Bankengruppen. Grundsätzlich aber raten Experten, höhere Beträge auf mehrere Institute zu verteilen.

Eine Bank kann die Konditionen für ihr Tagesgeld-Angebot aber jederzeit ändern. Wer sich einen höheren Zins auf längere Zeit festschreiben lassen will, für den empfiehlt sich daher eher Festgeld. Für ein Jahr Laufzeit zahlt die schwedische Klarna-Bank zum Beispiel 1,00 Prozent Zinsen, für zwei Jahre 1,10 Prozent. Bei der französischen Crédit Agricole sind es 0,81 und 0,91 Prozent. Die maltesische Ferratum Bank gewährt für ein Jahr 0,85 Prozent, die türkische Deniz-Bank mit Sitz in Österreich für zwei Jahre 1,00 Prozent.

Anleger, die ihr Geld derzeit ein Jahr fest anlegen, müssen sich kaum Sorgen machen, dass in dieser Zeit die Zinsen deutlich steigen. Die meisten Experten rechnen frühestens Mitte kommenden Jahres damit, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen anhebt.

Und wer bei der Geldanlage eine noch längere Perspektive hat und für das Alter vorsorgen will, sollte ohnehin überlegen, ob er nicht doch über Fonds oder Indexfonds breit am Aktienmarkt investiert. Der Anlagehorizont sollte dabei mindestens fünf Jahre betragen. Das bietet die Chance auf langfristig höhere Erträge. Voraussetzung aber ist, dass Anleger dabei noch ruhig schlafen können. Wer dieses Risiko jedoch nicht eingehen will, muss zusehen, wie sein Geld weniger wird: Mit sicheren Anlagen lässt sich die gegenwärtige Kluft zwischen Zins und Inflation nicht überbrücken.

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Quelle:
SZ vom 20.03.2017
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