Geldwerkstatt:Das Apple der Zukunft finden

Die Digitalisierung wälzt die Wirtschaft weltweit um. Sie bestimmt und verändert alles, es gibt keine Branche und kein Unternehmen, die nicht betroffen wären. Wie können Anleger von dem Trend profitieren?

Von Harald Freiberger

Wenn der Münchner Bernhard M. vor gut 20 Jahren nicht auf seinen Kollegen gehört hätte, dann wäre heute ein kleines Vermögen seins. "Ich war damals kurz davor, Apple-Aktien zu kaufen", erzählt er. 2000 D-Mark wollte er investieren, doch der Kollege, der sich an der Börse gut auskennt, redete es ihm aus. Es sei zu riskant, auf einzelne Unternehmen zu setzen, meinte er. Die Aktie von Apple stand damals bei einem Euro. Heute ist sie rund 130 mal mehr wert. Das heißt, aus den 2000 D-Mark von Bernhard M. wären umgerechnet 130 000 Euro geworden.

Das Beispiel zeigt, welche Chancen es bietet, wenn ein Geldanleger auf den richtigen Trend und das richtige Unternehmen setzt. Apple hat mit iPod, iPad und iPhone gleich mehrere revolutionäre Produkte massentauglich gemacht und ist so nach Börsenwert zum teuersten Unternehmen der Welt geworden.

Das Beispiel zeigt aber auch, wie schwierig es für Anleger ist, von einem Trend zu profitieren. Wer konnte damals ahnen, dass Apple die digitale Welt einmal dominieren würde? Der geniale Gründer Steve Jobs hatte das Unternehmen zwischendurch verlassen, bis Anfang der Nullerjahre legte die Aktie eine Achterbahnfahrt hin, die viele Investoren abstieß; erst als 2004 das iPod eingeführt wurde, ging es mit dem Kurs richtig nach oben.

Der Kollege von Bernhard M. hatte nicht unrecht mit seiner Skepsis: In einzelne Unternehmen zu investieren, ist riskant, Apple hätte auch einer der vielen Technologiekonzerne werden können, die einmal große Hoffnungswerte waren, dann aber den Anschluss verloren und inzwischen verschwunden sind.

Es ist einfach, die Aktie zu finden, die in den vergangenen 20 Jahren die beste Kursentwicklung hingelegt hat. Leider ist es nicht ganz so einfach, die Aktie zu finden, die in den nächsten 20 Jahren am stärksten steigen wird. So lässt sich die Malaise aller Anleger zusammenfassen, die einen naheliegenden Gedanken haben: Die Digitalisierung ist der größte Trend, den es gegenwärtig in der Welt der Wirtschaft gibt. Sie bestimmt und verändert alles, es gibt keine Branche und kein Unternehmen, das nicht von "Disruption" betroffen wäre. Die Stichworte sind Big Data, Elektromobilität, autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz oder Robotik. Wenn es einen solch alles dominierenden Trend gibt, dann müsste man doch auch als Anleger davon profitieren, sagen sich viele und fragen sich, wie sie die Apple-Aktie der Zukunft finden.

Das Unternehmen zu finden, das künftig durch die Decke geht, wäre ein Glücksfall

Im Detail ist diese Frage deutlich schwerer zu beantworten, als Hintz und Kuntz sich das vorstellen. Aus der Vielzahl von börsennotierten Unternehmen gerade das eine zu finden, das künftig durch die Decke gehen wird, wäre ein Glücksfall wie ein Sechser im Lotto. Es geht also, wie immer bei der Aktienanlage, darum, das Risiko zu streuen und in viele verschiedene Unternehmen zu investieren.

Steve Jobs

„Wir nennen es iPhone“: Im Januar 2007 präsentierte Steve Jobs das erste iPhone und stieß damit ein neues Computerzeitalter an.

(Foto: Paul Sakuma/AP)

Die Fondsbranche hat den Digitalisierungstrend längst erkannt. Wer nach speziellen aktiv gemanagten Aktienfonds oder ETFs sucht, die einen Index nachbilden, findet weit mehr als 100 einzelne Produkte. "Es gibt Fonds, die vor allem auf Technologie-Großkonzerne aus den USA wie Apple, Google oder Intel setzten, es gibt welche, die sich auf kleinere Technologieunternehmen konzentrieren, es gibt spezielle Fonds für Spartentrends wie Künstliche Intelligenz oder Robotik, und es gibt ETFs, die sich auf Technologieindizes beziehen", sagt Ali Masarwah von der Fonds-Ratingagentur Morningstar.

Zudem besteht die Möglichkeit, in Unternehmen zu investieren, die zwar aus klassischen Branchen stammen, die Digitalisierung aber gut bewältigen. "Es gibt Disruption an allen Ecken und Enden, das betrifft nicht nur Technologieunternehmen, sondern geht in die breite Wirtschaft hinein", sagt Heiko Veit, der bei Metzler Asset Management einen Aktienfonds mit europäischen Wachstumswerten managt. Der technologische Wandel biete Chancen, er berge aber auch nicht zu unterschätzende Risiken: Etablierte Geschäftsmodelle könnten dabei unter Druck geraten, Altes werde unter Umständen zerstört. Das mache es für Anleger schwierig, denn man wolle ja nicht in Unternehmen investieren, die zu den Verlierern der Zukunft gehören. "Einen großen Teil des Wertzuwachses macht ein aktiver Fondsmanager, wenn er solche Aktien nicht kauft", sagt Veit.

Dass Technologieaktien Risiken bergen, wissen die Bundesbürger schon aus den Jahren nach 2000, als an der Börse die Internet-Blase platzte. In den Jahren davor gab es eine beispiellose Euphorie, die vom damals noch neuen Internet, der Telefonliberalisierung und der Biotechnologie ausging. Der Nemax-50-Index, in dem solche Aktien zusammengefasst waren, stieg in extreme Höhen. Doch als sich herausstellte, dass die Erwartungen zu hoch waren, brach alles zusammen.

"Die Geschäftsmodelle der Unternehmen waren damals noch nicht reif genug", sagt Fonds-Experte Masarwah. Als die Kurse abstürzten, brach bei vielen kleinen Unternehmen die Finanzierung zusammen, sie verschwanden, und die Anleger verbrannten sich die Finger.

Das ist ein warnendes Beispiel für Anlageexperten. Gleichzeitig ist aber allen klar, dass die Zeiten sich geändert haben. Vor 15 Jahren gab es nicht wenige, die dachten, das Thema Internet wäre ein für alle mal erledigt. Inzwischen steht fest: Die Digitalisierung verändert die Wirtschaft in einem bisher nicht gekannten Ausmaß und Tempo. Auch die Struktur der Technologie-Branche hat sich verändert. Vor dem Platzen der Internetblase waren es oft kleine, unreife Unternehmen, die sich im Technologiebereich tummelten, heute sind häufig große Konzerne die Träger von Innovation. Wer breit in die Branche investieren will, landet deshalb schnell bei Google, Facebook, Apple oder Intel.

Georg von Wallwitz, Vermögensverwalter in München, setzt bei seiner Anlagestrategie auf das Prinzip "The winner takes it all": "Wir investieren bevorzugt in Unternehmen, an denen Verbraucher kaum mehr vorbeikommen, weil sie sich eine große Marktdominanz erarbeitet haben", sagt er. Dazu zählt er etwa Apple, den Datenkonzern Google, die Sozial-Plattform Facebook, den Bezahldienstleister Paypal, den Internethändler Amazon, den Kreditkartenanbieter Mastercard und ihre chinesischen Pendants Tencent, Alibaba und Baidu. Ein weniger bekannter Dominator ist das kanadische Unternehmen Shopify, das anderen Firmen hilft, eine eigene Online-Verkaufsstrategie zu erstellen - Firmen, die eine eigene Plattform aufbauen und nicht über Amazon verkaufen wollen. Shopify hat mehr als 300 000 Kunden, die Aktie hat sich allein 2017 mehr als verdoppelt.

Auch für Fondsmanager Veit geht es darum, Aktien mit Potential auszuwählen. In seinem Fonds befinden sich derzeit rund 55 einzelne Papiere. Er bevorzugt Unternehmen, die "den digitalen Wandel offensiv angehen". Als Beispiele nennt er das Softwareunternehmen SAP und den Halbleiterhersteller Infineon.

Veit findet es aber nicht nur wichtig, auf die richtigen Aktien zu setzen. Genauso wichtig sei es, Aktien zu meiden, die Opfer des technologischen Wandels werden könnten. Kritisch sieht der Fondsmanager unter diesem Gesichtspunkt die Bankenbranche, die großen Automobilhersteller und den klassischen Einzelhandel.

Einige Fondsmanager haben über längere Zeit ein gutes Händchen bewiesen

Fonds-Experte Masarwah macht die Entscheidung, in welche Fonds man investieren soll, auch davon abhängig, wie lange es sie schon gibt. "Einige Technologiefonds wie der Henderson Global Tech, der Fidelity Global Technology oder der Pictet Digital haben über längere Zeit bewiesen, dass sie ein gutes Händchen haben", sagt er. Gerade in den vergangenen Jahren sei die Wertentwicklung sehr gut gewesen, sie stiegen oft um bis zu 20 Prozent im Jahr. Allerdings liefen Aktien in der Zeit allgemein sehr gut. "Das Problem ist, dass es wenig Schwankungen gab, man weiß nicht richtig, woran man ist", sagt Masarwah.

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Auch die ETF-Branche ist auf den Digitalisierungstrend aufgesprungen. Ihre Produkte bilden bestehende Technologieindizes nach, etwa den MSCI World Information Tech, den Stoxx Europa 600 Technology oder den Nachfolger des Nemax-50, den deutschen Tec-Dax (der in den vergangenen Jahren hervorragend lief). iShares hat vor einem Jahr einen eigenen Digitalisierungs-ETF auf den Markt gebracht. Die Jahresgebühr der ETFs liegt mit 0,3 bis 0,4 Prozent deutlich niedriger als bei den Aktienfonds, die 1,6 bis 1,8 Prozent kosten.

Es gibt aber auch Argumente für aktiv gemanagte Fonds. "Die Digitalisierung ist eine große Chance für Fondsmanager, Mehrwert für Anleger zu generieren", sagt Veit. Aktiv gemanagte Fonds hält er deshalb für besser geeignet, weil Fondsmanager in die Zukunft blickten. ETFs bildeten dagegen die gegenwärtige Lage ab und extrapolierten diese in die Zukunft.

Wie sollten Privatanleger konkret in die Digitalisierung investieren? Masarwah empfiehlt einen speziellen Fonds oder ETF als "Beimischung" mit nicht mehr als fünf bis zehn Prozent des Vermögens, das für Aktien zur Verfügung steht. Er macht darauf aufmerksam, dass Anleger, die in einen breit anlegenden ETF wie den MSCI World einsteigen, gleichzeitig auch in die Digitalisierung investieren: "Im MSCI World befinden sich 1600 Aktien, darunter alle großen Technologie-Konzerne wie Apple, Intel oder SAP", sagt er. Anleger müssten also aufpassen, dass sie die Digitalisierung nicht mehrfach abdecken und in dieser dann zu stark investiert sind.

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