Geldwerkstatt:Bodenhaftung für Hellseher

Wer bei der Geldanlage nur auf Einzelaktien setzt, geht ein Risiko ein - vor allem, wenn er sich selbst überschätzt. Ein paar typische Fehler lassen sich aber mit ein paar Tricks vermeiden.

Von Felicitas Wilke

Dass man am Aktienmarkt nicht alles richtig machen kann, liegt in der Natur der Sache. Trotzdem passieren Anlegern auch immer wieder ähnliche Fehler, die man hätte vermeiden können. Wenn Anleger nicht auf Fonds vertrauen, sondern ihre Geldanlage mithilfe von Einzelaktien lieber selbst in die Hand nehmen, setzen sie sich so manchem Risiko besonders stark aus. Drei typische Fehler beim Aktienkauf auf eigene Faust - und wie sie sich vermeiden lassen.

Schlecht streuen

Gerade wenn man auf Einzelaktien setzt, kann ein klassischer Fehler bei der Geldanlage schnell passieren: Das anzulegende Kapital wird auf zu wenige Aktien verteilt. Sparer tendieren dazu, sich zu sehr auf Werte aus dem Heimatland zu konzentrieren oder bestimmten Branchen besonders zugeneigt zu sein - und verschlimmern den Effekt mangelhafter Streuung dadurch noch. Wenn die Wirtschaft eines Landes kriselt oder mehrere deutsche Autohersteller wegen Kartellverdachts an der Börse abstürzen, fällt der Wert des eigenen Depots im gleichen Tempo mit: Schließlich liegen darin keine oder kaum Aktien anderer Branchen, die dabei helfen könnten, die Entwicklung abzufedern.

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Das schnelle Geld im Auge? Das könnte schief gehen, Aktionismus führt an der Börse selten zum Erfolg.

(Foto: Kai Pfaffenbach/REUTERS)

Man kann mit Einzelaktien erfolgreich Geld anlegen. Die Faustregel, dass das Risiko umso größer wird, je weniger Titel sich im Portfolio befinden, sollten Anleger aber beachten. "Eine Streuung fängt bei zehn bis 15 Aktien aus verschiedenen Ländern und Branchen an", sagt die Finanzberaterin Stefanie Kühn aus Grafing bei München. Eine Studie im Auftrag der Zeitschrift Finanztest hat sogar ergeben, dass man mindestens 30 unterschiedliche Wertpapiere kaufen sollte, wenn man ausschließlich auf Einzelaktien setzt.

Wer sich nicht die Mühe machen möchte und kein Interesse daran hat, passende Aktien aus aller Welt und vielen Branchen zusammenzustellen, kann auf passive Indexfonds (ETF) ausweichen. Der MSCI World bildet etwa die Entwicklung von Aktien aus 23 Industrienationen ab und streut daher automatisch.

Verluste laufen lassen

Es bereitet nie Freude zuzugeben, dass man eine nicht allzu kluge Kaufentscheidung getroffen hat. Das ist bei Aktien nicht anders als bei neuen Schuhen, die drücken. Vermutlich deshalb neigen Anleger dazu, sich zu spät oder gar nicht von Wertpapieren zu trennen, die im Minus liegen und sich als Fehlkauf herausstellen. Statt sie zu verscherbeln, verkaufen Aktionäre eher erfolgreiche Werte. Verhaltensökonomen haben herausgefunden, dass Menschen im Gewinnbereich weniger risikofreudig agieren als im Verlustbereich. Läuft eine Aktie gut, möchten sie sich den Ertrag möglichst schnell sichern; entwickelt sie sich schlecht, hoffen Anleger lieber weiterhin darauf, dass das Papier wenigstens wieder den Wert erreicht, zu dem man einst eingestiegen ist.

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Riskant ist daran zweierlei: Je länger man damit wartet, ein Verliererpapier zu verkaufen, desto tiefer kann der Kurs bereits gefallen sein - und mit ihm geht das eingesetzte Geld dahin. Zudem droht Anlegern, die sich nur von erfolgreichen Aktien trennen, dass sie irgendwann nur noch absteigende Titel im Portfolio haben. Umgehen können sie diese Gefahr, indem sie schon vorher für sich festlegen, welchen Kursverlust sie maximal mittragen wollen.

Wer sich selbst überschätzt, neigt an der Börse zum Aktionismus

Nun heißt es zwar, dass Anleger am Aktienmarkt auch mal Verluste aushalten müssen. Dabei sollte man jedoch zwischen Einzelaktien, passiv und aktiv gemanagten Fonds unterscheiden. "Bei den passiven Indexfonds können und sollten Anleger auch schlechte Phasen aussitzen, weil sie so breit gestreut sind", sagt Finanzberaterin Kühn. Ähnlich verhalte es sich mit aktiven Investmentfonds, wobei man beachten sollte, ob der Fondsmanager an seiner Anlagestrategie festhält. "Wer Einzelaktien hält, sollte genauer im Blick behalten, wie sich die jeweiligen Kurse entwickeln", sagt Kühn. Denn wenn ein Geschäftsmodell einfach nicht mehr funktioniert, dann geht es womöglich nie mehr aufwärts. In diesem Fall sollte man rechtzeitig verkaufen, um den Schaden zu begrenzen.

Sich selbst überschätzen

Es halten sich nicht nur sehr viele Menschen für überdurchschnittlich gute Autofahrer. Einige schreiben sich auch an der Börse hellseherische Kräfte zu und glauben, schlauer als der Markt zu sein. Das liege auch daran, dass "viele Aktionäre noch nie einen Crash erlebt haben und sich den derzeitigen Erfolg an der Börse mit ihren klugen Entscheidungen erklären", sagt Finanzberaterin Kühn. Das sei aber oftmals ein Irrglaube - mit Konsequenzen: Wer glaubt, den perfekten Zeitpunkt für einen Kauf oder Verkauf zu kennen, neigt an der Börse zum Aktionismus und handelt tendenziell öfter. Jedes Mal fällt dabei eine Ordergebühr an. Und nicht nur das: Studien zeigen, dass viele Anleger eine höhere Rendite hätten erzielen können, wenn sie die Aktien länger behalten hätten.

Wer häufig das eigene Depot überprüft, handelt öfter. Deshalb empfiehlt die Verhaltensökonomin Mara Grunewald vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln den Anlegern, sich nicht von Apps und Online-Banking dazu drängen zu lassen, jeden Tag aufs Depot zu schauen. Das übertriebene Selbstbewusstsein wiederum lässt sich austreiben, indem man mit anderen Menschen spricht. "Ob Laie oder Berater - eine andere Sichtweise hilft in beiden Fällen gegen Selbstüberschätzung", sagt Grunewald. Es könne auch hilfreich sein, sich für jedes Argument für eine Investition auch ein Argument dagegen zu überlegen.

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