Süddeutsche Zeitung

Geldwäsche:Zwei Oligarchen, eine Skandal-Bank und viel Geld

  • Der ukrainischen Zentralbank zufolge wurden über die Privat Bank bis Ende 2016 fast sechs Milliarden Dollar über zwielichtige Überweisungen und Tarnfirmen ins Ausland verschoben.
  • Mehrheitlich kontrolliert wurde diese Bank damals von den Oligarchen Ihor Kolomoiskij und Gennadij Bogoljubow.
  • Drei Jahre später ist der Skandal noch nicht aufgearbeitet. Eine wichtige Spur führt in den EU-Mitgliedsstaat Lettland.

Von Florian Hassel, Kiew

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte eine eindeutige Botschaft, als er dem Präsidenten der Ukraine einen neuen Kredit in Aussicht stellte. 5,5 Milliarden Dollar würden nur bei Erfüllung einiger Bedingungen bewilligt und ausgezahlt, machte die IWF-Direktorin am Telefon dem Präsidenten der Ukraine klar. Die Ukraine müsse Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit machen, den Einfluss "maßgeblicher Kreise" in der Wirtschaft verringern, Erfolge bei der Bankenreform bewahren und die dabei entstandenen "hohen Schäden für die Steuerzahler" kompensieren. Jeder Ukrainer wusste, was gemeint war: Kiew solle den Einfluss reicher Oligarchen zurückdrängen und Milliarden zurückholen, die das Finanzministerium Ende 2016 bei einer Not-Verstaatlichung bereitstellen musste. Es geht bei diesem Skandal um die damals größte Bank des Landes, die Privat Bank. Der ukrainischen Zentralbank zufolge wurden dort bis Ende 2016 fast sechs Milliarden Dollar über zwielichtige Überweisungen und Tarnfirmen ins Ausland verschoben. Mehrheitlich kontrolliert wurde die Privat Bank damals von den Oligarchen Ihor Kolomoiskij und Gennadij Bogoljubow.

Drei Jahre später ist der Skandal noch nicht aufgearbeitet. Oligarch Kolomoiskij bestreitet öffentlich jedes Fehlverhalten - und ist mächtiger denn je: Präsident Wolodimir Selenskij ist sein Protegé; der Oligarch versucht gar, die Privat Bank über das notorisch korrupte ukrainische Gerichtssystem zurückzubekommen. Die verstaatlichte Privat Bank versucht derweil, mit Klagen in England und der Schweiz und den USA verschwundene Milliarden zurückzuholen. Ein englisches Gericht sah bereits "Betrug in epischem Ausmaß".

Eine wichtige Spur in der Affäre führt in ein EU-Mitgliedsland - nach Lettland. Der baltische Staat war lange ein Geldwäscheparadies, vor allem für Kunden aus der ehemaligen Sowjetunion und für einheimische Banken. Das galt auch für die Privat Bank Lettland, eine Tochter der skandalerprobten ukrainischen Privat Bank, selbst in einige Finanzskandale verwickelt und dennoch weiter tätig. Der Umgang mit dem lettischen Institut ist ein Lehrstück dafür, wie schwerfällig die Zusammenarbeit in Europa und wie uneffektiv Mechanismen gegen Geldwäsche in der EU mitunter sind.

Waleria Gontarewa hat versucht, den Milliardenskandal aufzuklären. Sie war von 2014 bis 2017 Direktorin der ukrainischen Zentralbank. In dieser Funktion schloss sie unzureichend kapitalisierte oder an kriminellen Geschäften beteiligte Banken. "Mindestens 20 Banken, darunter die Privat Bank, waren einfach nur Geldwäsche-Maschinen", sagt Gontarewa. "Viele von ihnen handelten über lettische Banken. Lettland war das Epizentrum dieser illegalen Tätigkeit."

Darüber habe sie die lettischen Behörden schon 2014 und 2015 bei mehreren Treffen informiert: den Direktor der Zentralbank und den damaligen Chef der Finanzaufsicht. "Ich habe sie aufgerufen, aktiv gegen Geldwäsche vorzugehen. Aber sie waren sehr unkooperativ", sagt Gontarewa. Die lettische Regierung und die Finanzaufsicht antworteten nicht auf Anfragen, ob und was sie seinerzeit konkret unternommen hätten. Italiens Zentralbank war resoluter: 2016 schloss sie die von der Privat Bank Lettland in Rom gegründete Filiale wegen massiver Geldwäsche.

Zwei Tage, bevor Kiew die ukrainische Privat Bank Ende 2016 verstaatlichte, wies die zu diesem Zeitpunkt noch mehrheitlich den Oligarchen Kolomoiskij und Bogoljubow gehörende Bank die lettische Tochter in Riga an, 450 Millionen Dollar abzuschreiben: Die hatte die Mutter der Privat Bank Lettland als Sicherheit für Kreditbürgschaften geliehen. Kolomoiskij bestreitet jede Kenntnis dieser Anweisung. "Diese Art von Transaktion, und vor allem diese Transaktion, sollte sie sich wie beschrieben ereignet haben, war in der Verantwortung des Bankmanagements, nicht der Aktionäre", erklärt er der SZ.

Die Folge der Anweisung: Die 450 Millionen Dollar wurden dem Zugriff des ukrainischen Staates entzogen. Zuvor nämlich hatte die Privat Bank Lettland neue Aktien ausgegeben und damit den Anteil des ukrainischen Mutterhauses unter die Kontrollmehrheit von 50 Prozent plus einer Aktie gedrückt. Das mittlerweile verstaatlichte Mutterhaus ist zwar seit Ende 2016 mit 46,5 Prozent größter Anteilseigner der lettischen Bank. Doch die Mutter "kontrolliert die Privat Bank Lettland nicht und nimmt auch nicht an ihrem Management teil", erklärt die ukrainische Privat Bank. "Andere Aktienbesitzer" hätten "ihre Position konsolidiert" und verhinderten die Herausgabe von Dokumenten und Informationen. Das ist relevant für die Aufarbeitung des Skandals, denn die Unterlagen könnten helfen, vor Gericht auf Rückgabe der 450 Millionen Dollar zu klagen.

Zu den "anderen Aktienbesitzern" gehören SZ-Recherchen zufolge direkt und indirekt die Oligarchen Kolomoiskij und Bogoljubow, ihre Geschäftspartner, ihre Anwälte und ihre Tarnfirmen. Kolomoiskij bestätigt, er halte an der Privat Bank Lettland als Privatmann einen Anteil von neun Prozent, zudem gehöre ihm auch die Hälfte des weiteren Großaktionärs Unimain Holdings. Einer Meldung an die US-Börsenaufsicht SEC vom September 2007 zufolge stand auch der Großaktionär Wadless Holdings zumindest früher in enger Beziehung zu Kolomoiskij.

Weitere Anteile der Privat Bank Lettland gehören den Geschäftsleuten Mordechai Korf und Uriel Laber und dem Anwalt Andreas Sofocleous. Die Namen tauchen auch in einer Klage im US-Bundesstaat Deleware auf, eingereicht von der ukrainischen Privat Bank. Die will in den USA wenigstens einen Teil des aus der Ukraine verschwundenen Geldes zurückbekommen. Die Klageschrift führt Sofocleous als langjährigen Anwalt der Privat Bank auf, außerdem Korf und Laber als Strohmänner in angeblich von Kolomoiskij und Bogoljubow kontrollierten Firmen. Der Klage zufolge sollen sie an Geldwäsche im Umfang von weit über einer halben Milliarde Dollar beteiligt gewesen sein. Sofocleous und Bogoljubow antworteten nicht auf Anfragen. Korf, Laber und Kolomoisky bestritten über Anwälte jedes Fehlverhalten.

Die ukrainische Notenbank habe Lettlands Zentralbank und Finanzaufsicht Ende 2016 über die Abschreibeanweisung und die aus ihrer Sicht damit illegal verschobenen 450 Millionen Dollar informiert, berichten die ehemalige ukrainische Notenbankerin Gontarewa und die heutige Vizedirektorin des Hauses, Katerina Roschkowa. Anfang 2018 führte auch ein Bericht der Finanzdetektei Kroll im Auftrag der ukrainischen Zentralbank die Verschiebung nach Lettland auf. Doch diese Informationen blieben ohne greifbare Folgen. Die lettische Finanzaufsicht erklärte auf Anfrage, sie könne "keine Informationen über Aufsichtsmaßnahmen zu einzelnen Marktteilnehmer bekanntgeben" und sei auch "nicht in der Position, Natur und Umfang seiner Kommunikation" mit Regulatoren anderer Länder zu veröffentlichen. Kolomoiskij bestreitet, dass Informationen über das Schicksal der 450 Millionen Dollar zurückgehalten würden.

Moldauische Milliarden

Es war eine milde Strafe der lettischen Finanzaufsicht: Zwei Millionen Euro musste die Privat Bank Lettland Ende 2015 in die Staatskasse zahlen. Zwei Millionen Euro klingen - wenn es um Finanzhäuser geht - nach einem Klaps auf die Finger, wenn man beim Griff in die Zuckerdose erwischt wurde. Tatsächlich ging es um gut 2,1 Milliarden Dollar, die bei Geldwäsche über Konten bei der Privat Bank Lettland liefen. Das Geld kam von drei moldauischen Banken. Auf dem Papier hatten sie Kredite an einheimische Firmen vergeben. In Wahrheit jedoch wurden die Milliarden unter Beteiligung von Staatsdienern ins Ausland verschoben. Allein an zwei Tagen im November 2014 wurden 956 Millionen Dollar über Konten bei der Privat Bank Lettland transferiert, heißt es in einem der SZ vorliegenden Bericht der Finanzdetektei Kroll. Der lettischen Aufsicht fiel dies erst auf, nachdem die moldauische Zentralbank sie 2015 über das Betrugsschema informiert hatte. Danach hatte die Finanzaufsicht bei der Privat Bank Lettland im Dezember 2015 die Wahl: Sie verhängt eine Geldstrafe oder entzieht die Banklizenz. Die Aufsicht entschied sich für die maximale Geldstrafe, eben jene zwei Millionen Euro, und entließ den Vorstand. Die Privat Bank Lettland darf weiterarbeiten - bis heute. Florian Hassel

Die Privat Bank Lettland war damit nicht das letzte Mal in den Schlagzeilen. 2017 informierten Ermittler des US-Finanzministeriums und des FBI Lettland darüber, dass drei ihrer Banken jahrelang Geld für Tarnfirmen des nordkoreanischen Regimes gewaschen hätten. Mit dabei: die Privat Bank Lettland. Die lettische Finanzaufsicht beließ es bei einer Geldstrafe. Das Institut musste 35 575 Euro zahlen.

Trotz aller Skandale griffen EU-Institutionen nicht ein. Denn nur große Banken, die für die Stabilität der Euro-Zone wichtig sind, werden von der Europäischen Zentralbank beaufsichtigt, die ihnen auch die Lizenz entziehen kann. Kleinere Banken dagegen werden von den nationalen Behörden überwacht. Die EU-Kommission stellte zuletzt fest, sie habe bei der Verfolgung von Geldwäsche "keine Kompetenzen". Auch trotz der neuen Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU, die bis Mitte Januar von den Staaten umgesetzt werden muss, wird es keine EU-Behörde mit solchen Vollmachten geben.

Auf Lettland stieg indes der Druck, gegen Geldwäsche vorzugehen - zunächst vor allem durch Washington. Ein Jahr nach dem Skandal um die Nordkorea-Gelder informierte das US-Finanzministerium Riga 2018 darüber, dass Lettlands damals drittgrößte Bank ABLV "Geldwäsche als Säule seiner Geschäftspraktiken institutionalisiert" habe. Im gleichen Jahr stellten Anti-Geldwäsche-Experten des Europarats in Lettland großen Einfluss von organisiertem Verbrechen, verbreitete Korruption im gesamten Staatsapparat und mangelnde Transparenz bei im Ausland registrierten Tarnfirmen fest.

Endlich begann die lettische Regierung zu handeln. Sie schloss die Bank ABLV und verbot einheimischen Banken per Gesetz, Bankkonten für Tarnfirmen zu unterhalten. Die seit Januar 2019 amtierende Regierung lobte sich Anfang September, seit 2017 seien 17 600 Tarnfirmen als Kunden lettischer Banken eliminiert worden. Der Anteil ausländischer Einlagen bei lettischen Banken ging von knapp 60 auf gut 21 Prozent aller Einlagen zurück. Zudem seien "32 846 Firmen ohne wirtschaftliche Aktivität" aus dem Firmenregister gelöscht worden, erklärte das Justizministerium. Lettland kämpfe uneingeschränkt gegen Finanzverbrechen und Geldwäsche. "Dies ist die Top-Priorität unser Regierung", teilte Lettlands Staatskanzlei mit.

Doch dem IWF zufolge ist die Herausforderung beim Thema Geldwäsche in Lettland immer noch "sehr bedeutend". Mitte September stellte Lettlands Finanzaufsicht bei einer Bank wieder "ernsthafte Mängel" und "grundlegende und dauerhafte Brüche" bei der Verhinderung von Geldwäsche fest, bei der Identifizierung der wirklichen Eigentümer und der Herkunft fragwürdiger Gelder. Auch seien Entscheidungen zu Gunsten einzelner Aktionäre getroffen worden. Die betroffene Bank: die Privat Bank Lettland. Von Lizenzentzug war keine Rede. Die Bank kam wieder mit einer Geldstrafe davon.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2019
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