Geldwäsche-Bekämpfung:Ermittler durchsuchen Zollbehörde

Ermittler durchsuchen Anti-Geldwäsche-Einheit des Zolls

Die Financial Intelligence Unit ist die Anti-Geldwäsche-Einheit des Bundes. Der Bundesrechnungshof stellte der Behörde 2020 ein schlechtes Zeugnis aus.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)

Es geht dabei um die Financial Intelligence Unit, eine Spezialeinheit zur Geldwäschebekämpfung. Der Verdacht: Strafvereitelung im Amt.

Von Jan Willmroth

Die Generalzolldirektion in Köln ist bei der Verbrechensbekämpfung sehr wichtig. Dort melden vor allem Banken, aber auch Händler und andere Meldeverpflichtete verdächtige Geldströme. Anschließend soll von dort aus jeder Geldwäscheverdacht an die zuständigen Polizeibehörden weitergeleitet werden. Doch das funktioniert eher schlecht: Die Informationen fließen langsamer als das Geld, und oft kommen Ermittler zu spät - wenn sie überhaupt von verdächtigen Überweisungen erfahren. Kritik an der Zentralstelle zur Geldwäschebekämpfung, genannt Financial Intelligence Unit (FIU), gibt es deshalb schon länger, vor allem aus den Reihen der Ermittlungsbehörden der Länder.

Die Probleme sind aber wohl so groß, dass sich die Kölner Zollbeamten selbst verdächtig gemacht haben. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ermittelt gegen mehrere Verantwortliche der FIU wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Am Dienstag rückte sie mit drei Staatsanwälten und zehn Geldwäschespezialisten der Polizei zur Razzia in den Räumen der Zollbehörde an. Nach Erkenntnissen der Ermittler soll die FIU zwischen Mitte 2018 und Anfang 2020 in acht Fällen Geldwäscheverdachtsmeldungen nicht oder nicht rechtzeitig weitergeleitet haben.

Über Konten bei drei deutschen Banken sollen 1,7 Millionen Euro in afrikanische Staaten geflossen sein, was die betroffenen Institute bei der FIU gemeldet hatten. Die Polizei erfuhr davon mitunter aber erst Monate später. Unter anderem ging es um eine Verdachtsmeldung der Sparkasse Osnabrück, weshalb die dortige Staatsanwaltschaft seit Februar in der Sache ermittelt. Die Ermittlungen wurden von Amts wegen eingeleitet, also ohne vorherige Strafanzeige, allein aufgrund einer Polizeistatistik. Die Staatsanwaltschaft bestätigte die Informationen, über die zuerst der Spiegel berichtet hatte. Ein Sprecher der FIU teilte mit, "eine schnelle und gründliche Aufklärung des Sachverhalts" sei jetzt wichtig. "Daran wird sich die FIU aktiv beteiligen."

Mit den Ermittlungen gegen die FIU-Beamten eskaliert ein seit Jahren währender Behördenstreit. Der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die Geldwäschebekämpfung nach einem politischen Machtkampf beim Zoll gebündelt. Zuvor waren die Kriminalämter in Bund und Ländern zuständig. Die Zöllner der FIU sollten die jährlich Zehntausenden Geldwäscheverdachtsmeldungen von Banken, Autohäusern und sonstigen Meldeverpflichteten fortan sammeln und auswerten. Die Landeskriminalämter und die Finanzermittlungsgruppen von Zoll und Polizei sollten nur noch "werthaltige Meldungen" erhalten und verdächtige Zahlungen so effizienter verfolgt werden.

Software fehlte, Stellen blieben unbesetzt

Das hat von Beginn an nicht funktioniert. Zuerst stauten sich Zehntausende Meldungen, während die Behörde kaum arbeitsfähig war. Eine Software stand nicht bereit, Banken mussten ihre Verdachtsmeldungen vorübergehend wieder per Fax einreichen. Planstellen blieben unbesetzt, Aushilfskräfte arbeiteten den Stapel an Meldungen ab. Mit einem neuen risikobasierten Ansatz wollte die Behörde Abhilfe schaffen - woraufhin sich die Landeskriminalämter beschwerten, es kämen kaum noch Meldungen bei ihnen an.

Zuletzt hatten einige Landesbehörden vor möglicher Strafvereitelung im Amt gewarnt. Der Verdacht ist gewagt. Ermittlungen wegen dieses Straftatbestands werden allerdings nur selten geführt und noch seltener publik. Durchsuchungen bei einer Behörde wegen Ermittlungen gegen amtierende Bedienstete gibt es so gut wie nie. Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter und scharfer Kritiker der FIU, fühlt sich bestätigt. "Die Ermittlungen sind folgerichtig", sagt er. "Alle Versuche, die Missstände parlamentarisch aufzuarbeiten, sind durch eine Verschleierungsstrategie der FIU-Verantwortlichen gescheitert." Die FIU hatte immer wieder in Aussicht gestellt, die Mängel im Meldewesen zu beseitigen. Seit Anfang des Jahres verlässt sich der Zoll auf eine Software, die Geldwäschemeldungen automatisch einordnen soll. Alle Meldungen, sowohl bearbeitete als auch ungelesene, fasst die Behörde in einem "Informationspool" zusammen. Rückschlüsse auf den Bearbeitungsstand der Meldungen sind damit nicht mehr einfach möglich. Eine Statistik über Stichproben führe die Behörde nicht, teilte das BMF auf Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Markus Herbrand mit. Per Ende Mai waren demnach mehr als 282 000 Meldungen im System registriert. Die Landespolizeibehörden hatten bemängelt, seit Einführung des neuen Systems gingen Meldungen nur noch in Wellen großer Datenmengen bei ihnen ein. Herbrand erkennt in den Vorgängen um die FIU ein "Versagen" im Kampf gegen Geldwäsche. "Jahrelanges Missmanagement sowohl bei technischer Ausstattung als auch beim nicht ausreichenden Personalschlüssel fordern ihren Tribut", sagt er.

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