Süddeutsche Zeitung

Geldwäsche in Malta:EU-Kommission greift Maltas Bankensektor an

  • Die EU-Kommission will direkt den notorischen Bankensektor des Inselstaats Malta aufräumen. Einen solchen Eingriff hat es in der Geschichte der EU noch nicht gegeben.
  • Ein offizieller Bericht macht der maltesischen Geldwäsche-Aufsicht schwere Vorwürfe.

Von Bastian Brinkmann und Alexander Mühlauer

Irgendwer hat die Waschmaschine aufgestellt. Wie ein kleines Mahnmal stand sie plötzlich auf einem Podest vor der Pilatus Bank in Malta. Hinter der Aktion steckt ein Vorwurf: Die Bank ist tief verstrickt in kriminelle Geschäfte, und die staatliche Aufsicht ließ sie gewähren. Der Waschmaschinen-Protest war peinlich für die maltesische Regierung, jetzt kommt es noch ärger: Die Europäische Kommission will direkt im notorischen Bankensektor des Inselstaats aufräumen. Das hat es in der Geschichte der EU noch nicht gegeben.

EU-Justizkommissarin Věra Jourová hat nun angekündigt, wie die Sache laufen wird: Die Kommission formuliert in einer offiziellen Stellungnahme entsprechende Forderungen an Malta, um Anti-Geldwäsche-Vorschriften der EU durchzusetzen. Die sind für die maltesische Anti-Geldwäsche-Einheit verbindlich. Sollte die Behörde daraufhin nicht tätig werden, könnte die Europäische Bankenaufsicht den maltesischen Geldhäusern direkte Anweisungen erteilen. Die Kommission will ihre Stellungnahme bis Mitte November abgeben. Die Finanzaufsicht in Malta muss dann innerhalb von zehn Tagen antworten.

Glaubt man Maltas Finanzminister Edward Scicluna, kommt die Frist aus Brüssel wie aus heiterem Himmel. Scicluna sagt, dass er davon aus der Zeitung erfahren habe. Jourová nutzte ein Interview mit der Financial Times für ihre öffentliche Ankündigung. Das ist schon ziemlich bemerkenswert, da die beiden beim EU-Finanzminister-Treffen Anfang dieser Woche in Luxemburg miteinander gesprochen hatten. Den Maltesern zufolge hat Jourová kein Wort darüber verloren. Aus der Kommission heißt es wiederum, dass es durchaus klare Signale gegeben habe, dass man etwas gegen Geldwäsche unternehmen wolle. Wie auch immer es wirklich war, die Verstimmung über das Brüsseler Manöver ist in Malta jedenfalls groß.

Die Insel ist bekannt für Briefkastenfirmen und Steuertricks. Reeder fahren gerne unter maltesischer Flagge, viele Glücksspielfirmen haben hier ihren Sitz. Die Hürden für Geschäfte aller Art sind niedrig, in Malta nennen sie das wirtschaftsfreundlich - Kritiker wie das Netzwerk Steuergerechtigkeit nennen Malta eine der wichtigsten Steueroasen in Europa. 150 Milliarden Dollar fließen in einem Jahr auf maltesische Konten, das ist 17 Mal so viel wie das Bruttoinlandsprodukt des Landes. Und viel davon stammt aus dubiosen Quellen. Über die Pilatus Bank hatte offenbar die Herrscherfamilie von Aserbaidschan Geld verwaltet, das geht aus internationalen Recherchen hervor, an denen die SZ beteiligt war.

Auch ein Bericht der Europäischen Bankenaufsicht erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bank und die maltesische Geldwäsche-Aufsicht: "Eine erhebliche Anzahl unter den Kunden ist mit Staaten verbunden, die als hochriskant in Bezug auf Geldwäsche gelten", heißt es dort.

Die Einlagen der Pilatus Bank sind derzeit gesperrt. Die Malteser Bankenaufsicht hatte die Europäische Zentralbank erst im Juni gebeten, der Bank die Lizenz zu entziehen. Dabei gab es schon seit 2015 offizielle Warnungen. Doch die maltesische Behörde habe das Institut "nicht effektiv beaufsichtigt", die Aufsicht leide unter "systematischen Mängeln", heißt es im Bericht der Europäischen Bankenaufsicht. Auch fehlten häufig Dokumente. Die Behörde habe die Bank zwar zwei Mal besucht, um vor Ort die Geschäfte zu kontrollieren - um welche Personen es dabei aber ging, sei nicht ausreichend protokolliert worden, kritisiert der Bericht.

Auf der Grundlage dieses Reports wird die EU-Kommission handeln. Es soll nicht nur um die Pilatus Bank gehen, sondern um den ganzen Sektor. Der ist in Malta groß. Erst am Mittwoch hat der Finanzminister persönlich eine neue Filiale eines Geldhauses eröffnet und seine Regierung verteidigt: "Nachdem wir die Risiken im Finanzsektor und in anderen Branchen überprüft haben, haben wir eine Strategie ausgearbeitet, um Regulierung und Aufsicht in unserem Land zu stärken", sagte Minister Scicluna nach dem Besuch. "Damit stärken wir weiterhin unseren Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung und werden effizienter."

In Malta ist es nicht nur die Geldwäsche-Problematik, die Europas Politiker alarmiert. Die Sorge, dass es dort mit der Rechtsstaatlichkeit nicht weit her ist, hat sich seit dem Mord an Daphne Caruana Galizia eher noch verstärkt. Vor fast einem Jahr wurde die Journalistin mit einer Autobombe aus dem Leben gerissen. Ein berühmter Artikel von ihr beschrieb, was in einem Safe in der Küche der Pilatus Bank liegen soll: Unterlagen, die angeblich belegen, dass der Frau des maltesischen Premierministers eine panamaische Briefkastenfirma gehöre.

"Die Rechtsstaatlichkeit ist in Malta nach wie vor in ernster Gefahr."

Erst vor zwei Wochen war eine Delegation des Europäischen Parlaments auf der Insel, um zu überprüfen, wie es um die Aufklärung des Mordes steht. Der Bericht der Abgeordneten soll in den kommenden beiden Wochen veröffentlicht werden. Doch schon jetzt steht fest, dass es noch immer starke Zweifel daran gibt, ob die Justiz unabhängig arbeiten kann. "Die Rechtsstaatlichkeit ist in Malta nach wie vor in ernster Gefahr", sagt der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold, der in Malta dabei war. So sei etwa zuletzt ein für den Fall Daphne zuständige Untersuchungsrichter abberufen und befördert worden.

Auch im Kampf gegen Geldwäsche sieht Giegold keine große Verbesserung: "Die Selbstheilungskräfte Maltas sind erschöpft." Deshalb sei es gut, dass die EU-Kommission die Zeichen der Zeit erkenne und die maltesische Regierung zwinge, härter gegen Geldwäsche vorzugehen. Im Fokus dürften dabei auch die neuesten Pläne der Regierung sein, ein Hauptumschlagplatz für Kryptowährungen zu werden. Grundsätzlich hat man in Brüssel nichts dagegen - es müsse nur die entsprechende Aufsicht gewährleistet sein.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2018
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