Interview:"Das ist brandgefährlich"

Gerhard Schick DEU Deutschland Germany Berlin 31 05 2014 Portrait von Gerhard Schick Bündnis 90

Gerhard Schick ist Geschäftsführer der Denkfabrik Finanzwende.

(Foto: imago)

Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick zu den Konsequenzen der Geldwäsche hierzulande: "Die Kriminellen setzen sich inzwischen in Deutschland ähnlich fest wie in Kolumbien und Süd-Italien."

Von Markus Zydra, Frankfurt

Gerhard Schick, 49, ist Vorstand der Bürgerbewegung "Finanzwende". Der ehemalige Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen beschreibt im Interview die schweren Mängel bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland.

SZ: In den Programmen der Parteien zur Bundestagswahl nimmt der Kampf gegen Geldwäsche wenig Raum ein. Unterschätzt Deutschland die Gefahr?

Gerhard Schick: In den letzten zwei, drei Jahren ist das Thema präsenter geworden, aber angesichts der großen Gefahr, dass sich die Organisierte Kriminalität in Deutschland festsetzt, geschieht politisch bei der Geldwäschebekämpfung viel zu wenig.

Was werfen Sie der Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) bei der Geldwäschebekämpfung konkret an Versäumnissen vor?

Sie hat europäische und internationale Vorgaben umgesetzt, aber keine deutsche Strategie zur Geldwäschebekämpfung entwickelt. Der Fall Wirecard zeigte ja, dass die Bund-Länder-Kompetenzen bei der Aufsicht neu geordnet werden müssen. Bei den Landesbehörden fehlt qualifiziertes Personal, um Fälle wie Wirecard künftig zu verhindern. Das Instrument des Vermögenseinzugs wird allenfalls punktuell eingesetzt. Deshalb ist Deutschland attraktiv für Geldwäscher, die Kriminellen haben vom Staat nicht viel zu befürchten.

Die aktuellen Berichte des Europäischen Rechnungshofs und des Bundesrechnungshofs belegen, dass der Kampf gegen Geldwäsche immer noch nicht funktioniert.

Das muss ein Weckruf sein. Wenn der Staat seine eigenen Regeln nicht einhält, muss man sich nicht wundern, wenn die Kriminellen jubilieren. Ich verstehe nicht, warum die große Koalition in den letzten acht Jahren so wenig getan hat. Welche Lobby macht sich für Geldwäsche stark? Es ist ja wohl kaum so, dass die mexikanische Mafia bei der Bundesregierung lobbyiert. Es müsste doch ein großes gesellschaftliches Interesse geben, den Kriminellen das Geld abzunehmen.

Aber die Politik tut fast nichts, warum?

Bei vielen Unternehmen und Vermögenden scheint es eine große Angst vor Transparenz zu geben, das sieht man beispielsweise am starken Widerstand gegen die Einführung des Transparenzregisters. Wir müssen endlich verstehen, dass die mangelnde Bereitschaft, gegen Geldwäsche vorzugehen, den kriminellen Strukturen das Handwerk erleichtert. Die Kriminellen setzen sich inzwischen in Deutschland ähnlich fest wie in Kolumbien und Süd-Italien, beginnend in der Wirtschaft. Das ist brandgefährlich.

Muss der Staat alles wissen dürfen, um die Kriminellen effektiv zu bekämpfen?

Man muss differenzieren. Menschen sollen auch weiterhin normale Alltagsbeträge anonym bezahlen können. Wir brauchen aber Kontrollen dort, wo die großen Summen transferiert werden. Da müssen auch die Zentralbanken mehr als bisher tun, über deren Target2-System ja alle Überweisungen laufen.

In Deutschland darf man Immobilien immer noch bar bezahlen. Was sagt es über Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) aus, dass er dagegen nichts unternommen hat?

Das ist mir völlig unverständlich. Wenn jemand mit einem Koffer voller Bargeld eine Immobilie kauft, dann kann dieser Vorgang eigentlich nichts anderes als einen kriminellen Hintergrund haben. Um das zu unterbinden, muss man ja nicht das Bargeld abschaffen. Aber Höchstgrenzen sind sinnvoll, Immobiliengeschäfte sollten immer über Anderkonten von Notaren abgewickelt werden müssen.

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