Süddeutsche Zeitung

Geldwäsche:Der Kampf ums Geld 

Unter dem Oligarchen Kolomoiskij verschwand viel Geld aus der größten Bank der Ukraine. Die Justiz des Landes scheut den Fall.

Von Florian Hassel, Kiew

Seit die Privat Bank verstaatlicht wurde, schreibt sie steigende Gewinne. Allein bis Ende August verdiente sie dieses Jahr umgerechnet eine Milliarde Dollar, so Bankchef Petr Krumphanzl. Das Geld fließt in den Staatshaushalt der Ukraine. Krumphanzl verweist stolz auf gestiegene Kundenzahlen, modernes Online-Banking und darauf, dass Kunden in einigen Geschäften schon per Gesichtserkennung bezahlen können. Doch ein gewaltiges Problem bleibt: Milliarden sollen verschwunden sein, als die Privat Bank noch den Oligarchen Ihor Kolomoiskij und Gennadij Bogoljubow gehörte. Seit drei Jahren versuchen die Zentralbank NBU und die Privat Bank, das Geld zurückzubekommen. "Allein in der Ukraine laufen mehr als 400 Gerichtsverfahren, vor allem gegen die früheren Eigentümer und mit ihnen verbundene Firmen", sagt Krumphanzl. Die Erfolge sind gering. Viele Firmen seien Tarnfirmen ohne echtes Geschäft. Und: "Die Gerichte der Ukraine sind unreformiert und korrupt", sagt Ex-Finanzminister Olexander Daniljuk. "Für Kolomoiskij reicht es, sich hier mit jemandem zu einigen." Privat Bank und NBU führen ihren juristischen Feldzug auch im Ausland. Denn am mutmaßlichen Betrug waren Dutzende im Ausland registrierte Firmen des Oligarchen und seiner Geschäftspartner beteiligt. In Genf, bis 2018 Kolomoiskijs Wohnsitz, hat die NBU ihn auf umgerechnet 238 Millionen Euro verklagt. Der Oligarch bestreitet die Schweizer Zuständigkeit, doch laut SZ-Informationen will ein Genfer Richter die Klage verhandeln. Die Privat Bank hat Kolomoiskij, seinen Geschäftspartner Bogoljubow und US-Partner auch im US-Bundesstaat Delaware verklagt. Die Klageschrift wirft ihnen vor, "Hunderte Millionen Dollar der entwendeten Kreditgelder" verwendet zu haben, um in den USA Immobilien und Fabriken zu kaufen. 622,8 Millionen Dollar seien allein hier gewaschen worden. Einer Gerichtssprecherin zufolge steht der Verhandlungsbeginn noch nicht fest.

Ein Londoner Gericht stellte fest, die Beweise sprächen für "Geldwäsche im großen Maßstab"

Um den höchsten Einsatz geht es in London: Dort fror der Londoner High Court of Justice schon Ende 2017 weltweiten Besitz von Kolomoiskij, Bogoljubow und ihren Firmen im Wert von 2,6 Milliarden Dollar ein. Kolomoiskij beteuerte, bei der Privat Bank sei alles rechtens zugegangen. "Es gab keinen Betrug, und der Bank entstand kein Verlust", erklärte er über die ihn vertretende Kanzlei Fieldfisher. Bogoljubow ließ eine Anfrage über seine Anwälte unbeantwortet. Der High Court stellte am 15. Oktober fest, die Beweise sprächen dafür, dass es "weitreichenden Betrug" und "Geldwäsche im großen Maßstab" gegeben habe sowie den "Versuch, vor jedem Buchprüfer oder Regulator die Existenz fauler Kredite in den Büchern der Bank zu verschleiern". Und: Kolomoiskij und Bogoljubow hätten vor Gericht "zugegeben, dass es gegen sie einen plausiblen Fall von Betrug in epischem Ausmaß" gebe. Die beiden bestritten auch hier, dass die englische Justiz zuständig sei. Doch der High Court entschied kürzlich gegen sie. Das Londoner Gericht wird nun gegen sie verhandeln, ein Urteil dürfte prozessnahen Juristen zufolge nicht vor 2022 fallen.

In der Ukraine dagegen fehlt jede Aufarbeitung des Skandals, zumal Kolomoiskijs Protegé Wolodimir Selenskij zum Präsidenten gewählt wurde. Stattdessen gerieten die Privat Bank und die NBU unter Druck. Zwei für anrüchige Entscheidungen bekannte Kiewer Gerichte erklärten die Verstaatlichung der Privat Bank für illegal und der NBU gegebene Bürgschaften Kolomoiskijs über umgerechnet gut 320 Millionen Dollar für ungültig. Die Entscheidungen werden angefochten. Seit April werden Manager der Privat Bank "regelmäßig von der Polizei, dem Anti-Korruptionsbüro Nabu, dem Geheimdienst SBU und der Staatsanwaltschaft zu Verhören vorgeladen - obwohl sie nie etwas gefunden haben", sagt Bankchef Krumphanzl. Er habe zum ersten Mal in seinem Leben Leibwächter, wie auch mehrere andere Vorstandsmitglieder. "Obwohl ich bereits in vielen anspruchsvollen Positionen war und mir verschiedene mächtige Gegenspieler gegenüberstanden, ist die Situation bei der Privat Bank außergewöhnlich", sagt er. Wie am 11. September, einen Tag nach einem Treffen Kolomoiskijs mit Präsident Selenskij, dessen Stabschef und dem Ministerpräsidenten. "Drei Polizeieinheiten, maskiert und bewaffnet mit Maschinenpistolen, kamen in unsere Bankzentrale in Dnjepro", sagt Krumphanzl. Sie hätten alle juristischen Unterlagen für die vergangenen Jahre verlangt. "Der einzige mögliche Sinn ist der Missbrauch dieser Unterlagen durch unsere Gegner in unseren Verfahren gegen Kolomoiskij und seine Geschäftspartner oder Firmen in London oder Delaware."

Westliche Regierungen und Geldgeber der Ukraine sorgen sich zunehmend wegen Kolomoiskijs Einfluss auf die Selenskij-Regierung und der Vorgänge um die Privat Bank. Die Sorgen nahmen zu, nachdem Präsident Selenskij sagte, man sei im Fall der Privat Bank zum Gespräch mit Kolomoiskij bereit. Ministerpräsident Alexej Gontscharuk sprach sogar von "gemeinsamen Lösungen" und einem "Kompromiss". Der IWF unterbrach daraufhin Anfang Oktober Gespräche über einen neuen Milliardenkredit an die Ukraine. Zwar erklärte Selenskijs Stabschef schließlich den Botschaftern der G-7-Staaten, die Rückgabe der Privat Bank an ihre früheren Eigentümer sei ausgeschlossen. Doch von einem Vorgehen gegen Oligarch Kolomoiskij ist weiter keine Rede. Im Parlament etwa, in dem schon beim Auffliegen des Privat-Bank-Skandals etliche Kolomoiskij nahestehende Abgeordnete saßen, "war die Mehrheit nie bereit, einen Untersuchungsausschuss zum Privat-Bank-Skandal einzusetzen", sagte der langjährige Parlamentarier Serhij Leschtschenko. Das neue, Ende Juli gewählte Parlament, wird zwar von Selenskijs Partei "Diener des Volkes" mit absoluter Mehrheit kontrolliert. Doch manche "Diener" sind nicht nur Abgeordnete, sondern arbeiten noch heute für Kolomoiskij; insgesamt solen ihm rund 20 Abgeordnete nahestehen.

Drei Jahre nach Auffliegen des größten Wirtschaftsskandals der unabhängigen Ukraine haben weder die Generalstaatsanwaltschaft noch die Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft Anklage erhoben gegen Kolomoiskij, Geschäftspartner Bogoljubow oder etliche am mutmaßlichen Betrug beteiligte Ex-Bankmanager. Die Generalstaatsanwaltschaft und das Anti-Korruptions-Büro Nabu antworteten nicht auf SZ-Anfragen.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2019
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