Geldpolitik:Wenig bis nichts

Viele Experten gehen davon aus, dass die Zinsen für Sparanlagen noch lange nicht steigen werden. Warum eine Normalisierung der Geldpolitik nicht in Sicht ist.

Von Markus Zydra

Es ist jetzt eine Dekade vergangen, seit die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins zum ersten Mal bei ein Prozent fixiert hat. Das macht deutlich, wie lange sich Anleger nun schon mit der Niedrigzinsphase abfinden müssen. Für Sparer war in den vergangenen Jahren wenig bis nichts zu holen. An den Aktienmärkten gab es hingegen satte Renditen, doch viele Deutsche trauen sich an diese Wertpapiere nicht heran. Einige können es sich auch schlicht nicht leisten, weil ihr Einkommen gerade so zum Leben reicht. Diese Menschen parken etwaige Überschüsse vornehmlich auf dem Giro- oder Festgeldkonto - trotz der schlechten Konditionen.

Die hiesigen Banken bieten aktuell für eine Festgeldanlage über zehn Jahre im Durchschnitt gerade mal ein Prozent Rendite, berichtet die FMH-Finanzberatung. Das ist ein Minusgeschäft, denn die Inflationsrate in Deutschland lag im Dezember bei 1,7 Prozent. Über fünf Jahre beträgt der durchschnittliche Zinssatz auf Sparkonten 0,6 Prozent, auf zwei Jahre sind es 0,3 Prozent, Tagesgeld rentiert mit 0,1 Prozent. Ob das auch mal wieder mehr wird?

EZB-Präsident Mario Draghi legt sich nicht fest. Zwar ist das Bruttoinlandsprodukt der Euro-Zone im vergangenen Jahr gewachsen. Doch der Schwung nimmt ab. Die Konjunkturaussichten für Europa werden zunehmend schlechter, Italien steht vor einer Rezession, und auch in Deutschland geht das Wachstum zurück. Draghi sagte, dass der Leitzins noch mindestens "über den Sommer 2019 hinweg" unverändert bleibe. Vielleicht aber auch länger. Im Wirtschaftsabschwung möchte die EZB den Leitzins möglicherweise noch länger bei null Prozent halten, um der Wirtschaft weiter Impulse zu geben.

Die Zinswende könnte damit noch lange auf sich warten lassen. Kaum jemand geht davon aus, dass der Leitzins in naher Zukunft wieder ein "normales Niveau" von drei oder vier erreichen könnte. Selbst wenn die EZB im Herbst 2019 den Leitzins von null auf 0,25 und 0,5 Prozent erhöhen sollte, käme es nicht sofort und automatisch zu einer Erhöhung der Sparzinsen. So einfach läuft das nicht, denn die Banken leiden unter dem Strafzins, den ihnen die EZB seit Jahren aufbürdet. Die Kreditinstitute im Euro-Raum müssen auf Einlagen bei der EZB 0,4 Prozent bezahlen. Da bleibt kaum Raum für Zinsen an Sparer.

Das billige Geld führt zu steigenden Immobilienpreisen

Erst wenn die EZB den Strafzins auf Einlagen abschaffen würde, könnte sich der Wind drehen. Auf der anderen Seite sind die Immobilienfinanzierungen in Deutschland weiter sehr günstig. Die Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von zehn Jahren kosten im Durchschnitt 1,35 Prozent, so die FMH-Finanzberatung. Unterdessen hat die EZB einen ersten Schritt getan, ihre lockere Geldpolitik ein wenig zu straffen. Die Währungshüter beschlossen auf ihrer Sitzung im Dezember, den Ankauf neuer Anleihen zum Jahresende einzustellen, nachdem die Notenbank seit 2015 insgesamt 2,6 Billionen Euro ins Finanzsystem gepumpt hatte.

Die Entscheidung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EZB mit der Geldversorgung auch weiter großzügig umgehen wird. Die Notenbank möchte bis auf Weiteres auslaufende Anleihen ersetzen. Wenn eine Bundesanleihe nach Ende der Laufzeit zurückbezahlt wird, steckt die Zentralbank das eingenommene Geld in einen neuen Schuldschein. Somit bleibt die EZB auch in den kommenden Jahren der wichtigste Akteur am Anleihenmarkt. Die anhaltende Nachfrage durch die Währungshüter hält die langfristigen Zinsen niedrig, was gut für Investitionen, doch schlecht für die Sparer ist. So umstritten die lockere Geldpolitik auch sein mag, sie hat dazu beigetragen, dass Europas Wirtschaft aus der Krise kam. Doch nun warnt Draghi vor Protektionismus, der heiklen Lage in den Schwellenländern und zunehmender Unruhe an den Finanzmärkten. An den Börsen sind die Aktienkurse zuletzt gesunken - trotz der Nullzinspolitik durch die Notenbank, die Anleger förmlich dazu zwang, in Aktien zu investieren.

Das billige Geld entfaltet gefährliche Nebenwirkungen. Die billigen Kredite haben dazu geführt, dass die Immobilienpreise in Deutschland massiv gestiegen sind. In den Ballungszentren sind Mieten und Grundstückspreise für Normalverdiener unerschwinglich geworden. Die Notenbank steckt in der Bredouille: Was könnte die EZB überhaupt noch machen, wenn Europa schneller als erwartet in eine neue Wirtschaftskrise rutscht und der Leitzins dann immer noch bei null Prozent liegt? Im Ernstfall könnte und müsste die EZB dann wohl das Anleihekaufprogramm reaktivieren. Die Zinswende wäre dann endgültig vom Tisch.

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