Geldpolitik:Weidmann wird zum Oppositionsführer der EZB

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann möchte nicht, dass die EZB eine eigene Klimapolitik betreibt.

Bundesbank-Chef Jens Weidmann.

(Foto: Heinz-Peter Bader/Reuters)
  • Bundesbank-Chef Jens Weidmann könnte zu einer Art Oppositionsführer im Direktorium der Europäischen Zentralbank werden.
  • Sogar einstige Gegner schwenken mittlerweile auf seinen Kurs um - und Lagarde wird sie künftig in ihre Beschlüsse einbinden müssen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Jens Weidmann kann humorvoll sein, klar, der Schalk blitzt gelegentlich aus seinen Augen. Aber fährt er gerne Achterbahn? Man kommt auf den Gedanken, dass es wohl so sein muss, wenn man sich die Berg-und-Tal-Fahrt ansieht, die der Präsident der Bundesbank in den vergangenen zwölf Monaten hingelegt und unbeschädigt überstanden hat. Weidmann hatte sich berechtigte Hoffnung darauf gemacht, neuer Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) zu werden. Sie stieg und fiel und stieg, bis zur Enttäuschung: Die Französin Christine Lagarde bekam den Job. Ihr Erfolg war seine Niederlage. Inzwischen ist Weidmann wieder raus aus dem Tal - und zwar so gestärkt, wie es wohl kaum jemand erwartet hat.

Wenn Weidmann auf der an diesem Donnerstag in Washington beginnenden Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds der designierten EZB-Chefin Lagarde begegnet, dann als ebenbürtiger Sparringspartner. In der großen Welt der mächtigen Finanzpolitiker und Notenbanker gibt es einige, die bereits davon sprechen, dass die Zentralbank der Euro-Zone jetzt so etwas wie eine Doppelspitze bekäme. Christine Lagarde, 63, als Präsidentin, gewiss. Jens Weidmann, 51, aber als Korrektiv an ihrer Seite.

Die neue Stärke hat paradoxerweise direkt mit den Niederlagen zu tun, die der Deutsche in den vergangenen acht Jahren unter dem italienischen EZB-Chef Mario Draghi hat einstecken müssen. Ein ums andere Mal hatte sich Weidmann gegen Draghis Politik des lockeren Geldes ausgesprochen, ohne dass er etwas ausrichten konnte. Die Kritik brachte ihm Ärger ein - und kostete ihn letztlich das Amt, das er gerne gehabt hätte. Im Süden Europas hatte der Deutsche kaum Fürsprecher. Nun aber, da Draghis planmäßiges Ausscheiden nur noch eine Frage von Tagen ist und Lagarde bereits signalisiert hat, da weiterzumachen, wo der Italiener aufgehört hat, versammeln sich immer mehr offene Unterstützer hinter dem ewigen Oppositionellen. "Weidmann repräsentiert als Notenbankpräsident der größten Volkswirtschaft Europas das Dickschiff im Konvoi der Kritiker", sagt der frühere Finanzminister Peer Steinbrück.

Schon 2011, gerade im Amt, opponierte Weidmann gegen die Senkung der Leitzinsen, später warnte er vor Anleihekäufen und sagte als sachverständiger Experte vor dem Bundesverfassungsgericht aus, als dort Klagen gegen die Geldpolitik Draghis verhandelt wurden. Damals wurde Weidmann als einsamer Kritiker wahrgenommen, als früherer Wirtschaftsberater Angela Merkels, der nationale Interessen weiter über europäische stelle.

Dass er die geldpolitische Opposition anführt, liegt auch daran, dass er sich erstaunlich wandlungsfähig zeigt. Der stabilitätsorientierte Bundesbanker, einst eng mit Wolfgang Schäuble (CDU) verbunden, lobt nun die Finanzpolitik von SPD-Vizekanzler Olaf Scholz. Er reist durch den Süden der Euro-Zone, sucht geschmeidig und diplomatisch Kontakte und Konsens.

Die Konsequenzen der Zinsentscheidungen kommen deutlich im Leben vieler Bürger an

Weidmanns Wandlung fällt umso mehr auf, weil Draghi ganz bei seinen Überzeugungen geblieben ist. Und damit überzogen hat. Die Konsequenzen aus dem zuletzt nochmals gesenkten Leitzins sind so deutlich im Leben vieler Bürger zu spüren, dass sogar einstige Befürworter finden, so dürfe es nicht weitergehen. Ex-Zentralbanker aus Deutschland, Frankreich, Österreich und den Niederlanden haben in einem offenen Brief gegen die bisherige Geldpolitik der EZB opponiert. Sogar im Baltikum regt sich Kritik. Unter den Finanzministern der Euro-Zone wachsen die Sorgen. Einige stehen jetzt dort, wo Weidmann schon lange steht.

Es hat sich vor dem Amtsantritt der neuen Chefin eine Opposition formiert, die Lagarde in ihre Beschlüsse wird einbinden müssen. Weidmann kann nun entspannt versuchen, die Geldpolitik mitzusteuern; mit Humor und ohne Achterbahn. Draghi und Lagarde werden das wissen, wenn sie sich jetzt in Washington die Hände schütteln.

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