Geldmangel:Streit um Schwein und Schein

Ferkel

Ferkel in einer Schweinezuchtanlage in Mecklenburg-Vorpommern. Die Kastration der Tiere ohne Betäubung ist umstritten.

(Foto: Jens Büttner/dpa)
  • Verunsichert von immer neuen Verbraucherprotesten rief die Wirtschaft die so genannte Tierwohl-Initiative ins Leben.
  • Es beteiligten sich alle wichtigen Akteure, vom Deutschen Bauernverband über Fleischindustrie bis zu den Handelsketten.
  • Doch von Anfang an gab es heftige Auseinandersetzungen. Aus Kreisen der Teilnehmer verlautete deshalb schon kurz nach dem Start, dass der eigentlich langfristig angelegten Initiative ein schnelles Ende drohe, sollte man sich nicht auf eine Reform einigen.

Von Markus Balser, Berlin

Vollgepferchte Ställe, geschredderte Küken, Ferkel, die ohne Betäubung kastriert werden: Praktiken in der Massentierhaltung haben das Vertrauen der Verbraucher in der Landwirtschaft und Lebensmittelbranche erschüttert. Verunsichert von immer neuen Verbraucherprotesten wollte die Wirtschaft Anfang des vergangenen Jahres ein Zeichen setzen und rief die so genannte Tierwohl-Initiative ins Leben, die die Bedingungen für die Tiere im Stall deutlich verbessern sollte. Es beteiligten sich alle wichtigen Akteure, vom Deutschen Bauernverband über Fleischindustrie bis zu den Handelsketten. Edeka, Rewe und Aldi sind dabei, auch Kaiser's Tengelmann, Lidl, Netto und Penny - Hand in Hand, wie es damals hieß.

Doch von Anfang an gab es heftige Auseinandersetzungen über die gemeinsame Strategie und die Kosten. Aus Kreisen der Teilnehmer verlautete deshalb schon kurz nach dem Start, dass der eigentlich langfristig angelegten Initiative ein schnelles Ende drohe, wenn die erste Vertragsphase 2017 ausläuft, sollte man sich nicht auf eine Reform einigen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung forcieren Mitglieder der Initiative einen Umbau - allen voran der Deutsche Bauernverband.

Es wird immer schwieriger Bauern zu finden, die sich beteiligen wollen

In einem vierseitigen "Vorschlag zur Weiterentwicklung der Initiative", listet der Verband häufig kritisierte Probleme auf, darunter "nicht ausreichende Finanzmittel", "ein zu niedriges Niveau der bisherigen Tierwohlkriterien durch zu große freie Wählbarkeit" und ein zu unkonkretes System für den Verbraucher. Der Bauernverband mahnt deshalb nachdrücklich schnelle Reformen an und warnt beim Scheitern vor ernsten Konsequenzen: "Je länger eine Lösung auf sich warten lässt, umso stärker sinkt auf landwirtschaftlicher Seite das Vertrauen". Folge: Es werde immer schwieriger Betriebe zu finden, die teilnehmen wollen.

Im Ringen um eine Zukunft der Initiative schlägt der Verband in der Schweinehaltung generell strengere Kriterien, etwa mindestens zehn Prozent mehr Platz im Stall, vor. Teilnehmende Unternehmen sollten zudem die Möglichkeit bekommen, bei besonders strengen Regeln, zum Beispiel 40 Prozent mehr Platz pro Tier in der Haltung, ein Label zu vergeben, das für Kunden im Supermarkt an den Produkten selbst sichtbar sei. Nur so könne die Bereitschaft getestet werden, Kosten für eine bessere Tierhaltung zu übernehmen. Damit kämen die Kriterien an die Vorgaben des deutschen Tierschutzbundes heran. Zudem sei eine "zeitnahe Lösung für mehr Finanzmittel wichtig". Nur so könne man dem Projekt eine "langfristige Perspektive" geben.

Supermarktketten lehnen höhere Beträge ab

Das Prinzip der Initiative: Der Handel zahlt aus dem Umsatz ein paar Cent je Kilo Fleisch in einen Fonds, der diese an solche Bauern weiterreicht, die in tierfreundlichere Haltung investiert haben. Das Problem bisher: Mehr als die Hälfte der Tierhalter, die mit Investitionen in Vorleistung gegangen sind, steht mit leeren Händen da. Die Mittel reichen schlicht nicht aus, um allen Landwirten Prämien auszuzahlen.

Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied forderte deshalb schon im Januar deutlich höhere Einzahlungen der Supermarktketten in die gemeinsame Branchen-Initiative. Die lehnen höhere Beiträge bislang jedoch ab. Da die Produkte aus dem Programm nicht gekennzeichnet sind, ist zudem für Kunden gar nicht ersichtlich, welches Fleisch aus der Initiative stammt. Auf einer Sitzung an diesem Freitag in Köln wollen Handel, Landwirte und Fleischindustrie nun über Reformen beraten. Im Gespräch sei etwa eine Anpassung der Kriterien, bestätigte eine Sprecherin der Initiative am Donnerstag. Ein Aus der Initiative drohe wegen der Differenzen aber nicht. Ihr Fortbestand sei auch über das Ende der vertraglich gesicherten Phase Ende 2017 beschlossen. Der Bauernverband wollte sich unter Verweis auf die laufenden Verhandlungen zunächst nicht zu den Reformplänen äußern.

Verbraucherschützer hatten zuletzt für eine ganz andere Lösung plädiert: ein verbindliches nationales Tierschutzlabel. Doch eine gesetzliche Kennzeichnung will Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) nicht. Aus seinem Ministerium hieß es aber am Donnerstag, man prüfe, wie der Wunsch der Verbraucher nach einer Kennzeichnung erfüllt werden könne.

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