Geldinstitute:Jeder zehnte Job bei der Deutschen Bank fällt weg

Deutsche Bank in Frankfurt

Zwillingstürme in Frankfurt: Die drastischen Einschnitte sollen die Kosten des Frankfurter Gelhauses deutlich senken.

(Foto: Arne Dedert/picture alliance/dpa)
  • Unklar ist noch, ob die nun genannten 10 000 Stellen teilweise in den bisherigen Plänen für Stellenstreichungen schon enthalten sind.
  • Der Stellenabbau soll sofort umgesetzt werden und betrifft vor allem das Investmentbanking - sowohl in den USA, als auch in Europa.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Wenn Paul Achleitner an diesem Donnerstag auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank spricht, wird er den Aktionären wieder wortreich darlegen, wie gut die Sache läuft. Dass das Geldhaus eine Perspektive habe, der Wendepunkt erreicht und mit Christian Sewing der richtige Anführer gefunden sei.

Der seit März amtierende Vorstandschef wiederum wird erklären, wie er schaffen will, was dem geschassten Vorgänger John Cryan nicht gelungen ist: Die Bank zu stabilisieren. Er wird wohl erklären, dass er noch einmal 10 000 Stellen, also mehr als jeden zehnten Arbeitsplatz, streichen muss. Und dass er das Investmentbanking, etwa den weltweiten Aktienhandel, verkleinern und sich wieder stärker auf den Heimatmarkt besinnen will.

Finanzkreise bestätigten am Mittwoch einen entsprechenden Bericht des Wall Street Journal. Der Stellenabbau werde sofort umgesetzt und betreffe vor allem das Investmentbanking, sowohl in den USA als auch in Europa. Zeitgleich beriet darüber am Nachmittag der Aufsichtsrat. Offiziell wollte sich die Bank nicht äußern.

Das Geldhaus hat im Investmentbanking Marktanteile verloren, insbesondere an die US-Wettbewerber. Zudem sind die Kosten im Branchenvergleich sehr hoch. Hinzu kommt die Integration der Postbank in die Deutsche Bank. Auch dabei könnten Tausende Stellen wegfallen. Sewings Vorgänger Cryan hatte bereits häufiger darauf hingewiesen, dass das Geldhaus im Vergleich zu anderen großen Banken viel zu viele Mitarbeiter beschäftige. Die meisten großen Wettbewerber hätten eher halb so viele Angestellte.

Wer ist schuld an der Krise der Deutschen Bank?

Es war daher abzusehen, dass es nicht ausreichen würde, bis 2020 nur rund 9000 Stellen abzubauen, wie es Cryan avisiert hat. Unklar ist nun aber, ob die 10 000 Stellen wirklich hinzugerechnet oder teilweise in den alten Plänen enthalten sind. Die Frage ist auch: Kann es sich die Bank überhaupt leisten, so viele Stellen abzubauen? Schließlich muss das Institut Abfindungen bezahlen. Finanzchef James von Moltke hatte gerade erst betont, er erwartet im nächsten Jahr keine höheren Restrukturierungskosten. Für dieses Jahr hat die Bank dafür 800 Millionen Euro zur Seite gelegt.

Fragen dieser Art werden Achleitner und Sewing beantworten müssen, wenn sie sich am Donnerstag in der Frankfurter Messehalle den Aktionären stellen. Sollte die Kritik dabei gar zu laut werden, wird Achleitner, der seit 2012 dem Aufsichtsrat vorsitzt, womöglich auch wieder Schuldige benennen. Einige einflussreiche Aktionäre hatten jüngst gefordert, der Aufsichtsrat solle einen Nachfolger für Achleitner suchen, dessen Amtszeit noch bis 2022 läuft.

Der Österreicher wird daher wohl wieder auf die Märkte verweisen, die nicht rund gelaufen sind, auf die Medien, die unbotmäßig waren oder aber die Vorgänger, die dem jetzigen Management ein quasi zerrüttetes Geldhaus hinterlassen haben. Im Hinterkopf wird er dabei Josef Ackermann haben. Zwar ist der Schweizer schon seit sechs Jahren raus aus der Bank, er ist daher für vieles, aber nicht für alles verantwortlich. Dennoch mutiert Ackermann immer mehr zum Sündenbock - wenngleich zu einem, der selbst gern austeilt.

Die gegenseitigen Schuldzuweisungen jedenfalls - zumeist Achleitner gegen Ackermann oder Ackermann gegen Achleitner - nahmen zuletzt groteske Formen an. In dieser Woche sprang sogar David Folkerts-Landau, der langjährige Chefvolkswirt der Bank, für Achleitner in die Bresche. Die früheren Vorstandschefs hätten eine unkontrollierte Expansion im Kapitalmarktgeschäft eingeleitet, unter deren Folgen die Bank bis heute leide.

Gescheiterte Wachstumsstrategie

Freilich nur bis 2012, als Achleitner den Aufsichtsratsvorsitz sowie Anshu Jain und Jürgen Fitschen zusammen den Vorstandsvorsitz übernahmen. Die Führung der Bank hätte aber schon früher bremsen müssen. Doch unter Ackermann habe das Wachstum der Investmentbank Priorität gehabt. "Es war ein Erfolg, der zulasten der Zukunft ging. Im Rückblick sei klar geworden, dass die Strategie des "Wachstums über alles" scheitern musste, sagt Folkerts-Landau.

Kein Wunder, dass die Reaktion von Ackermann nur wenige Stunden auf sich warten ließ. Der Neuen Zürcher Zeitung sagte er am Mittwoch, bei dem Interview von Folkerts-Landau handele es sich um "einen ebenso durchsichtigen wie untauglichen Versuch, von eigenen Fehlern abzulenken".

Tatsache sei, dass direkte Wettbewerber im Investmentbanking, mit denen die Deutsche Bank einmal auf Augenhöhe gewesen sei, heute viel besser dastünden. "Als ich die Bank vor sechs Jahren übergeben habe, erzielte sie stattliche Gewinne", wird Ackermann zitiert. Allein außerhalb des Investmentbankings habe das größte deutsche Geldhaus einen Gewinn vor Steuern von vier Milliarden Euro erreicht.

Den Aktionären bei der Hauptversammlung werden die Schuldzuweisungen wenig helfen. Seit drei Jahren schreibt die Bank Verluste; im Kapitalmarktgeschäft hat die Konkurrenz sie abgehängt und im heimischen Privatkundengeschäft machen ihr Sparkassen, Volksbanken und Direktbanken das Leben schwer. Die Aktie notiert nur noch bei knapp über zehn Euro - das ist wenig mehr als zur Zeit ihrer tiefen Krise im Herbst 2016.

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