Geldinstitute:Berlin träumt von einer "starken deutschen Bank"

Lesezeit: 4 min

Die Bundesregierung wünscht sich eine starke Finanzbranche, die auch international eine bedeutende Rolle spielt. (Foto: REUTERS)
  • Seit Jahren ranken sich Spekulationen um eine mögliche Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank.
  • Mittlerweile scheint auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz auf einen solchen Zusammenschluss zu drängen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Noch vor Jahresfrist konnte sich wohl kaum jemand in der Finanzbranche vorstellen, dass die Aktie der Deutschen Bank auf unter sieben Euro fallen würde. Zu Hochzeiten war sie gut 100 Euro wert gewesen. Tatsächlich aber hat sich der Kurs in den vergangenen zwölf Monaten sogar fast halbiert - ein klares Zeichen, dass Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing die Wende nicht gelingen will. Auch die Commerzbank steht nicht viel besser da. Wenn nun auch noch die Konjunktur erlahmt, droht der perfekte Sturm.

Was läge da näher als die Institute zu fusionieren, damit sie gemeinsam erstarken? Darauf scheinen nicht nur viele Fusionsberater, sondern auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu drängen. Er wünsche sich eine "starke deutsche Bank", sagt er immer wieder. Dabei treibt ihn wohl nicht nur die Frage um, wie sich der Bund von seinem Anteil an der Commerzbank trennen kann, sondern noch viel mehr die Sorge, die Banken könnten in eine Abwärtsspirale geraten. Doch ist eine Fusion die Lösung? Sechs Gründe, die dagegen sprechen:

Stark ist relativ

Wer denkt, Deutsche Bank und Commerzbank würden durch einen Zusammenschluss im internationalen Vergleich besonders gestärkt, liegt wahrscheinlich verkehrt. Auch gemeinsam wären sie an der Börse gerade einmal 24 Milliarden Euro wert. Damit stünden sie auf den Ranglisten der weltweit größten Geldhäuser bestenfalls zwischen dem 40. und 50. Platz. Auch in Europa hätten sie alles andere als einen Spitzenplatz. Vor einer feindlichen Übernahme wäre die fusionierte Bank also nicht geschützt. Hinzu kommt: Die Deutsche Bank hat vor allem in den USA, in Asien und dort im Investmentbanking zu kämpfen. Eine Fusion mit der deutlich kleineren Commerzbank würde ihre Stellung dort nicht verbessern. Und: Große Unternehmen beim Export begleiten, ist auch so noch möglich. Zwar gewönnen beide Banken mehr Macht im Heimatmarkt, aber ob sie dadurch höhere Preise für Girokonten oder Kredite durchsetzen könnten, ist völlig ungewiss. Zur Freude der Kunden und dank Sparkassen, Volksbanken und Finanz-Start-ups herrscht auf dem deutschen Bankenmarkt sicher auch weiter reger Wettbewerb.

Zwei Kranke

In Frankfurt kursieren inzwischen zahlreiche lustige Vergleiche mit Blick auf die beiden Großbanken: Mal ist die Rede von zwei Kranken, die zusammen keinen Gesunden machen, mal von zwei Postkutschen, die hintereinander gespannt keinen Flitzer ergeben oder auch von zwei Truthähnen, die gemeinsam nicht zum Adler werden. Will heißen: Bevor man auch nur an eine Fusion denkt, sollten die Institute nach Meinung vieler Experten erst einmal ihre eigenen Probleme lösen - die Commerzbank muss ihren Stellenabbau abschließen und ihre Abläufe digitalisieren, und die Deutsche Bank die Tochter Postbank integrieren. Nicht umsonst spricht Sewing stets davon, die nächsten zwölf bis 18 Monate sei an eine Fusion nicht zu denken. Und auch im Umfeld von Commerzbank-Chef Martin Zielke wird vor der Komplexität der Aufgabe gewarnt. Schließlich hat die Commerzbank bereits zehn Jahre gebraucht, die auf politischen Druck hin übernommene Dresdner Bank zu integrieren. Rein theoretisch ließen sich durch eine Fusion zwar hohe Kosten einsparen, was mit dem Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen vor allem in den Filialen einherginge. Aber selbst wenn man dies in Zeiten von Vollbeschäftigung für verkraftbar hielte: In der Realität sind solche Einsparungen oft längst nicht so leicht zu erreichen, vor allem, wenn man die Marken Commerzbank, Deutsche Bank und Postbank erhält.

Viele Privatkunden würden der fusionierten Großbank aber wohl den Rücken kehren, wenn eine Marke wegfiele. Denn viele Kunden sind zum Beispiel ganz bewusst bei der Commerzbank und nicht bei der Deutschen Bank. Auch Großkunden verteilen ihre Bankbeziehungen lieber auf mehrere Häuser; aus eins und eins wird im Banking selten zwei.

Gelähmte Unternehmen

Eine Fusion von "Gelb" und "Blau" umzusetzen würde die Organisationen außerdem viele Jahre lähmen. Jahre, in denen die Banker Produkte, Kunden, Märkte und Konkurrenz vernachlässigten. Jahre, in denen viele vor allem damit beschäftigt wären, ihre neue Rolle im fusionierten Unternehmen zu finden. Jahre, in denen Finanz-Start-ups den Instituten weiter Geschäft wegnehmen. Nicht zuletzt müssten sich die sehr unterschiedlichen Aktionäre der beiden Banken, wie Hedgefonds, der Bund oder Investoren aus Katar, auf eine gemeinsame Perspektive verständigen.

Zu groß, um umzufallen

Dank neuer Bankenregeln sollen Geldhäuser im Falle einer Schieflage eigentlich ohne die Steuerzahler und unter Mithaftung der Anleihegläubiger abgewickelt werden können. Nach einer Fusion mit der Commerzbank indes wäre so ein Unterfangen sicherlich noch einmal schwieriger. Spricht sich das am Markt herum, kann sich die fusionierte Bank günstiger refinanzieren und damit quasi unter staatlicher Garantie ihren Geschäften nachgehen. Kein Wunder, dass die Finanzaufseher eine Fusion weiterhin skeptisch sehen.

IT-Probleme

Es wird gerne übersehen, aber Erfolg oder Misserfolg von Banken hängen an der EDV. Sowohl Deutsche Bank als auch Commerzbank wollen mit viel Geld eine veraltete IT erhalten. Um weiter im Wettbewerb mithalten zu können, müssten die Banken aber dringend ihre Systeme modernisieren. Das jedoch wäre durch eine Fusion wohl noch teurer und zeitraubender.

Wer hat das Sagen

Commerzbank-Chef Martin Zielke wird derzeit nachgesagt, er sei neben der Bundesregierung einer der Treiber der Fusion. In seinem Umfeld wird dies zwar zurückgewiesen, aber zumindest wenn man sich den Aktienkurs der beiden Häuser anschaut, wird klar: Zielke hätte durchaus Grund dazu. Gemessen am Eigenkapital notiert der Aktienkurs der Commerzbank ein bisschen höher als jener der Deutschen Bank. Daraus könnte die Commerzbank bei der Fusion eine bessere Stellung für ihre Aktionäre verhandeln. Für die Deutsche-Bank-Aktionäre wäre ein Zusammenschluss derzeit eher schlecht. Andererseits müsste die Commerzbank wahrscheinlich ihren hohen Anteil an Italien-Anleihen bei einer Fusion abschreiben. Das könnte Löcher in die Bilanz reißen, die wiederum nur durch eine Kapitalerhöhung zu stopfen wären. Die Aktionäre müssten wohl noch einmal frisches Geld zur Verfügung stellen.

© SZ vom 17.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Banken
:Der Aufstieg von N26 hat Schönheitsfehler

Das Start-up hat erst seit zweieinhalb Jahre eine Lizenz - und ist jetzt schon Milliarden wert. Die Sicherungssysteme der Internet-Bank stehen aber in der Kritik.

Von Herbert Fromme und Nils Wischmeyer, Köln, Jan Willmroth, Frankfurt, und Felicitas Wilke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: