Süddeutsche Zeitung

Geldgeschäfte:Vertrauen ist gut, Vertrag ist besser

Lesezeit: 4 min

Wer Freunden eine höhere Summe leiht, sollte das schriftlich festhalten.

Von Sven Lüüs, München

Florian hat seinem Freund 3500 Euro überwiesen, auch mal 500 Euro in bar zugesteckt oder eine Rechnung für ihn bezahlt. Am Ende schuldete der Freund ihm 10 000. Der versprach, alles zurückzuzahlen, 170 Euro im Monat. Die erste Rate kam noch ohne Probleme.

Jeder Zweite würde einem Freund 500 Euro leihen, hat eine Umfrage der Meinungsforscher von TNS Emnid im Auftrag der Postbank ergeben. Viele verzichten auf Zinsen und geben auch denjenigen Kredit, die von der Bank schon lange kein Geld mehr bekommen. Oft hat die Sache ein bitteres Ende. Jeder Zehnte sagt, dass schon eine Freundschaft wegen des Geldes zerbrochen ist. Der Ex-Nationaltorhüter Eike Immel beispielsweise hat etwa eine Million Mark verliehen - und alles verloren. "Es musste nur jemand traurig schauen, und schon habe ich ihm Geld geliehen", sagte er später.

Auch der Rheinländer Florian ärgert sich heute, dass er zu naiv war. "Ich habe ihm alles blind gegeben", sagt er. Florians Freund schien richtig in Not zu sein: Wenn er nicht sofort der Staatsanwaltschaft Geld überweise, müsse er ins Gefängnis, sagte er zu Florian. Eine Freundin hat Florian darin noch bestärkt, die 10 000 Euro zu verleihen. Immerhin kenne man sich seit dem Kindergarten, da müsse man in so einer Notsituation helfen.

Richtig engen Freunden müsse man Geld leihen, sagt auch der Psychologe Horst Heidbrink, der sich seit Jahren mit dem Thema Freundschaft beschäftigt. Natürlich nur, wenn das nicht in den eigenen finanziellen Ruin führe. Sonst sei das ein Vertrauensbruch, der die Freundschaft beende. Was die Freundschaft aber auch zerbrechen lasse: Wenn das Geld nicht zurückkomme, wie bei Florian.

Das Leihgeschäft hat die Freundschaft auch erst nicht belastet. Die beiden haben immer noch gemeinsam Freizeit verbracht, zum Beispiel sind sie ab und zu gemeinsam essen gegangen. Dass sich in der Freundschaft, die laut Heidbrink im Idealfall immer gleichberechtigt ist, Hierarchien gebildet haben, ist bei Florian und seinem Freund nicht passiert. Das könne aber auch anders sein, sagt der Psychologe. Er könne sich vorstellen, dass wegen eines Geldverleihs aus einem gleichberechtigten Freundschaftsverhältnis ein Gläubiger-Schuldner-Verhältnis wird. Da die Person, die sich Geld geliehen hat, das Gefühl habe, schon genug genommen zu haben, habe sie das Gefühl, es dem Gläubiger Recht machen zu müssen: Es könne dann passieren, dass der Schuldner den Gläubiger zu Freizeitaktivitäten begleite, obwohl er selbst keine Lust darauf habe. Wenn sich solche Hierarchien entwickeln, stört das die Freundschaft, sagt Heidbrink.

Um die zweite und die dritte Rate zu bekommen, musste Florian schon mehrmals nachhaken. Dann kam nichts mehr. Florian schrieb dem Freund per SMS, Whatsapp und Facebook, bot an, die Raten zu senken; fragte, was los sei. Es kam nie eine Antwort. Irgendwann wurden seine Nachrichten einfach blockiert. Die beiden sahen sich danach ab und zu auf der Straße. Wenn er den ehemaligen Freund dann auf dessen Schulden ansprach, sagte dieser, er wisse nicht, worum es gehe. Irgendwann zog er in eine andere Stadt.

Die Freundschaft war nicht mehr zu retten, das Geld auch nicht. Was er an Beweisen für das Leihgeschäft hatte: Chats, auf die der Freund nicht antwortete, Überweisungen mit Betreffzeilen wie "Einzahlung" und die Freundin, die zwar von dem Leihgeschäft wusste, aber bei keiner Geldübergabe dabei war. Sie konnte das Leihgeschäft also nicht belastbar bezeugen. Damit hatte er vor Gericht keine Chance. Und das hat ihm ein Anwalt auch gesagt.

Wenn im Verwendungszweck einer Überweisung die gleichen Dinge stehen, die auch in einem Vertrag stehen müssten, sei die Überweisung ein dem Vertrag gleichwertiger Beleg, sagt Stephanie Thomas von der Steuer- und Rechtsberatung WWS. Nur schreibe man eben meistens keinen Vertrag in eine Betreffzeile.

Auch Chatverläufe können als Beweis vor Gericht dienen. Dabei kommt es aber immer auf die Richter an, außerdem könne die Echtheit eines Chats angezweifelt werden. Und man kommuniziere auf Whatsapp auch nicht wie in einem Vertrag. Ein Zeuge, der bei der Übergabe des Geldes dabei gewesen ist und auch mitbekommen hat, dass die Summe verliehen und nicht verschenkt ist, kann das Leihgeschäft auch belegen. Dem Zeugen darf aber keine Parteilichkeit nachgewiesen werden.

Wer keine Lust hat, lange um sein Geld zu kämpfen, sollte also einen klassischen Vertrag abschließen. Was darin stehen muss: Wann wie viel Geld von wem an wen gezahlt wurde, und, dass der künftige Gläubiger das Geld auch zurückbekommen soll. Datum, Unterschrift - fertig. WWS-Expertin Thomas sagt, es sei sogar möglich, einen Rückzahlungszeitpunkt festzulegen. Wenn es keinen festen Rückzahlungszeitpunkt gebe, könne man als Gläubiger den Vertrag kündigen. Dann habe der Schuldner drei Monate Zeit, das Geld zurückzugeben. Je nachdem, ob der Schuldner dann zahlt oder nicht, drohen diesem dann nach einiger Zeit auch Pfändungen. Gläubiger sollten dabei beachten: Drei Jahre nach der Kündigung des Kreditvertrages verjährt der Anspruch des Gläubigers, sein Geld zurückzubekommen. Bis dann sollte es also wirklich da sein.

Aber ein Vertrag unter Freunden, die sich doch eigentlich vertrauen sollten, kann man das machen? Ja, sagt Heidbrink. Ein Vertrag könne so einen Geldverleih nämlich entkrampfen. Etwas vertraglich festzuhalten, sei kein Zeichen für Misstrauen, es beuge vielmehr Missverständnissen und Ärger vor, und das könne die Freundschaft sogar stützen.

Ungefähr ein Jahr hat es gedauert, bis Florian aufgegeben hat. Was der Freund mit dem Geld gemacht habe? "Keine Ahnung." Am meisten ärgerte Florian aber, dass der Anwalt und Bekannte ihm immer wieder vorwarfen, dass er nichts Schriftliches hatte. Finanziell ruiniert hat ihn der misslungene Geldverleih aber nicht. Er verleiht sogar immer noch Geld an Freunde. Aber jetzt nur noch mit Vertrag: "Wer schreibt, der bleibt".

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Quelle:
SZ vom 03.12.2018
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