Finanzen:Das Ende vom armen Sparer-Schwein

Geldanlage, das klingt kompliziert und nach einer Aufgabe für Profis. Doch Sparer brauchen gar nicht viel Fachwissen, um auch in Zeiten von Negativzinsen und steigenden Kontogebühren ihr Geld sinnvoll anzulegen.

Kommentar von Thomas Öchsner

Die deutschen Sparer, das haben die ersten Wochen des neuen Jahres erneut gezeigt, sind ziemlich arme Schweine. Ihnen werden von zunehmend mehr Banken und Sparkassen höhere Gebühren fürs Girokonto abgezogen. Sie müssen Negativzinsen zahlen, teilweise jetzt schon ab weniger als 100 000 Euro Guthaben. Oder sie geraten an kuriose Abzock-Modelle wie das einer Volksbank, die 35 Cent verlangt, wenn Kunden werktags vor acht Uhr morgens und nach 17 Uhr Geld abheben. Der ganz normale Wahnsinn in einer Welt der Niedrigzinsen. Nur: Keiner muss sich zum armen Schwein machen lassen.

Geht's um ihr Geld, fühlen sich viele Sparer verloren und ahnungslos. Sie vergleichen akribisch, welche neue Waschmaschine für sie am besten ist, studieren Bewertungen im Internet bei der Hotelsuche, aber glauben, sie bräuchten Fachwissen, um die Konditionen von Banken zu vergleichen oder ein Fondsdepot zu eröffnen. Dabei ist das bestimmt nicht schwieriger als die Auswahl der Waschmaschine oder des geeigneten Hotels, man muss nur den inneren Schweinehund überwinden und damit anfangen.

Auch beim Thema Aktien ist der Weg zum mündigen Verbraucher für viele noch weit: Bankkunden denken dabei an Händler, die vor Monitoren das Börsengeschehen verfolgen, alles im Griff haben und cool mit Millionen jonglieren. Begleitet wird das von dem Gedanken: "Das kann ich nicht, das ist nichts für mich." Dies geht einher, vor allem bei den Älteren, mit einer weit verbreiteten Angst vor wirtschaftlichen Katastrophen und Kursverlusten, genährt von eigenen bitteren Erfahrungen an der Börse. Etwa mit Internetbuden, die sich nach dem Platzen der Blase am Neuen Markt in Luft auflösten. Die Angst, Geld zu verlieren, ist in Deutschland groß, größer als die Hoffnung, an der Börse Geld zu verdienen. So finden Schwarzmaler derzeit enormen Zulauf. So lassen risikoscheue Sparer Billionen auf weitgehend unverzinsten Konten liegen. Umso heftiger treffen sie die historisch niedrigen Zinsen.

Nun kann man die Vorbehalte und Risikoscheu gegenüber allem, was mit Geld und Aktien zu tun hat, nicht einfach wegzaubern. Aber die niedrigen Zinsen haben hoffentlich nicht nur für Schuldner etwas Positives: Sie tragen zum Beispiel dazu bei, dass mehr und mehr Sparer aufwachen und sich nicht mehr alles gefallen lassen. Man muss Negativzinsen nicht akzeptieren. Man kann auch die Bank wechseln. Man muss sich nicht mit 0,01 Prozent Zinsen für Tagesgeld zufriedengeben, man kann auch bei anderen Anbietern ein paar Zehntel mehr herausholen. Es nützt nichts, sich über die Europäische Zentralbank (EZB) und ihre Nullzins- und Strafzinspolitik aufzuregen. Minuszinsen, nach Abzug der Inflation, gab es schon häufig, nur dass das vielleicht nicht so auffiel. Lohnender ist es, sich einmal mit seiner eigenen Risikoscheu und dem tatsächlichen Risiko auseinanderzusetzen.

Was fehlt, sind Vorbilder, die zeigen, wie Geldanlage funktioniert

Es stimmt: Wer behauptet, Aktien seien quasi risikofrei, verbreitet Unsinn. Immer wieder gibt es längere Schwächephasen an der Börse. Vor allem ist es riskant, Geld in einzelne Aktien zu stecken. Die Volksaktie Deutsche Telekom ist dafür ein unrühmliches Beispiel. Aber genauso richtig ist: Je länger man Aktien hält, desto geringer wird das Verlustrisiko. Und je breiter man über Aktienfonds und Indexfonds das Risiko auf viele Unternehmen verteilt, desto wahrscheinlicher ist es, dass man sich später über Gewinne freuen kann.

Was fehlt, sind Vorbilder, die zeigen, dass man kein armes Sparer-Schwein bleiben muss. In Bayerns Gymnasien lernen Zwölftklässler etwas über die "Einlagefazilität" der EZB, das sie nach der Klausur schnell wieder vergessen. Vom praktischen Umgang mit Geld und Aktien erfahren sie meist nichts. Ein Vorbild kann auch der Staat sein. Er sollte einen Fonds anbieten, in den jeder unkompliziert und zu minimalen Kosten einzahlen kann. Der Staat sollte auch das langfristige Sparen mit Fonds unterstützen und Kursgewinne nach Ablauf einer Spekulationsfrist von der Steuer befreien. Vorbild können auch Eltern sein, die etwa ihren Kindern zum Geburtstag Anteile an einem günstigen Indexfonds schenken können. Arme Schweine aber wird es trotzdem geben. Das sind diejenigen, die überhaupt kein Geld zum Sparen haben.

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