Geldanlage:Wenn Panzer plötzlich „nachhaltig“ sein sollen

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Symbol der „Zeitenwende“: ein Kampfpanzer „Panther KF51“ des Rüstungskonzerns Rheinmetall. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Aufgrund der wachsenden Bedrohung durch Russland drängen Rüstungsfirmen in nachhaltige Fonds. Verwässert dadurch der Begriff?

Von Markus Zydra, Frankfurt

Wenn es politisch opportun erscheint, ist der Begriff Nachhaltigkeit dehnbar. Das wurde zuletzt deutlich, nachdem die EU gegen den Protest vieler Umweltverbände auch Atomkraft und Gas als „nachhaltige Geldanlagen“ eingestuft hat. Nun klopft mit dem Rüstungs- und Verteidigungssektor erneut ein umstrittenes Geschäftsfeld an das sogenannte ESG-Tor. Das Kürzel ESG steht für „Environmental, Social and Governance“ – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Es bezeichnet die Kriterien, nach denen die Nachhaltigkeit unternehmerischen Handelns bewertet werden. Waffenschmieden galten ESG-affinen Investoren bislang nicht als nachhaltig. Doch der Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 hat die Stimmung verändert. Viele Menschen in Deutschland und Europa fühlen sich bedroht und schätzen den Wert einer starken Landesverteidigung höher ein als früher.

Daher überrascht es kaum, dass die Rüstungsindustrie darum kämpft, auch in dem hehren Klub der Nachhaltigkeitsfonds Aufnahme zu finden – sprich Anlegergeld zu erhalten. Die deutschen Banken- und Fondsverbände möchten ihre strengen Regeln jetzt ändern. In Deutschland gab es bislang eine Vereinbarung der Finanzbranche, dass ESG-Fonds nicht in Rüstungsfirmen investieren. „Das wird jetzt aufgehoben, nachdem auch die EU-Finanzmarktaufsichtsbehörde ESMA erstmals klargestellt hat, dass Fonds, die mit dem Namenszusatz ‚nachhaltig‘ oder ‚ESG‘ vermarktet werden, 20 Prozent ihrer Gelder beliebig investieren dürfen – ausgenommen etwa Hersteller von geächteten Waffen wie Landminen“, sagt Roland Kölsch, Verantwortlicher des FNG-Siegels (dieses Siegel ist ein etablierter Qualitätsstandard für nachhaltige Geldanlagen). Auch die EU-Kommission hat im März klargestellt, dass die Verteidigungsindustrie die Nachhaltigkeit fördere, da sie einen Beitrag zu Widerstandsfähigkeit, Sicherheit und Frieden leiste.

Die Frage ist, ob Anleger diese Erweiterung des Nachhaltigkeitsbegriffs goutieren werden. Während fast die Hälfte aller Männer (48 Prozent) es befürworten, dass auch Aktien von Unternehmen der Rüstungsindustrie als nachhaltig eingestuft werden sollen, sagen dies nur 33 Prozent der Frauen, so eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Innofact im Auftrag des Vergleichsportals Verivox.

Die Frage ist doch: Werden ESG-Regeln auf Druck der Rüstungslobby angepasst?

Es gibt aktuell viel Anlegergeld für Rüstungsinvestments, vor allem, seit die Aktienkurse dieser Konzerne in die Höhe geschossen sind. Sollte man aber eine Investition in Waffenschmieden begrifflich als nachhaltig einstufen, nur damit noch etwas mehr Geld freigeschaufelt wird? „Zwar gibt es derzeit eine gesellschaftliche und politische Neubewertung von Rüstungsinvestitionen, aber das bedeutet nicht, dass man das gleich als nachhaltige Investition labeln muss“, sagt Aurel Eschmann, Experte bei Lobbycontrol. „Wir haben zudem den begründeten Eindruck, dass hier auf Druck der Rüstungslobby unauffällig die ESG-Regeln angepasst werden sollen, um am Ende Anleger zu täuschen“, sagt Eschmann. Deutsche ESG-Anleger würden nach Meinung von Finanzexperten meist nicht in Waffen investieren wollen. „Sie sollen nicht mitbekommen, dass ihre Nachhaltigkeitsfonds in Zukunft auch in Rüstungsaktien investieren könnten.“

Es gab schon vor der russischen Invasion in die Ukraine weltweit zig militärisch ausgetragene Konflikte. Damals hat sich kaum jemand für den erweiterten Nachhaltigkeitsbegriff starkgemacht. „Es ist schon eine gewisse Doppelmoral, nur dann den nachhaltigen Verteidigungseffekt von Waffengewalt anzuführen, wenn es den eigenen Interessen dient“, sagt Nachhaltigkeitsexperte Kölsch. Für ihn steht außer Frage, dass eine gute Landesverteidigung Waffen benötigt. „Aber einen expliziten Nachhaltigkeitsstempel für Waffen und Rüstung, den einige fordern, mutet wie eine Pervertierung des Nachhaltigkeitsgedankens an“, sagt der Experte und verweist auf das von der EU formulierte Prinzip des do no significant harm, das Umweltaktivitäten erfüllen müssen, um als nachhaltig zu gelten. „Waffen führen nun mal unweigerlich zur Zerstörung und gelangen zudem auch noch trotz Exportkontrollen in die Hände von Despoten, die sie für Menschenrechtsverletzungen und völkerrechtswidrige Kriege missbrauchen.“

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