Geldanlage:Rendite mit Immobilien

In unsicheren Börsenzeiten setzen Privatanleger zunehmend auf Aktien von Wohnungskonzernen, denn die gelten als sicher. Doch ganz ohne Risiko ist auch dieses Investment nicht.

Von Victor Gojdka

Die Revolution nahm ihren Anfang in der Karl-Marx-Allee, der einstigen sozialistischen Prachtmeile des Ostens. Dort will ein Investor 675 Wohnungen an die Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen verkaufen. Die Bewohner fürchten Luxussanierungen und steigende Mieten. Die Wohnungsunternehmen, das ist für sie klar, müssen schnell enteignet werden.

Ein ganz anderes Bild der großen Immobilienkonzerne haben viele Privatanleger, Haus und Grund stehen bei ihnen hoch im Kurs. Ein Haus oder eine Wohnung gilt als sicher, manchem Wirtschaftshistoriker sogar als historisch beste Anlageform. Doch was ist mit Nebenkostenabrechnungen, nörgelnden Mietern, bröckelndem Putz? Häuser kaufen und vermieten ist vielen zu umständlich. Genau diese Anleger entdecken nun einst als langweilig verschriene Immobilienaktien für sich, Papiere wie Deutsche Wohnen, Vonovia oder Deutsche Euroshop. Aus deren Beton soll für sie Betongold werden. Geht das Kalkül auf?

Am Falkenhagener Feld im Osten Berlins ist vom Immobilienboom nicht viel zu spüren. Zumindest nicht in der Anlage "Hinter den Gärten 30". 66 Quadratmeter vermietet die Vonovia hier für 335 Euro kalt, alles andere als ein Mondpreis. Die Adresse des Anwesens klingt allerdings malerischer, als es dort aussieht. Hinter den Gärten, so zeigen es die Fotos im Inserat, stehen achtgeschossige Plattenbauten, an deren Fassade das Wetter braune Schlieren hinterlassen hat. Wer Aktien von Vonovia kauft, erwirbt viele solcher Objekte. 363 000 Wohnungen besitzt der Immobilienkonzern in Deutschland, dazu einige in Österreich und Schweden. Oft sind es einstige kommunale Sozialwohnungen, Eisenbahnerquartiere oder Werkswohnungen. Durchschnittsmiete: 6,56 Euro. Leerstand: 2,9 Prozent. Seinen Gewinn steigert der Konzern am einfachsten, wenn er frei werdende Wohnungen teurer weitervermietet. "Und da ist bei diesen Mieten auf jeden Fall Luft nach oben", sagt der selbständige Immobilienanalyst Dieter Thomaschowski.

Vonovia Hauptversammlung

Proteste gegen Vonovia in Bochum. Nicht nur der Konzern profitiert von höheren Mieten, auch die Anleger.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)

Dazu kommt ein weiterer Vorteil der Immobilientitel: In wackeligen Börsenzeiten sind sie oft stabiler als andere Papiere. "Wohnen müssen die Leute schließlich immer", sagt Thomaschowski. Das ist gerade aktuell wichtig, denn Ökonomen diskutieren immer vernehmlicher, dass sich die Konjunktur abkühlen dürfte. Die Betonaktien lässt das kalt, an der Börse ist es fast schon zum Automatismus geworden: Wenn US-Präsident Donald Trump auf Twitter wieder kräftig austeilt und den deutschen Leitindex Dax in die Tiefe drückt, stellen sich die Immobilienaktien gegen den Trend - und schließen den Tag oft positiv ab.

Immer weiter modernisieren und die Mieten erhöhen? Das stößt bald an Grenzen

Das gilt auch für den zweitgrößten Spieler der Branche. Die Deutsche Wohnen betreibt 167 000 Wohnungen, die allermeisten davon in Berlin. Die Durchschnittsmiete? 6,68 Euro. Leerstand? 2,2 Prozent. Das Beispiel Deutsche Wohnen zeigt, was Immobilienkonzerne sich einfallen lassen, um die Mieten zu treiben. 30 Euro hat das Unternehmen 2018 statistisch pro Quadratmeter investiert, um die oft alten und bisweilen heruntergekommenen Wohnungen zu modernisieren. Fünf Jahre zuvor waren es nicht einmal fünf Euro pro Quadratmeter. Der Clou dabei: Acht Prozent der Modernisierungskosten darf der Vermieter auf die Mieter umlegen, zeitlich unbegrenzt. Also auch dann noch, wenn die Mieter die Investition eigentlich längst abbezahlt hätten. In den vergangenen Jahren haben diese Modernisierungen die Mieten der beiden Wohnungsgiganten anschwellen lassen - und damit auch ihre Gewinne.

Experten sind jedoch skeptisch, wie lange das noch so weitergehen kann. Denn die Unternehmen müssen inzwischen aufpassen, mit höheren Mieten nicht zu viele ihrer alteingesessenen und oft pünktlich zahlenden Mieter zu vergraulen und damit den Leerstand in die Höhe zu treiben. Die Konzerne könnten in den kommenden Jahren einfach nicht mehr so viel modernisieren, meint Immobilienexperte Thomaschowski.

Die Forderung, die Wohnungskonzerne zu enteignen, hat den Aktienkursen im April mitunter heftig zugesetzt. "Das Thema ist inzwischen aber durch", sagt Immobilienexperte Julius Stinauer vom Bankhaus Hauck & Aufhäuser. Die nächste Idee haben die Konzerne sowieso schon - auf ihren Grundstücken die unbebauten Flächen zubauen oder für Rasenmähen und Heckenschneiden selbst kassieren.

Wer in Immobilien investieren, aber sein Geld nicht mit kleinen Mietern verdienen will, sollte einen Blick in die Dresdner Altmarktgalerie werfen, zwischen Kreuzkirche und Zwinger. An der Webergasse 1 erhebt sich ein monumentaler, steinerner Gründerzeitbau über den Platz, unter den Arkaden strömen die Sachsen in das Einkaufszentrum. In Chemnitz wird das Geld verdient und in Dresden ausgegeben, das war schon immer so. Und Anleger können versuchen, mit diesem und 20 anderen Einkaufszentren der Immobiliengesellschaft Deutsche Euroshop Geld zu machen.

Viele Aktienanalysten schauen genau auf dieses Unternehmen, denn aus ihrer Sicht ist es stark unterbewertet. Die Aktien des Konzerns sind knapp 40 Prozent weniger wert als sein Immobilienvermögen ohne Schulden (siehe Tabelle). "Das ist ein krasses Missverhältnis", sagt Immobilienexperte Thomaschowski. Dabei stünden die Einkaufszentren meist in ganz guten Lagen.

Klar ist aber auch: Wer mit Shoppingcentern Geld machen will, muss überzeugt sein, dass etwa Amazon ihnen nicht das Wasser abgräbt. Und daran scheint die Mehrheit der Investoren derzeit zu zweifeln. Anleger sollten also genau prüfen, auf welche Steine sie im Depot bauen wollen.

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