Geldanlage:Was Kunden von Billig-Brokern jetzt droht

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Wie leicht Aktienhandel heutzutage ist: Mittlerweile reicht das Handy. (Foto: NomadSoul/imago)

Aktien-Apps werben mit dem Aktienkauf zu günstigen Preisen. Doch jetzt will die EU-Kommission gegen ihr Finanzierungsmodell vorgehen. Werden Trade Republic und ähnliche Anbieter also bald teurer?

Von Harald Freiberger und Victor Gojdka, München/Frankfurt

Zack und weg: Um Aktien zu kaufen, müssen Nutzer heutzutage nur das Handy zücken. Anbieter wie Trade Republic, Smartbroker oder Justtrade haben das Investieren am Parkett nicht nur einfach gemacht - sondern auch wieder salonfähig. Damit rollten die Anbieter den gut aufgeteilten Markt der Wertpapierdienstleistungen in kürzester Zeit neu auf: Sparpläne auf die beliebten ETFs, also Papiere, die eins zu eins einem Börsenindex folgen, kosten meistens gar keine Ausführungsgebühren mehr. Einzelkäufe sind mitunter auch gratis zu haben - oder für einen symbolischen Euro.

Nun allerdings will die EU-Kommission eine der wichtigsten Ertragsquellen der Günstig-Broker verbieten. Denn im Hintergrund kassieren viele der Anbieter, kaum bemerkt von den meisten Kunden, lukrative Rückvergütungen. Schneller als es Anlegern lieb ist, könnten bei einem Verbot solcher Abmachungen die Orderpreise der Apps steigen. Die SZ erklärt, was Anleger jetzt tun können.

Worum geht es genau?

Es geht um nicht weniger als den Kernmechanismus vieler der Aktien-Apps: Die können günstige Preise anbieten, weil nicht nur der Endkunde zahlt. Das viel üppigere Geschäft machen die Handy-Broker oft mit sogenannten Rückvergütungen. Der Trick: Wenn Kunden ein Wertpapier kaufen, leitet die App ihre Order oft automatisch an spezielle Handelsplätze weiter und bekommt eine Provision dafür. Die EU-Kommission und andere Finanzaufseher stoßen sich schon seit Monaten an diesem Modell: Wählen die App-Anbieter den Handelsplatz mit den besten Kursen für die Kunden - oder mit den höchsten Rückvergütungen für den Anbieter?

Was läuft das konkret, wenn ich eine Aktie kaufe?

Will ein Kunde zum Beispiel bei Trade Republic ordern, sucht er in der App das Wertpapier. Ob die Order an der Frankfurter Computerbörse Xetra, der Börse Stuttgart oder doch lieber am Münchner Börsenplatz ausgeführt werden soll, können Kunden jedoch nicht wählen - bei anderen Banken geht das. Denn Trade Republic leitet alle Orders der Kunden im Normalfall an den Börsenplatz LS Exchange weiter, den elektronischen Handelsplatz der Börse Hamburg. Was jedoch nur wenige Endkunden wissen: Alle Kurse dort stellt das Düsseldorfer Handelshaus Lang und Schwarz. Und das Handelshaus zahlt Trade Republic eine Vergütung dafür, dass die App massenweise Orders der Privatanleger dort ablädt - und auf dem Handelsplatz plötzlich wieder viel los ist.

Wie viel Geld ist da im Spiel?

Wer die Höhe der Rückvergütung sehen will, kann unmittelbar vor der Orderaufgabe auf die Fußnote "Kosteninformationen" klicken. Wenn Kunden über Trade Republic zum Beispiel die Aktie des chinesischen Smartphone-Herstellers Xiaomi kaufen, würden wohl 75 Cent als Rückvergütung an Trade Republic fließen. Üblicherweise fließen laut Kundenvereinbarung des Anbieters "zwischen ein und drei Euro". Das automatisierte Sammeln dieser Kleinbeträge lohnt sich: Im Geschäftsjahr 2019/2020 hat Trade Republic insgesamt knapp 27 Millionen Euro Provisionserträge verbucht.

Woran stören sich die Finanzaufseher genau?

Die EU-Kommission möchte diese Rückvergütungen abschaffen, weil dann alle Börsen miteinander um den besten Kurs für dasselbe Wertpapier ringen müssten. Wenn sich spezielle Handelsplätze wegen der Verträge mit Aktien-Apps automatisch bestimmter Orders sicher sein können, könnte der Anreiz gering sein, immer die besten Kurse zu stellen - so der Verdacht.

Kann ich über die Apps also schlechte Kurse bekommen?

Tagsüber müssen sich Anleger wenig Sorgen machen. Wenn das dominierende Xetra-System der Deutschen Börse zwischen 9 Uhr und 17.30 Uhr geöffnet hat, müssen sich auch die Kurse an den anderen Börsen daran orientieren - das ist auch in den Börsenordnungen so festgeschrieben. Die Stiftung Warentest hat die Thematik bereits mehrfach untersucht und über Neobroker gängige ETFs und große deutsche Dax-Aktien gekauft. Das Ergebnis: Die Tester konnten dabei keine gewichtigen Kursabweichungen feststellen. Jüngst kam auch eine Auftragsstudie dreier Universitäten zu dem Ergebnis, dass die Kurse über den Anbieter Trade Republic im Normalfall genauso gut sind wie auf dem dominierenden Handelsplatz Xetra, in rund 20 Prozent der Fälle gar besser und nur bei knapp einem Prozent schlechter. Vor 9 Uhr und nach 17.30 Uhr sollten Anleger allerdings aufpassen, da können die Kurse schlechter ausfallen.

Muss ich für mein Depot bald mehr zahlen?

Sollten die EU-Parlamentarier Rückvergütungen am Ende tatsächlich verbieten, dürfte es teurer werden. "Die Zero-Cost-Broker müssten gleich ihr gesamtes Geschäft umstellen", sagt Maximilian Biesenbach von der Unternehmensberatung Simon Kucher und Partner. In einem Papier geben die Preisexperten bereits Empfehlungen, wie Anbieter möglichst clever an den Gebühren schrauben können: Jährliche Grundgebühren für das Depot verlangen, Handelsplatzgebühren erhöhen oder Devisengebühren hochsetzen. Auch bei den heutigen Nullkostenbrokern könnten unter Umständen also die Preise steigen. Da die jungen Anbieter aber effizientere IT-Systeme als viele andere Banken haben und außerdem weniger Personal beschäftigen, könnten sie am Ende trotzdem noch die günstigsten sein.

Kommt das Verbot denn garantiert?

Nein, das ist nicht gesagt. Bislang findet sich das Verbot nur im Regulierungsentwurf der EU-Kommission, im ersten Quartal 2022 soll das EU-Parlament darüber abstimmen. EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness hat bereits angedeutet, dass beim Regulierungsentwurf nachgebessert werden könne. Bei Parlamentariern deutet sich jedenfalls schon Gegenwehr an: "Das Verbot wäre ein Bärendienst für Kleinanleger", sagt Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. Denn für monatliche ETF-Sparer und ganz normale Privatanleger würden vermutlich die Preise steigen.

Ich bin Kunde bei einer Aktien-App: Muss ich jetzt aktiv werden?

Privatanleger müssen nicht in Panik verfallen, noch ist nichts entschieden. Bis voraussichtlich im kommenden Jahr eine Entscheidung kommt, können Anleger die günstigen Preise bei Neobrokern mitnehmen. Erst wenn die Preise am Ende tatsächlich steigen, sollten Anleger einen guten Konditionsvergleich machen und prüfen, ob ihre App immer noch konkurrenzfähig ist.

Und wenn ich dann zu einem anderen Anbieter wechseln möchte?

Dann muss man nur der neuen Bank Bescheid geben; sie kümmert sich um den korrekten Umzug der Wertpapiere. Sparer sollten jedoch beachten, dass der Umzug ihrer Wertpapiere bis zu zwei Wochen dauern kann und sie in dieser Zeit nicht an ihre Aktien kommen. Probleme kann es für Sparplan-Sparer geben, die jeden Monat eine gewisse Summe an die Börse schieben. Wer für nur 25 Euro jeden Monat ordert, bekommt manchmal "gebrochene" Anteile eingebucht, wenn sich für diese Summe kein ganzer ETF-Anteil kaufen lässt. Diese Bruchstücke lassen sich nicht zu einem neuen Depotanbieter umziehen, sie müssen beim Depotumzug abverkauft werden - je nach Anbieter kann daraus ein Telefonmarathon werden. Gerade bei Aktien-Apps ist der Kundenservice schnell überlastet. Sollten plötzlich Hunderttausende Kunden auf einmal wechseln wollen, könnte es Verwirrung geben.

Wenn mir die Rückvergütungen dubios erscheinen. Was tun?

Es ist schwierig, bei günstigen Anbietern darum herumzukommen, schließlich kassieren auch viele preiswerte Direktbanken Rückvergütungen. Passend für kritische Anleger sind Anbieter, bei denen sich zumindest der Handelsplatz frei wählen lässt und auch der größte Börsenplatz Xetra angebunden ist. Aktuell geht das zu günstigen Konditionen bei Smartbroker, Scalable Free Broker und Onlinebrokern wie Onvista und Flatex - dort können Kunden dann die Kontrolle behalten. Der niederländische Billigbroker Bux wiederum kassiert aus gesetzlichen Gründen keine Rückvergütungen, verlangt meist nur einen Euro Ordergebühr. Dort können Kunden jedoch nicht selbst entscheiden, auf welchem Handelsplatz ihre Order am Ende ausgeführt wird. Am Ende ist es also eine persönliche Abwägungsfrage, womit man sich wohlfühlt.

Soll ich überhaupt auf dem Handy handeln?

Gerade für junge Leute ist es sehr bequem, tagsüber schnell das Smartphone zu zücken. Dennoch sollten Anleger gut aufpassen, was sie tun - schließlich ist die Börse kein Spiel, sondern es geht um das eigene Geld. Finanzwissenschaftler der Goethe-Uni in Frankfurt haben beispielsweise herausgefunden, dass Nutzer am Handy impulsiver handeln als über einen normalen Desktop-PC. Heißt im Klartext: Sie kaufen häufiger lotterieartige Aktien, die riskanter sind. Hier sollten sich Anleger von der komfortablen Benutzeroberfläche vieler Billig-Broker nicht in die Irre führen lassen - und ihrer langfristigen, soliden und gut gestreuten Anlagestrategie treu bleiben.

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