Geldanlage:Wie Anleger vor dem Grauen Kapitalmarkt geschützt werden sollen

Geldanlage: Windiges Angebot: 2015 verloren Anleger insgesamt 640 Millionen Euro mit der Investition in ein Windkraftunternehmen.

Windiges Angebot: 2015 verloren Anleger insgesamt 640 Millionen Euro mit der Investition in ein Windkraftunternehmen.

(Foto: Arnulf Hettrich/Imago)

Die Anlagen sind kaum reguliert. Gehen die Unternehmen pleite, ist das Geld meist weg. Verbraucherschützer fordern die Bundesregierung zum Handeln auf.

Von Marie Vandenhirtz

Als Ullrich K. an das Geld wollte, das er vor mehr als zehn Jahren beim Windprojektierer Prokon investiert hatte, war es "zu spät", lacht er trocken. Nun sind zehntausend Euro weg, etwa die Hälfte seines Einsatzes. Mehr als sechs Prozent Zinsen versprach das Unternehmen für seine Genussscheine. "Ich hab' sogar mal den Hauptsitz besucht", sagt Ullrich K., "und mit dem Chef gesprochen." Der Rentner ist keineswegs allein - so wie ihm erging es rund 75 000 Anlegerinnen und Anlegern, die mit der Pleite des Windkraftbetreibers 2015 insgesamt 640 Millionen Euro verloren.

Der Fall spielt sich auf dem Grauen Kapitalmarkt ab, wo ein solcher Verlust mittlerweile schon die Regel und nicht die Ausnahme ist: Etwa 2018, als mindestens 54 000 Anleger 2,5 Milliarden Euro verloren. So viel nahm der Containeranbieter P&R mit rund einer Million Containern ein, die allerdings frei erfunden waren. Das Unternehmen meldete Insolvenz an, die Anleger blieben auf hohen Verlusten sitzen. Der Fall gilt als die größte Anlegerpleite in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Oder 2013, als rund 240 Millionen Euro von 1400 Anlegern durch die Insolvenz der Frankfurter Immobiliengruppe S&K verloren gingen. "Ich bin ganz sicher, dass es weitere solcher Pleiten geben wird. Und bisher gibt es keinen vernünftigen Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher", sagt Stefan Loipfinger bei einer Pressekonferenz des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV) am Mittwoch. Der ehemalige Fondsanalyst präsentiert dabei die Ergebnisse seines Gutachtens zum Grauen Kapitalmarkt.

Aber was ist das überhaupt, der Graue Kapitalmarkt? Die Finanzprodukte, die hier gehandelt werden, sind zwar legal. Allerdings gibt es keine staatliche Aufsicht, sie unterliegen zudem nur wenigen Gesetzen. Er steht damit zwischen dem Weißen Kapitalmarkt, auf dem Finanzprodukte von Banken oder Versicherungsunternehmen gehandelt und von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) beaufsichtigt werden. Die andere Seite bildet der Schwarze Kapitalmarkt. Finanzprodukte, die dort gehandelt werden, haben keine Erlaubnis der Bafin oder sind gar verboten.

Hohe Renditeversprechen locken die Anleger

Die Angebote auf dem Grauen Kapitalmarkt locken mit hohen Renditen, tatsächlich sind sie aber hochriskant. Verbraucherinnen und Verbraucher finanzieren meist nur leere Unternehmenshüllen, investieren nicht in direktes Eigentum an Sachwerten. Trotzdem werden sie als solche von den Unternehmen vermarktet, die sie anbieten. Gekauft werden können sie durch Banken, Sparkassen oder Finanzanlagevermittler nach einem Beratungsgespräch.

Bisher wurden die Fälle, bei denen Anleger viel Geld verloren hatten, rechtlich nur im Einzelfall behandelt. Der Koalitionsvertrag hält zwar bereits ein weiteres Vorgehen fest: "Wir werden die Bafin beauftragen, Regulierungslücken im Grauen Kapitalmarkt zu identifizieren." Das ist der Verbraucherzentrale allerdings zu vage. Sie verlangt, Anlagen am Grauen Kapitalmarkt für Verbraucher zu verbieten. "Skandale haben am Grauen Kapitalmarkt System. Deswegen muss Schluss sein mit dem gesetzgeberischen Kleinklein", sagt Dorothea Mohn, Expertin für Finanzmärkte des VZBV. Es sei ein Fehler, Verbraucher weiterhin zu solchen Produkten zu beraten - und dann oft auch noch falsch. Die Verbraucher haben zwar zehn Jahre Zeit, Anzeige gegen Falschberatung zu erstatten. Das aber sei viel zu kurz, heißt es bei der Verbraucherzentrale, sie fordert eine Frist von 20 Jahren.

Unternehmen nutzen die Schwächen des Gesetzes

"Mich würde es nicht wundern, wenn die Modelle genau so angelegt sind, dass sie nicht funktionieren können", sagt Mohn. Denn es habe den Anschein, so das Ergebnis des Gutachtens, als wollten die Firmen ihre Geschäfte absichtlich intransparent machen. Dafür bauen sie komplizierte Unternehmensstrukturen, erklärt Bilanzanalyst und Branchenkenner Kai Wilfrid Schröder. Eine GmbH für jedes Finanzprodukt, eine weitere für die Verwaltung und für jedes einzelne Projekt. Die Firmengeschäfte sind somit schwerer zu durschauen, sie machen die Geldflüsse intransparent. Privatanleger haben da kaum eine Chance sie nachzuvollziehen. "Das ist nicht illegal, sie nutzen damit aber die Schwächen des Gesetzes aus", sagt Schröder. "Das ist weit weg vom ethischen Grundverständnis." Doch sehe man solche Strukturen häufig am Grauen Kapitalmarkt. Anleger sollten deswegen genau darauf achten, dass ihr Geld auch an die Gesellschaft geht, die ihnen bei ihrem Investment versprochen wurde, und einen weltweiten Konzernabschluss einfordern.

Das Gutachten zeigt aber noch weitere Gefahren des Kapitalmarkts. So liegt die Eigenkapitalquote der Unternehmen teilweise unter 0,1 Prozent. Wer in ein solches Unternehmen investiert, haftet im Falle der Insolvenz selbst. Gleichzeitig ist die Rendite beschränkt. So entstehen für die Anleger mehr Risiken als Chancen. Und hier setzt ein weiteres Problem an: Es gibt kaum verlässliche Informationen zu den Produkten. Verbraucher greifen bisher auf Informationsblätter zurück. Die sind Pflicht und werden von der Bafin freigegeben.

Die Bafin prüft allerdings nicht, ob die Anlage auch das wert ist, was sie verspricht, ob der Anbieter seriös und die Angaben inhaltlich richtig sind. Im Falle einer Insolvenz können Anleger Falschangaben in diesen Blättern vor Gericht zwar nachweisen, allerdings zeigt das Gutachten auch, dass die Verantwortung für der Prospekte oft an eine Anlagegesellschaft gegeben wird. Diejenigen, die tatsächlich verantwortlich sind, haften nicht. Auch das müsse korrigiert werden.

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