Süddeutsche Zeitung

Geldanlage:Goldener Schein

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Mit Beginn dieser Woche öffnen viele Edelmetallhändler wieder ihre Geschäfte. Sollten die Sparer jetzt Barren und Münzen kaufen?

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Dass Goldhändler es begrüßen, wenn vermummte Menschen in ihren Laden kommen, dürfte es noch nie gegeben haben. Doch wenn viele Goldläden bundesweit zu Wochenbeginn wieder ihre Sicherheitsgitter hochfahren und Türen aufsperren, dann sind Menschen in Masken nicht nur geduldet - sondern gar gewünscht.

Bereits an den turbulenten Börsentagen der vergangenen Wochen erlagen viele Anleger dem magischen Glanz des edlen Metalls: Während die Aktienindizes seit Jahresbeginn rapide stürzten, stieg der Goldpreis kräftig an. In Euro notierte das Edelmetall zum Ende der Woche gar so hoch wie nie. "Der Gewinner der Krise ist Gold", sagt Rohstoffexpertin Barbara Lambrecht von der Commerzbank.

Doch Anleger konnten des Goldes oft nur über Onlineshops habhaft werden - und mussten mit wochenlangen Lieferzeiten rechnen. Wenn viele Goldläden zu Wochenbeginn inmitten der anrollenden Geldflut wieder aufsperren, fragen sich Anleger im ganzen Land: Ist das schimmernde Edelmetall nun buchstäblich Gold wert?

Auf den ersten Blick ist diese Frage ganz einfach zu beantworten, die großen Monitore im Handelssaal des Münchner Goldhändlers Pro Aurum spiegeln den aktuellen Weltmarktpreis schließlich in übergroßen Ziffern. 1596,22 Euro zeigen die Computer der Finanzprofis derzeit weltweit als Preis für 31,1 Gramm Gold an, also für eine Feinunze.

Doch für Privatanleger erweist sich dieser Preis bei den Goldhändlern nur allzu oft als verheißungsvolle Illusion. Wer zum Beispiel beim Goldhändler Degussa am Wochenende online einen Unzen-Goldbarren kaufen wollte, der musste deutlich mehr als den reinen Weltmarktpreis zahlen, so zeigt es eine Auswertung der SZ: Statt 1596 Euro Weltnotierung waren bei Degussa 1742 Euro fällig - also ganze neun Prozent Aufschlag.

Wer beim gleichen Goldhändler einen alten Unzen-Barren aus seinem Bestand wiederum verkaufen wollte, bekam ebenfalls nicht den aktuellen Börsenpreis - sondern der Händler behielt eine Ankaufsspanne von anderthalb Prozent schlichtweg ein. "Diese Preisunterschiede sind immens und machen ein vermeintlich gutes Geschäft per se zu einem schwierigen", sagt Verbraucherexperte Hermann-Josef Tenhagen von Finanztip.

Aktuell sind jene Preisaufschläge, die im eleganten Sprech der Goldhändler "Aufgelder" heißen, gar besonders groß: Während sie üblicherweise zwischen drei und vier Prozent mäandern, sind in den turbulenten Corona-Tagen schnell mehr als zehn Prozent fällig. Denn der Goldmarkt kämpft angesichts vieler Corona-Ferien immer noch mit einer physischen Knappheit an Münzen und Barren, zudem sind Transportkosten für Gold in Flugzeugen deutlich gestiegen. Um nicht allzu teuer zu kaufen, sollten Anleger daher die Preise auf Vergleichsportalen wie Gold.de genau studieren. Mitunter klaffen dort Preislücken zwischen unterschiedlichen Anbietern von weit mehr als hundert Euro.

Doch selbst wenn Anleger ihre goldenen Barren, "Krügerrands" oder die kanadischen Ahornblätter-Münzen unbedingt selbst in der Filiale kaufen wollen, sollten sie sich informieren: Der Goldhändler Degussa sperrt mit der anbrechenden Woche zwar alle seine Filialen wieder auf, lediglich in der Münchner Niederlassung wird sich laut Onlineauskunft jedoch bereits von Anfang der Woche an Gold kaufen lassen. Der Konkurrent Pro Aurum kündigt wiederum an, hinter seinen Schalterscheiben lediglich eine kleinere Produktpalette an Münzen und Barren als in normalen Zeiten anzubieten.

Viele Anleger aber haben keine Geduld mehr, denn erst in der vergangenen Woche wagte sich die US-Großbank Bank of America mit einer mutigen Prognose nach vorne: Binnen 18 Monaten könnte der Goldpreis im besten Fall auf 3000 Dollar steigen, rund 73 Prozent mehr als derzeit. Die Masse an Hilfspaketen und Stützungsmaßnahmen könnte die Inflation emporschnellen lassen. "Wir sehen, dass sich Staatsschulden und Notenbankbilanzen wie ein Ballon aufblasen", sagte Francisco Blanch, Rohstoffchef der Bank. Die Überlegung ist einsichtig: Notenbanken können zwar Geld drucken, aber sicher kein Gold. Doch nicht zu jeder Zeit bewährte sich Gold in der Vergangenheit tatsächlich als Inflationsschutz, wenn man es in Euro kalkuliert. Und längst nicht alle Banker sind sich mit ihrer Wette auf galoppierende Inflation und steigende Goldpreise so sicher wie die Kollegen der Bank of America: In einer aktuellen Umfrage des Finanzdatenanbieters Reuters unter rund 30 Banken sehen die befragten Experten den Goldpreis im kommenden Jahr im Durchschnitt nur auf dem aktuellen Niveau. Anleger sollten also auch im Angesicht der Preziosen in den Filialen genau prüfen, welches Geld ihnen Gold wert ist.

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SZ vom 27.04.2020
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