Geldanlage:Wer noch Zinsen will, muss riskanter leben

Geldanlage: Ein teures Auto kann sich im Alter nicht jedes Paar leisten. Für manche bleibt der Sportwagen ein Schaufenstertraum.

Ein teures Auto kann sich im Alter nicht jedes Paar leisten. Für manche bleibt der Sportwagen ein Schaufenstertraum.

(Foto: Jörg Buschmann)

EZB-Chef Draghi rät Bürgern, ihr Geld nicht nur auf dem Sparbuch liegen zu lassen. Doch was sind die Alternativen?

Fragen und Antworten von Harald Freiberger und Markus Zydra

Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, hat einen guten Rat für Sparer: "Sie müssen ihr Geld nicht nur auf dem Sparbuch anlegen, sondern haben auch andere Möglichkeiten", sagte er der Bild-Zeitung. Die Bürger hätten es mit ihren Anlage-Entscheidungen selbst in der Hand, wie hoch ihre Erträge ausfielen, auch in Zeiten niedriger Zinsen. In einem hat Draghi recht: Mit Aktien lassen sich beispielsweise deutlich höhere Renditen erzielen. Der Preis ist allerdings ein deutlich höheres Risiko: Man kann an der Börse eben auch ganz schnell viel Geld verlieren. Wohin also mit dem Ersparten in Zeiten des Nullzinses?

Sind Aktien eine gute Alternative?

Für Aktien ist die Niedrigzins-Politik positiv, da es nur noch wenige rentable Anlage-Alternativen für das viele billige Geld gibt. Es fließt schon seit Jahren an die Börse und sorgte dort für einen Boom. Dieser geriet am Jahresanfang aus Sorge um China und die Weltwirtschaft ins Stocken. In den vergangenen Wochen ging es aber wieder aufwärts. Der Deutsche Aktienindex (Dax), der im Vergleich zum 1. Januar schon 20 Prozent verloren hatte, steht jetzt nur noch mit fünf Prozent im Minus.

Experten raten Privatanlegern nach wie vor zu Aktien, gerade für die langfristige Altersvorsorge. Solange die Zinsen so niedrig bleiben, bringen sichere Staatsanleihen wenig Rendite. Pensionskassen und Fonds sind praktisch gezwungen, auf Aktien zu setzen. Diese Nachfrage stützt die Aktienmärkte. Ein nachhaltiger Einbruch ist in einer Nullzins-Phase daher kaum wahrscheinlich.

Die beste Möglichkeit für Privatanleger, breit gestreut in Aktien zu investieren, sind Indexfonds (ETF), die fast exakt die Renditen abwerfen, die Indizes wie der Dax jährlich machen. Dax-ETF können zu niedrigen Kosten auch über einen monatlichen Sparplan gekauft werden, was sich besonders auf lange Sicht auszahlt. Wer Verluste allerdings schwer verkraften kann, für den sind Aktien nicht geeignet. "Man sollte sich durch die niedrigen Zinsen nicht zu Anlageentscheidungen hinreißen lassen, die man sonst nicht treffen würde", sagt Andreas Beck, Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau, einer Vermögensverwaltung in München.

Was bringen Anleihen?

Sichere Staatsanleihen, zum Beispiel deutsche, werfen keine Rendite mehr ab, zum großen Teil liegt ihr Zins sogar im Minus. Nur deutsche Staatspapiere mit einer zehnjährigen Laufzeit bringen derzeit noch eine positive Rendite von 0,24 Prozent. Alle kürzeren Laufzeiten notieren im Minus. Da die EZB im großen Stil Staatsanleihen aufkauft, ist die Nachfrage nach ihnen künstlich hoch, was die Rendite drückt. Dies gilt selbst für Anleihen von Schuldenstaaten wie Italien oder Spanien, die gerade einmal 1,6 Prozent abwerfen. Generell gilt bei Staatsanleihen dasselbe für alle Geldanlagen: Wer noch ein paar Prozent Rendite haben will, muss ins Risiko gehen. Zehnjährige griechische Staatsanleihen etwa rentieren mit 8,6 Prozent, Papiere aus Russland mit 9,1 Prozent, aus der Türkei mit 9,0 Prozent.

Was tun - und wie lange bleiben die Zinsen noch niedrig?

Soll man in Immobilien investieren?

Wer eine Eigentumswohnung kaufen oder ein Haus bauen will, kann sich weiter günstig verschulden. Die Zinsen für zehnjährige Immobilien-Darlehen liegen im Durchschnitt bei rund 1,3 Prozent im Jahr. Die Immobilienpreise sind aber gerade in Ballungsgebieten schon stark gestiegen. Laut dem Zentralen Immobilien-Ausschuss wurde 2015 so viel Geld in Wohnungen, Büros und Hotel-Immobilien in Deutschland investiert wie seit 2007 nicht mehr, dem Jahr vor Ausbruch der Finanzkrise. Allein 2015 verteuerten sich nach Angaben der Bundesbank Häuser und Wohnungen bundesweit im Durchschnitt um sechs Prozent. Wer jetzt eine Immobilien-Finanzierung abschließen will, sollte sich die niedrigen Zinsen auf zehn bis 15 Jahre festschreiben lassen, raten Experten. Da die Konditionen so günstig sind, sollte man seine Schulden möglichst schnell zurückzahlen. Empfohlen wird ein Tilgungssatz von drei bis fünf Prozent.

Trifft der niedrige Zins alle Menschen?

Um zu sparen, braucht man Überschüsse. Doch viele Menschen in Deutschland haben gerade genug Geld für den täglichen Bedarf. Sie können nichts sparen und verlassen sich bei der Altersvorsorge ganz auf die gesetzliche Rentenversicherung. Dennoch sind auch diese Menschen von Draghis Niedrigzinspolitik betroffen. Der Immobilienboom führt dazu, dass die Mieten steigen. Einige Geringverdiener, in Ballungszentren aber auch Normalverdiener, können sich die Mieten nicht mehr leisten.

Ärgern sich Italiener und Spanier auch über die Niedrigzinsen?

Die Kritik in diesen Ländern ist nicht so stark wie in Deutschland. Die Menschen dort ahnen, dass die Niedrigzinspolitik vor allem gemacht wird, um die Wirtschaft in Gang zu kriegen. Lange Zeit waren Bankkredite in Italien und Spanien viel teuerer als in Deutschland. Das bremste den Aufschwung. Erst durch die Nullzinspolitik der EZB sind die Kreditzinsen stark zurückgegangen, was dem Aufschwung und der Schaffung von Arbeitsplätzen nützt.

Darf Draghi den Leitzins auf null setzen?

Ja. Die EZB muss den Geldwert stabil halten. Das betrifft den Kampf sowohl gegen Inflation als auch gegen Deflation. Stetig sinkende Preise gelten langfristig als sehr gefährlich. In Japan kam es dadurch zu einer jahrzehntelangen Wirtschaftskrise. Die EZB wird den Leitzins erst wieder erhöhen, wenn die Wirtschaft in der Euro-Zone wächst und die Inflation steigt.

Wie lange dauert die Nullzinsphase noch?

Das kann noch viele Jahre dauern. Die Wirtschaftsentwicklung in der Euro-Zone ist sehr fragil. Höhere Leitzinsen könnten in Staaten wie Portugal, Italien oder Spanien sofort schwere Finanzprobleme und eine Wirtschaftskrise auslösen. Alle haben sich an den Niedrigzins gewöhnt. Das Problem haben alle Industriestaaten. Auch die US-Notenbank hält den Leitzins mit 0,25 Prozent noch immer sehr niedrig.

Droht Sparern ein Strafzins?

Je länger die Nullzinsphase dauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch einfache Sparer auf ihre Einlagen negative Zinsen bezahlen müssen. Geschäftskunden sind davon schon jetzt betroffen. Bislang kaschieren die Banken in Deutschland das Problem, indem sie die Bankgebühren, etwa für Kontoführung und Überweisungen, erhöhen.

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