Geldanlage:Das bin ich!

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Mit der Technologie von IDNow können sich beispielsweise Kunden von Banken online per Smartphone identifizieren. (Foto: oh)

Wer per Videochat ein Konto eröffnet, konnte sich unkompliziert ausweisen. Doch die Finanzaufsicht stoppte plötzlich das simple Verfahren. Jetzt gibt es eine Neuregelung mit höheren Sicherheitsstandards

Von Andrea Rexer, München

Es kann unglaublich nervenaufreibend sein, nachzuweisen, wer man ist. Für einen rechtsgültigen Vertrag reicht es nämlich nicht, kurz und knapp "Das bin ich" zu rufen. Wer über das Internet ein Bankkonto eröffnen oder online per Ratenkredit einen Laptop kaufen will, nimmt meistens einen mühsamen Gang auf sich: Der Kunde reiht sich in eine lange Warteschlange bei der Post ein, um seinen Ausweis vorzuzeigen und so seine Identität gegenüber der Bank zweifelsfrei feststellen zu lassen.

Dabei ginge es so bequem anders: seit 2014 können sich Kunden in Deutschland über Videochat legitimieren. Sie halten ihren Ausweis vor die Kamera am Smartphone oder Laptop, beantworten ein paar Fragen des Mitarbeiters auf der anderen Seite der Kamera und können währenddessen gemütlich am Sofa hocken bleiben. Diese Alternative dauert zwar auch ein paar Minuten länger als der kurze Ruf "Das bin ich", aber es ist doch deutlich bequemer als die Warteschlange.

Das Innenministerium hatte Sorge, dass Video-Legitimation die Terrorfinanzierung erleichtert

Fast wäre dieses sogenannte Video-Identverfahren den Sicherheitsbedenken der deutschen Behörden zum Opfer gefallen. Doch nun haben sich das Innen-, das Finanzministerium und die Finanzaufsicht Bafin auf eine Regelung geeinigt, die auf der einen Seite Video-Identifikation für die Kunden möglich macht, aber andererseits auch höhere Sicherheitsstandards festlegt. In der Finanzbranche nimmt man die Einigung positiv auf. Denn inzwischen bieten nicht nur Direktbanken, sondern auch die traditionellen Filialbanken ihren Kunden diesen Service an. Am meisten freuen sich natürlich die Anbieter der Video-Verfahren: "Das wird den Finanzstandort Deutschland stärken", sagt etwa Michael Sittek, Geschäftsführer von IDnow. Er glaubt, dass das neue Verfahren ein Vorbild für ganz Europa sein könnte.

Und in der Tat war Deutschland in diesem Bereich Vorreiter. Als die Finanzmarktaufsicht Bafin im Jahr 2014 zuließ, dass sich Kunden per Online-Video identifizieren können, um beispielsweise ein Bankkonto zu eröffnen, jubelten vor allem digitale Start-ups hierzulande. In ganz Europa war das Verfahren einzigartig. Nirgends war es so einfach, über das Internet rechtsgültige Verträge abzuschließen. Inzwischen haben andere europäische Länder die deutsche Vorgehensweise übernommen: die Schweiz, Österreich, Luxemburg und Spanien haben ähnliche Legitimationsverfahren eingeführt.

Doch dessen ungeachtet, erschreckte die Bafin im Frühsommer des vergangenen Jahres die Branche ohne Vorwarnung mit einem Rundschreiben. Was harmlos klingt, sind verbindliche Regeln, an die sich die Anbieter zu halten haben - und zwar ohne Übergangsfristen. Von einem Tag auf den anderen sollten nur noch Banken, also nicht mehr wie bis dahin auch andere Finanzdienstleister, die Legitimation per Video anwenden dürfen. Eine Reihe von Detailregeln hätte die Video-Legitimation nur noch in Ausnahmefällen möglich gemacht. Was dann passierte, war ein Novum für die Finanzbranche: junge Start-ups verbündeten sich mit traditionellen Banken, um bei den Behörden vorzusprechen. Angesichts des Protests von allen Seiten, zog die Bafin schon nach ein paar Wochen ihr Schreiben wieder zurück. Stattdessen wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Neuregelung beschäftigen sollte. Eingeladen wurden nicht nur Vertreter der Sicherheitsbehörden und Ministerien, sondern auch von Banken und Finanz-Start-ups.

In einer Reihe von Gesprächen hinter verschlossenen Türen stellte sich heraus, dass hinter der restriktiven Regelung gar nicht die Finanzaufsicht, sondern vielmehr die Sorgen des Innenministeriums standen, dass Video-Legitimation Geldwäsche und Terrorfinanzierung erleichtern könnte. Gemeinsam überzeugten Fintechs und Banken die Behörden, dass das Online-Verfahren keineswegs unsicherer sein muss, als das herkömmliche Post-Identverfahren. Im Gegenteil: viele vertreten sogar die Ansicht, dass die Video-Legitimation sogar sicherer sei, weil die Mitarbeiter nicht nur einen flüchtigen Gesichtsabgleich am Tresen machen, sondern die Systeme Daten abgleichen können.

Allerdings müssen die digitalen Prozesse nun höheren Sicherheitskriterien entsprechen. So werden künftig beispielsweise nicht mehr alle Ausweisdokumente akzeptiert, sondern nur solche, die mehrere Sicherheitsmerkmale erfüllen. Der gewöhnliche deutsche Personalausweis im Scheckkartenformat etwa entspricht diesen Bedingungen. Zudem müssen die Anbieter Ende-zu-Ende-Verschlüsselungstechnik anwenden und die Gespräche mit dem Kunden werden etwas ausführlicher, um die Angaben der Person auf Plausibilität prüfen zu können. "Es ist gut und richtig, dass die Hürden höher gelegt wurden", sagt Fintech-Experte André Bajorat.

Das Video-Identverfahren ist inzwischen für viele Anbieter nicht mehr wegzudenken. Nur ein Beispiel: beim digitalen Vermögensverwalter Scalable Capital nutzt bereits die Hälfte aller Kunden die Video-Legitimation. "Die Nachfrage danach steigt an", sagt Gründer Florian Prucker. Denn schon jeder vierte Neukunde nutzt Scalable ausschließlich am Smartphone.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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