Süddeutsche Zeitung

Geldanlage:Wie deutsche Sparer ihr Geld verschwenden

Die Deutschen setzen aufs Sparbuch und scheuen die Börse - obwohl es seit Jahren fast keine Zinsen gibt und Aktien boomten. Die sieben größten Anlagefehler.

Von Harald Freiberger

Die Deutschen, sie sind ein Volk von Sparern, kein Volk von Aktionären. Wie ausgeprägt diese Haltung ist, untermauert nun eine Studie der Fondsgesellschaft Flossbach von Storch mit eindrucksvollen Zahlen und neuen Erkenntnissen. So hat sich das Verhalten der Bundesbürger bei der Geldanlage auch in den vergangenen zehn Jahren kaum geändert. Viele setzen weiter vor allem aufs Sparbuch und machen einen weiten Bogen um die Börse, obwohl die Zinsen schon lange nahe null liegen und Aktien in den vergangenen Jahren boomten.

Zehn Prozent ihres Einkommens sparen die Deutschen, vor allem auf Sparbüchern, Girokonten, Tages- oder Festgeldern. 2,12 Billionen Euro liegen nach Daten der Bundesbank auf niedrig verzinsten Konten. Das wird sich so schnell auch nicht ändern, wie die Studie zeigt. Für sie befragten Marktforscher der GfK mehr als 10 000 Bürger, sie ist damit die größte ihrer Art. Die sieben wichtigsten Erkenntnisse:

1. Die Deutschen haben ihr Verhalten auch in der Nullzins-Ära nicht verändert.

Die Phase der niedrigen Zinsen begann mit Ausbruch der Finanzkrise 2008. Danach senkten die Notenbanken die Zinsen drastisch, in Europa steht der Leitzins seit 2014 praktisch bei 0,0 Prozent, entsprechend niedrig sind die Renditen von Festgeld oder Sparkonten. Der Dax vervierfachte sich unterdessen seit Februar 2009. Eine Frage in der Studie lautete, ob die Bundesbürger ihr Sparverhalten wegen der niedrigen Zinsen geändert hätten. Nur gut ein Drittel der Befragten, 36 Prozent, beantwortete sie mit Ja. 64 Prozent blieben sich treu und ließen ihr Geld auf Sparbuch oder Girokonto. Dabei zeigten sich Ältere etwas flexibler als Jüngere, außerdem änderten Männer eher ihr Sparverhalten als Frauen.

2. Die meisten Deutschen setzen zu sehr auf Sparbuch oder Festgeld.

Bei der Geldanlage gilt das Prinzip: Je länger ein Investor Zeit hat, desto eher kann er an die Börse gehen. Aktien sind schwankungsanfällig, vorübergehend kann ein Depot deshalb ins Minus rutschen. Auf lange Sicht aber rentieren Aktien deutlich besser als Zinsanlagen. Beim Deutschen Aktienindex (Dax) etwa beträgt die durchschnittliche jährliche Rendite über Jahrzehnte hinweg rund sieben Prozent.

In der Studie wurde gefragt, was Anleger tun würden, wenn sie zur Geburt eines Kindes für 18 Jahre jeden Monat 100 Euro zurücklegen wollten. 55 Prozent entschieden sich für Sparbuch, Festgeld, Girokonto oder Lebensversicherung, nur 23 Prozent für Aktien oder Aktienfonds. Sicherheit ist den Bürgern so wichtig, dass sie lieber niedrige Zinsen wählen - und das, obwohl der Anlagezeitraum lang genug wäre, um ein Tief an der Börse aussitzen zu können.

3. Frauen sind besonders vorsichtig.

Frauen sind bei der Geldanlage vorsichtiger als Männer. Wenn sie über 18 Jahre jeden Monat 100 Euro für das Kind zurücklegen, wählen rund 30 Prozent von ihnen dafür das Sparbuch oder das Girokonto und knapp 15 Prozent Aktien oder Aktienfonds. Bei Männern ist dieses Verhältnis genau umgekehrt. Auch jüngere Bundesbürger sind eher defensiv. 55 Prozent der Befragten, die zwischen 18 und 29 Jahre alt sind, würden das Geld in ein Sparbuch oder das Girokonto stecken.

4. Die es am nötigsten hätten, tun am wenigsten.

Je niedriger Einkommen und Bildungsabschluss, desto weniger setzen auf Aktien oder Fonds. Bei Befragten mit einem Nettoeinkommen bis 1500 Euro liegt die Quote bei zehn Prozent, bei denen mit mehr als 4000 Euro netto sind es 40 Prozent. Ähnlich ist der Unterschied zwischen Bürgern mit Hauptschulabschluss und Studium. Da Aktien langfristig mehr Rendite abwerfen, geht die Schere zwischen Arm und Reich so immer weiter auf. "Die Ergebnisse sind auch deswegen so alarmierend, weil renditeschwache Anlagen vor allem Anleger bevorzugen, die auf Erträge aus Ersparnissen eigentlich angewiesen wären", sagt Thomas Mayer, Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank, der jetzt das Flossbach von Storch Research Institute leitet.

5. Die meisten Deutschen haben zu viel Angst vor Schwankungen.

Eine Frage zielte auf die Risiken der Geldanlage ab. Dabei kam heraus, dass es die größte Angst der Bundesbürger ist, ihre Anlage könnte zu stark schwanken - so wie es bei Aktien der Fall ist. Jeder Zweite fürchtet, dass er unverhofft zum falschen Zeitpunkt an seine Ersparnisse müsste, nicht weiß, was ihm bleibt, oder die Nerven verliert und zum falschen Zeitpunkt verkauft. Mit zunehmendem Alter nimmt diese Furcht ab, das heißt: Ältere sind cooler als die Jungen.

6. Viele kümmern sich zu spät darum, Vermögen aufzubauen.

Der wichtigste Zweck des Sparens ist für die meisten die Altersvorsorge, dahinter folgen Rücklagen für Schadensfälle und Konsum, etwa für Auto oder Urlaub. Allerdings gewinnt die Altersvorsorge erst mit zunehmendem Alter an Bedeutung. Bei 18- bis 29-Jährigen hat das Thema nur für 15 Prozent Priorität, bei 50- bis 59-Jährigen erreicht diese Quote mit 40 Prozent ihren Höchststand. "Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die Wichtigkeit der Altersvorsorge häufig zu spät erkannt wird", schreiben die Studienautoren.

7. Die Mehrzahl der Deutschen schätzt die Realität falsch ein.

75 Prozent der Befragten gaben an, dass sie auf ihre Ersparnisse eine jährliche Rendite von zwei Prozent oder mehr erwarten. Das steht in starkem Kontrast zu ihrer Präferenz für Festgeld, Girokonto oder auch Bundesanleihen, die derzeit maximal 0,39 Prozent bringen. "Der deutsche Geldanleger hat nicht nur ein Umsetzungsproblem, sondern vor allem ein Erkenntnisproblem", sagt Mayer. Vielen Menschen fehle das notwendige Wissen über grundsätzliche Zusammenhänge. Eine Anlage auf dem Sparbuch könne bei niedrigen Zinsen und steigender Inflation keinen nachhaltigen Erfolg erzielen.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2018/lüü
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