Geld - Macht - Hass:"Verrath im Schoße der Familie"

Heinrich Heine hoffte auf ein günstiges Testament des reichen Onkels - vergebens. Der Schriftsteller zerbrach daran, in seinen Werken ist das Thema allgegenwärtig.

Lothar Müller

Wenn es um Geld ging, war Heinrich Heine um eine geistreiche Formulierung nie verlegen. Über den Roman "Anton Reiser", in dem der Schriftsteller Karl Philipp Moritz im 18. Jahrhundert seine kärgliche Kindheit schilderte, schrieb er, dies sei "die Geschichte einiger hundert Taler, die der Verfasser nicht hatte". In seinen "Reisebildern" legte er dem Lotteriekollekteur und Hühneraugenoperateur Hirsch-Hyazinth, der sich seiner Beziehungen zum Baron Rothschild rühmte, den Satz in den Mund: "Ich saß neben Salomon Rothschild und er behandelte mich ganz wie seinesgleichen, ganz famillionär."

Dichter Heinrich Heine (1797-1856)

Der deutsche Dichter Heinrich Heine (1797-1856) nach einer 1842 entstandenen Bleistiftzeichnung.

(Foto: dpa)

Von den Funken, die der Sprachwitz Heines aus dem Thema Geld schlägt, führt ein ganzes Netz von Verbindungslinien hinein in die politischen wie die philosophischen Fundamente seines literarischen Werks. Das Geld, das einer nicht und der andere zuviel hat, ist darin auf Schritt und Tritt gegenwärtig, und die "Geldaristokratie", zu der die Rothschilds angehören, ist eine Schlüsselfigur in Heines Schriften.

Heine kannte die ökonomischen Theorien der Saint-Simonisten und Proudhons, las Friedrich List und Karl Marx und sprach dessen Sprache, wenn er in späteren Jahren "den socialen Groll gegen die überwuchernde Macht des Kapitals" zu den Ursachen des Antisemitismus rechnete. Zu seinen besonderen Spezialitäten gehörte es, die Kapitalismuskritik als Religionskritik zu betreiben: "besteht nun die heutige Religion in der Geldwerdung Gottes oder in der Gottwerdung des Geldes? Genug, die Leute glauben nur an das Geld."

Was aber den Witz über Salomon Rothschild betrifft, so führt er nicht nur mitten in Heines Werk hinein, sondern auch ins Zentrum seines Lebens. Der Lotteriekollekteur Hirsch-Hyazinth, der die Pointe zündet, stammt aus Hamburg. Dort gab es einen Salomon, der zwar nicht Rothschild hieß, aber ebenfalls der Geldaristokratie angehörte und mit dem Heine famillionär verkehrte. Denn Salomon Heine war sein reicher Onkel, und ohne dessen Zuwendungen wäre die ökonomische Existenz des Autors, der seit 1831 im teuren Paris im Exil lebte, gefährdet gewesen.

Heines Einnahmen aus seinen literarischen Unternehmungen machten nur ein Drittel seiner Einkünfte aus. Während der Julimonarchie erhielt er eine Staatspension aus dem Geheimfonds der französischen Regierung, aber die versiegte mit der Februarrevolution des Jahres 1848. Und sie machte schon zuvor die Unterstützung durch den Onkel nicht überflüssig. Salomon Heine hatte, als Heinrich Heine Ende August 1841 Augustine Crescence Mirat heiratete, die er als Schuhverkäuferin kennengelernt hatte und "Mathilde" nannte, die jährliche Rente für seinen Neffen auf 4800 Francs erhöht. In Heines Augen waren die Zuwendungen keine Almosen.

Gewiss, er kannte das Misstrauen, das man ihm, dem Außenseiter entgegenbrachte, der zwar in Hamburg beim Bankhaus Heckscher & Co. und als zeitweiliger Inhaber eines Manufakturwarengeschäftes kaufmännische Lehrjahre in Hamburg verbracht hatte, aber partout von der Kunst leben wollte, und noch dazu am liebsten auf möglichst großem Fuße. Aber sein Autorenstolz hielt allen abschätzigen Blicken und allem Argwohn, man alimentiere eine im Kern unsolide Existenz, mühelos die Waage. Denn wenn sie in ihn investierte, investierte die Familie dann nicht in eine vollkommen sichere Aktie: in den Ruhm, den er ihrem Namen unweigerlich bringen würde?

"Verrath im Schoße der Familie"

Er hatte mit seinem Onkel manchen Streit gehabt. Aber als Salomon Heine 1844 starb und ein Vermögen hinterließ, das es mit den größten in Paris aufnehmen konnte, hoffte Heinrich Heine, es werde ihm nun eine Erbschaft zufallen, die ihn künftig aller Geldsorgen enthob. Aber nicht nur blieb diese große Erbschaft aus. Die Verwandten teilten ihm zudem mit, seine Jahresrente werde um die Hälfte gekürzt. Heine glaubte sich auf die Zusage einer künftigen großzügigen Versorgung berufen zu können, die ihm sein Onkel mündlich gemacht hatte. Jedenfalls hatte er ihn so verstehen wollen.

Aber rechtsverbindlich hatte ihm Salomon Heine in seinem Testament nur eine Einmalzahlung von 8000 Mark zugesprochen und die Jahresrente von 4800 Francs unerwähnt gelassen. Der öffentliche Erbstreit, den Heine daraufhin unter Mobilisierung zahlreicher Freunde mit dem neuen Hamburger Familienvorstand, seinem Vetter Carl Heine austrug, um die Weiterzahlung der Rente zu erzwingen, endete mit einer vernichtenden Niederlage des Dichters. Ein nur mündlich gegebenes Rentenversprechen war nicht rechtsverbindlich.

In Heinrich Heines Biographie war die Erbschaft, die er nicht gemacht hatte, ein Schlüsselereignis. Vor allem in seinen Korrespondenzen, aber auch in seinen Gedichten hat es bittere Spuren hinterlassen, als "Verrath im Schoße der Familie" und "Meuchelmordsversuch". Und es ging in die Verdüsterung des Selbstbildes ein, das der Dichter seit den späten 1840er Jahren von sich zeichnete. Denn das Erbdebakel fiel mit den Krankheitsschüben zusammen, die ihn im Leben ab 1848 in die "Matratzengruft" und im Schreiben an die Seite von Lazarus und Hiob führten.

Die insgesamt vier Testamente, die Heine selbst gemacht hat, sind allesamt Kinder der Krankheitsangst und Sorge um das materielle Wohl seiner Frau wie um die Zukunft seines literarischen Werkes. Schon im ersten, das er im Frühjahr 1843, also noch vor dem Tod Salomon Heines verfasste, zeichnet sich die Grundstruktur ab, die er in allen folgenden beibehalten wird: die Einsetzung Mathildes als Universalerbin; die Benennung von Herausgebern der künftigen Gesamtausgabe und die Bitte um die künftige Versorgung seiner Frau durch die Familie Heine.

Im Rhythmus der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sind die Testamente der Jahre 1846 und 1848 entstanden, ehe im November 1851 die letzte, rechtsgültige Fassung entstand. Auch dort spielt der Paragraf, in dem der Dichter seinen Vetter ersucht, seiner Witwe weiterhin die volle Pension zu gewähren, die Hauptrolle. Aber die zuvor kaum überlesbaren Vorwürfe an die Familie sind darin zurückgenommen. Inzwischen hatten sich Carl Heine und Heinrich Heine versöhnt. Der Dichter erhielt seitdem eine erhöhte Jahresrente. Zudem hatte er immer schon von seinen Beziehungen zur Pariser Hochfinanz profitiert und sich unter Anleitung des Baron Rothschild auch im Spekulieren versucht.

Die Gelder, die er in der Gasbeleuchtungsanstalt "Iris" angelegt hatte, waren nicht verloren. Zwar litt unter seiner Krankheit auch sein literarisches Einkommen, aber für den Gedichtband "Romanzero" und seinen "Doktor Faust" hatte er hohe Honorare von 11.280 Francs erhalten. Er lebte elend in seiner Matratzengruft, von Krämpfen, Lähmungen und nachlassendem Augenlicht geplagt. Aber Heine war kein armer Dachstubenpoet, sondern gehörte bei seinem Tod, ökonomisch gesehen, zum besser gestellten Teil des mittleren Bürgertums.

Mit seinem Testament wollte er den Lebensstandard Mathildes dauerhaft sichern. Seine Gesamtausgabe legte er in die Hände seines Hamburger Verlegers Johann Heinrich Campe. Er ersuchte um ein Grab auf dem Montmartre-Friedhof. Für sein Leichenbegängnis verbat er sich Reden von Geistlichen der lutherischen Konfession, der er angehörte, aber auch "jeder andern Priesterschaft".

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