Geheimverhandlungen:Siemens soll Staatsanwälte stoppen

Bewegung in der Siemens-Schmiergeld-Aufarbeitung: Klaus Kleinfeld und Heinrich Pierer wollen offenbar nur dann Schadenersatz zahlen, wenn Ermittler sie verschonen.

K. Ott

Die früheren Siemens-Chefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld sind offenbar nur dann bereit, an das Unternehmen Schadenersatz für die Korruptionsaffäre zu zahlen, wenn sie keinen Bußgeldbescheid der Staatsanwälte erhalten. Das geht aus dem Protokoll eines Treffens von Anwälten der Ex-Vorstände und des Konzerns hervor.

Heinrich von Pierer, dpa

Heinrich von Pierer, ehemaliger Siemens-Chef und anschließend Aufsichtsratsvorsitzender

(Foto: Foto: dpa)

Siemens und die Münchner Staatsanwaltschaft erörtern seit Monaten mit den Anwälten von Ex-Konzernchef Kleinfeld, dessen Vorgänger Pierer und acht weiteren Ex-Vorständen die Konsequenzen aus dem Schmiergeldskandal, der den Konzern gut zwei Milliarden Euro gekostet hat. Eine Einigung ist nach Angaben aus dem Umfeld der ehemaligen Vorstände nicht in Sicht. Nun spitzt sich die Lage zu. Siemens hat bereits im Frühjahr ein Ultimatum gestellt: Bis Ende August sollen sich Kleinfeld, Pierer & Co. bereit erklären zu zahlen. Sonst will der Konzern Schadenersatzklagen erheben. Siemens verlangt von Pierer sechs Millionen Euro. Die anderen Ex-Vorstände sollen weniger zahlen, aber ebenfalls Millionenbeträge überweisen.

Geheime Verhandlungen

Das Ultimatum geht aus dem Protokoll hervor, dass eine Siemens beauftragte Anwaltskanzlei bei einer der geheimen Verhandlungsrunden geführt hat und das die Süddeutsche Zeitung einsehen konnte. Darin steht, Siemens wolle sich mit den Ex-Vorständen verständigen, "schrecke aber vor Schadenersatzklagen nicht zurück". Eine Einigung sei "bis Ende August notwendig". Die Niederschrift des Treffens vom 27. April in München gibt auch Aufschluss über die Taktik einiger Ex-Vorstände: Siemens soll bei der Staatsanwaltschaft darauf hinwirken, dass die dort anhängigen Bußgeldverfahren eingestellt werden und Pierer & Co. von Strafzahlungen an die Justiz verschont bleiben.

Unter dieser Voraussetzung wären mehrere frühere Manager bereit, Schadenersatz an Siemens zu zahlen - aber nur, wenn der Konzern die Millionenforderungen reduziert und weitere Zugeständnisse macht. In Siemens-Kreisen wird dies als "abwegig" bezeichnet. Man könne nicht auf die Staatsanwaltschaft einwirken. Siemens und die Strafverfolger werfen den Ex-Managern vor, nicht genau genug hingeschaut zu haben, was im Unternehmen vor sich gehe. Das habe die Schmiergeldpraktiken ermöglicht. Die Ex-Vorstände weisen das zurück.

Im Protokoll der vertraulichen Verhandlung wird Kleinfelds Anwalt Norbert Gatzweiler mit den Worten zitiert, eine "Erledigung des Ordnungswidrigkeiten-Verfahrens" sei die Voraussetzung für einen Vergleich mit Siemens. Das mit einem Bußgeldbescheid verbundene Schuldanerkenntnis könne sein Mandant nicht abgeben, da dies das Ende seiner beruflichen Karriere bedeuten würde, heißt es im Protokoll. Siemens solle bei der Staatsanwaltschaft darauf hinwirken, dass es nicht zu einem Bußgeldbescheid komme. Kleinfeld hatte Siemens 2007 vorzeitig verlassen, nachdem der Aufsichtsrat wegen der Korruptionsaffäre mit einer Vertragsverlängerung gezögert hatte. Heute ist Kleinfeld Chef des US-Aluminiumkonzerns Alcoa.

Weder Gatzweiler noch ein Sprecher von Kleinfeld wollten auf Anfrage zu den Verhandlungen mit Siemens und zu dem Treffen vom 27. April Stellung nehmen. Als Grund nannte der Kleinfeld-Sprecher, dass "wir uns grundsätzlich nicht zum Inhalt vertraulicher Gespräche äußern". Der Sprecher sagte weiter, der ehemalige Siemens-Chef habe sich nichts vorzuwerfen. Kleinfeld habe vielmehr "wesentlich zur Aufklärung" des Korruptionsfalles beigetragen. Aus dem Umfeld der ehemaligen Siemens-Vorstände verlautete, Kleinfeld-Anwalt Gatzweiler habe bei der Verhandlungsrunde am 27. April entgegen der Niederschrift nicht davon gesprochen, dass ein Bußgeldbescheid für seinen Mandanten das Ende von dessen beruflicher Karriere wäre. Das Protokoll stammt von der Siemens-Kanzlei Hengeler Müller.

Kleinfeld hatte Anfang 2004 den Vorstandsvorsitz von Pierer übernommen, der das Unternehmen zwölf Jahre lang geleitet hatte und anschließend bis April 2007 Aufsichtsratschef war. Pierer wollte sich auf Anfrage nicht zu den Schadenersatz-Gesprächen mit Siemens äußern. Sein Anwalt Sven Thomas wird im Protokoll des Treffens in München mit der Aussage zitiert, Pierer nehme beim Ordnungswidrigkeiten-Verfahren der Staatsanwaltschaft "dieselbe Position ein" wie Kleinfeld und ein anderer Ex-Vorstand. Es sei "wünschenswert", dass dieses Verfahren als "Ergebnis einer Einigung" mit Siemens eingestellt werde.

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