Gehaltsaffäre um Siemens-Betriebsrat:Brisante E-Mails

Gehaltsaffäre um Siemens-Betriebsrat: Siemens-Chef Joe Kaeser soll in der Gehaltsaffäre um Betriebsratschef Adler für Ruhe sorgen.

Siemens-Chef Joe Kaeser soll in der Gehaltsaffäre um Betriebsratschef Adler für Ruhe sorgen.

(Foto: AFP)

300.000 Euro für den Betriebsratschef: Die Gehaltsaffäre um Lothar Adler lässt Siemens nicht zur Ruhe kommen. Welche Verantwortung trägt der ehemalige Personalvorstand?

Von Caspar Busse, Christoph Giesen und Andrea Rexer

Die Schauplätze könnten unterschiedlicher kaum sein: Da ist zum einen das Estrel in Berlin, eines der größten Tagungshotels in Europa - 1800 verschiedene Veranstaltungen pro Jahr. Abend für Abend treten hier die Doubles von Joe Cocker oder Madonna auf. Zum anderen: Das Münchener Arbeitsgericht, ein trister Funktionsbau aus den Siebzigerjahren.

An beiden Orten geht es um ein Thema: Die Gehaltsaffäre um Siemens-Gesamtbetriebsratschef Lothar Adler. Anfang 2009 wurde dessen Gehalt deutlich auf 300.000 Euro pro Jahr angehoben. Wie kam es dazu? Und ist das angemessen? Der neue Konzernchef Joe Kaeser hat bereits eine interne Untersuchung eingeleitet.

Die Unruhe ist groß. An diesem Mittwoch und Donnerstag tagen die Siemens-Betriebsräte nun im Estrel. Kaeser und sein neuer Arbeitsdirektor Klaus Helmrich haben sich angekündigt. Soweit, so normal. Vorstandschef und Personalvorstand kommen eigentlich immer zur Versammlung, doch in diesem Jahr ist es anders. Es ist Kaesers erste Betriebsrätekonferenz in neuer Funktion, genau wie für Helmrich.

Der Schaden ist bereits groß

Für Gesamtbetriebsratschef Adler könnte es hingegen die letzte große Runde sein, im Februar wird er 65 Jahre alt. Adler möchte eigentlich noch acht Monate bei Siemens dranhängen. Einige Betriebsräte hoffen, dass Adler die Versammlung nutzen wird, um freiwillig seinen Abschied zu verkünden. Die Siemens-Betriebsratsspitze äußert sich vor der Konferenz nicht, bei der IG Metall hält man sich bedeckt.

Der Schaden für Siemens ist bereits groß. Es gab nicht nur eine bundesweite Diskussion um die Höhe von Betriebsratsgehältern, sondern auch personelle Konsequenzen: Brigitte Ederer, Helmrichs Vorgängerin als Arbeitsdirektorin, verließ Ende September den Vorstand im Streit. Sie hatte juristische Gutachten in Auftrag gegeben, die Experten rieten von einer Weiterbeschäftigung Adlers ab.

Walter Huber, der Personalchef von Siemens Deutschland, wurde beurlaubt - bis zur Klärung des Sachverhalts. Jetzt liegt der Fall auf dem Tisch von Helmrich. Adler, ein gelernter Fernsehtechniker, hatte erneut einen Antrag gestellt, seinen Vertrag bis Ende 2014 über die bei Siemens übliche Altersgrenze von 65 Jahre zu verlängern.

Welche Verantwortung trägt der Vorstand?

Sollte Adler auf seiner Verlängerung beharren, dann dürften die nächsten Eskalationsschritte schon feststehen, sorgen sich Betriebsräte. Helmrich könnte dann nicht umhinkommen, Adlers Verlängerungswunsch abzulehnen. Alleine schon deswegen, weil er als neuer Arbeitsdirektor Profil zeigen muss. Sie fürchten, dass der Konflikt zwischen Konzernspitze und Betriebsrat verschärft wird, im schlimmsten Fall könnten die Betriebsratswahlen im kommenden Jahr überschattet werden.

Der Ausgangspunkt des Streits liegt fünf Jahre zurück: Die Siemens-Arbeitnehmervertreter tagten Mitte November 2008 und wählten einen neuen Gesamtbetriebsratschef: Lothar Adler. Kurz darauf stieg dessen Gehalt sprunghaft. Bis jetzt ist ungeklärt, unter welchen Umständen das passierte. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz darf ein Betriebsrat nicht aufgrund seiner Tätigkeit als Mitarbeitervertreter mit einem höheren Gehalt belohnt werden. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass Betriebsräte vom Unternehmen "gekauft" werden.

Mit der Klärung des Falls ist von Siemens die renommierte Kanzlei CMS Hasche Sigle beauftragt worden. Ihr wurden dazu interne Unterlagen zur Verfügung gestellt. Wann ein Ergebnis vorliegt, ist noch offen. Geklärt werden muss: Welche Verantwortung trägt der Vorstand? Unstrittig ist, dass neben Personalmann Huber auch der damalige Siemens-Chef Peter Löscher und sein Arbeitsdirektor Siegfried Russwurm involviert waren. Russwurm ist noch heute Mitglied des Vorstands und inzwischen zuständig für die wichtige Industriesparte.

Möglichst geräuschlos lösen

Dem Vernehmen nach soll Löscher unmittelbar nach der Betriebsräteversammlung im November 2008 eine E-Mail an Russwurm geschrieben haben, in der er ihn bat, eine Gehaltsanpassung für Adler vorzunehmen. Diese sollte sich an anderen Dax-Konzernen orientieren, zudem sollte das Gehalt mit dem Betriebsverfassungsgesetz vereinbar sein. Russwurm soll daraufhin Deutschland-Personalchef Huber beauftragt haben, die Vorgaben umzusetzen. Am 10. Dezember meldete sich Huber per E-Mail, er habe eine Lösung gefunden. Man solle doch dazu einmal telefonieren.

Kurz vor Weihnachten mailte Russwurm dann Löscher den ausgearbeiteten Gehaltsvorschlag zu: 180.000 Euro als Fixgehalt, weitere 120.000 Euro als variabler Bestandteil. "Damit wären wir voll auf Linie mit unserem Einkommenssystem für's Senior Management", schrieb Russwurm in einer E-Mail, die der SZ vorliegt. Löscher selbst antwortete auf diese E-Mail nicht, er ließ Anfang Januar lediglich über seine Sekretärin ausrichten, dass er einverstanden sei.

Bisher versucht Vorstandschef Kaeser, Ruhe in den Konzern zu bringen und den Konflikt geräuschlos zu lösen. Das kann jedoch nicht gelingen, wenn einer seiner Vorstände unter Druck gerät: Russwurm war an der Gehaltserhöhung zumindest beteiligt. Ein Konzernsprecher wollte sich nicht äußern.

Am 2. Dezember wird die Causa Adler voraussichtlich in einem Gerichtssaal in München weitergehen. Der beurlaubte Huber - einst selbst Arbeitsrichter - klagt gegen seinen Arbeitgeber, da dürfte der Fall noch einmal aufgerollt werden. Schon in dieser Woche hätte Betriebsratschef Adler in Berlin die Chance, sich zu erklären.

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