Gefahr einer Deflation:Draghi hält die Notenpresse warm

Die Inflationsrate in der Eurozone ist im Keller, auch das Wachstum in Europa stockt. Experten warnen vor einer Deflation. Bevor er in den Urlaub verschwindet, verweist EZB-Chef Mario Draghi deshalb nochmals auf seine mächtigen Werkzeuge.

Von Harald Freiberger

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EZB-Chef Mario Draghi.

(Foto: Bloomberg)

Mit großen Neuigkeiten wartete Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), diesmal nicht auf. Der Leitzins bleibt bei 0,15 Prozent. Im Grunde bekräftigte er am Donnerstag, was er bei der Pressekonferenz im Juni schon auf den Tisch gelegt hatte: Die Notenbank werde "auch weitere unkonventionelle Maßnahmen einsetzen", falls das nötig werde, um die Risiken einer zu langen Periode niedriger Inflationsraten in den Griff zu bekommen.

Die Inflationsrate lag im Juli nur noch bei 0,4 Prozent. Draghi erklärte, dies sei vor allem auf sinkende Energiepreise zurückzuführen. Das ist der niedrigste Wert seit Oktober 2009. Damals waren die Preise während der internationalen Finanzkrise sogar gesunken. Hinzu kommt: Das Wachstum in Europa stockt, vor allem Italien kommt nicht in Schwung.

Notenbank bereitet sich auf Kreditpaket-Käufe vor

Vor diesem Hintergrund lässt Draghi die Tür für massive Wertpapierkäufe offen. Ein solches Ankaufprogramm, auch "Quantitative Easing" genannt, dient als letztes Mittel, um eine Deflation zu verhindern. Es gibt eine Reihe von Experten, die befürchten, dass Europa in eine Deflation abgleitet. Eine deflationäre Spirale aus fallenden Preisen und sinkenden Löhnen gilt als Gift für die Konjunktur, da sie Konsum und Investitionen auf Dauer hemmt.

Draghi betonte mehrfach, dass er im Ernstfall die Notenpresse in bisher ungekanntem Ausmaß anwerfen werde, um eine Deflation zu verhindern. Doch dafür ist es seiner Ansicht nach zu früh.

Allerdings habe die Notenbank ihre Vorbereitungen für ein Programm zum Kauf von Kreditpaketen (Asset Backed Securities) verstärkt, so Draghi. Ein solcher Schritt könnte Banken Freiräume für neue Kredite eröffnen. Es sei aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen.

Die Ukraine-Krise wirkt sich auf die Euro-Zone aus

Zudem wies der EZB-Präsident auf die zusätzlichen Risiken hin, die sich aus den geopolitischen Spannungen ergäben. Man werde diese und die Entwicklungen bei den Wechselkursen genau im Auge behalten. "Die geopolitischen Risiken haben zugenommen", stellte er fest. "Insbesondere die Lage in der Ukraine und Russland wird natürlich größere Auswirkungen auf die Euro-Zone haben als auf den Rest der Welt." Sollten sich die weltweiten Konflikte verschärfen, werde die Wirtschaft in den nächsten zwei oder drei Quartalen schwächer wachsen.

Im Juni hatte die EZB den Leitzins auf das Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt und ein Kreditprogramm für Europas Banken beschlossen, das die Wirtschaft im Euro-Raum ankurbeln soll. Eine Billion Euro wird die EZB von Herbst an in Tranchen bereitstellen. Doch Niedrigzinsen und neue Billigkredite für Banken brauchen Zeit, um ihre Wirkung voll zu entfalten. Draghi wird deshalb zunächst abwarten, wie die jüngsten Beschlüsse wirken.

Anfang nächsten Jahres wird Bilanz gezogen

"In der ersten Jahreshälfte 2015 dürfte dann Bilanz gezogen werden", erwartet Thomas Gitzel von der VP-Bank. "Stellen die Währungshüter dann aber fest, dass sich die Konjunktur abkühlt, die Kreditvergabe schwach bleibt und die Inflationsraten niedrig sind, wird ein Wertpapieraufkaufprogramm zu einer ernst zu nehmenden Option."

Erst einmal aber verabschiedet sich Draghi aber in den Urlaub - den er in Italien verbringen will.

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