Gefälligkeitsdienste:Wenn der Urlaubshelfer den Keller flutet

Blumengießen am Abend

Garten wässern, Post reintragen: Gefälligkeitsdienste sind eine schöne Sache – außer es geht etwas schief.

(Foto: Patrick Seeger/dpa)

Man macht es ja gerne. Wer aber haftet eigentlich, wenn es beim Nachbarn zum Schaden kommt?

Von Berrit Gräber

Wer in den Urlaub fährt, braucht nette Nachbarn, Freunde, Verwandte. Irgendjemand muss schließlich den Rasen mähen, Briefkasten leeren, die Pflanzen wässern, lüften und nach dem Rechten sehen. Doch selbst die nettesten Helfer sind manchmal schusselig - und nach der Rückkehr hat die Ledercouch plötzlich hässliche Wasserflecken, das Parkett quillt auf, der Rasenmäher ist kaputt. Die Sachschäden summieren sich schnell auf einige Tausend Euro. Was dann? Wer zahlt für folgenreiche Missgeschicke? "Das kommt nicht zuletzt darauf an, ob der Urlaubshelfer versichert ist oder nicht", gibt Michael Wortberg zu bedenken, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Neuerdings sei auf die private Haftpflichtversicherung wieder Verlass, so der Experte.

Hat der Verursacher des Schadens eine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen, können alle Beteiligten aufatmen. Mit der Police sind jetzt auch Gefälligkeitsschäden beim Haushüten abgedeckt, wie Bianca Boss vom Bund der Versicherten betont. Denn: Seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in 2016 ist es egal, ob der bei privater, unentgeltlicher Hilfe entstandene Schaden einfach oder grob fahrlässig verursacht wurde (Az. BGH, VI ZR 467/15). Der Versicherer des Helfers muss nun in jedem Fall zahlen, die frühere Unterscheidung gibt es nicht mehr, wie Boss betont.

Bis zu diesem höchstrichterlichen Machtwort waren typische Gefälligkeitsschäden in Standardpolicen nicht abgedeckt - auch wenn versicherte Urlaubshelfer davon ausgingen, mit ihrer Haftpflichtpolice perfekt geschützt zu sein. Versicherer sprangen lediglich für grob fahrlässige Schäden ein. Wer aus Unachtsamkeit beispielsweise Gießwasser aufs Parkett verschüttet, handelt aber einfach fahrlässig. Was zur Folge hatte, dass die Versicherer nur dann zahlten, wenn der Kunde einen Zusatzschutz gegen folgenreiche Freundschaftsdienste abgeschlossen hatte. Die sogenannte "Gefälligkeitsklausel" ist nun nicht mehr notwendig, um seinen Versicherer einschalten zu können, wie Boss betont.

So hilfreich das BGH-Urteil für Versicherte auch ist: Verbraucher sollten dennoch stets überlegen, ob sie einen kleinen Gefälligkeitsschaden unbedingt bei ihrer Privathaftpflichtversicherung einreichen, gibt Boss zu bedenken. Manchmal sei es schlauer, geringe Kosten aus der eigenen Tasche zu zahlen. Denn der Versicherer kann nach jedem Schadensfall den Versicherungsvertrag kündigen. Verbraucher seien daher gut beraten, eine Selbstbeteiligung bei der Police zu vereinbaren.

Ist der schusselige Urlaubshelfer nicht versichert und weigert er sich zu zahlen, ist er trotzdem finanziell aus dem Schneider. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gilt zwar zunächst einmal Folgendes: Wer einen Schaden verursacht, muss dafür auch gerade stehen. Ganz gleich, ob er mit dem Geschädigten befreundet ist oder nicht. Aber: Bei Gefälligkeitsdiensten, zu denen auch das Kümmern um Haus und Garten in der Ferienzeit gehört, gibt es in der Regel eine abweichende Rechtsprechung. Und die stellt uneigennützige Helfer aus dem Nachbars-, Freundes- oder Verwandtenkreis ohne private Haftpflichtpolice meist von der Haftung frei, wie Henning Engelage betont, Sprecher des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) in Berlin. Voraussetzung: Die Unglücksraben haben nicht grob fahrlässig gehandelt oder gar mit Vorsatz.

Damit ein Gefallen nicht zur Haftungsfalle für den Helfer wird, gehen Gerichte meist von leichter Fahrlässigkeit aus, wenn beim Haus hüten etwas daneben ging. Und von einem sogenannten "stillschweigenden Haftungsausschluss" - zwischen dem, der um Hilfe bat, und dem, der in seiner Freizeit aushalf. Diese juristische Konstruktion geht davon aus, dass sich Freunde oder Nachbarn gegenseitig nicht haftbar machen wollen, wenn es bei Gefälligkeitsdiensten mal zu Schäden kommt. "Das ist vergleichbar mit der Situation von Umzugshelfern, die aus Unachtsamkeit patzen", erklärt Engelage.

Pech für den, der den Schaden hat. "Wer andere bittet, ein Auge auf seine Wohnung zu haben, dem sollte klar sein, dass die Kosten oft an ihm selbst hängen bleiben", sagt Wortberg. Richtig teuer kann es werden, wenn der schusselige, nicht versicherte Haushüter einen großen Schaden anrichtet. Beispielsweise dann, wenn er die Haustür oder ein Fenster offen lässt und Einbrecher die ganze Wohnung ausräumen. Oder wenn er zwar die Spritzdüse am Gartenschlauch zudreht, den Hahn aber nicht, so dass Wasser den ganzen Keller flutet. Solche Probleme müssten dann im Einzelfall vor Gericht geklärt werden, so die Erfahrungen Wortbergs.

Wer ein Haus-Sitting übernimmt und Ärger vermeiden will, kann den Hausherrn bitten, ihn von vornherein von jeglicher Haftung bei Missgeschicken in Haus und Garten frei zu stellen, empfiehlt Wortberg. Für den kleinen Vertrag unter Freunden reicht schon ein unterschriebener Zettel mit dem Satz "Helfer Müller haftet während des Urlaubs der Meiers nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit". Das schützt zwar auch nicht vor Schäden, erspart aber vielleicht eine Menge Streit. Einen rechtlich ausgefeilten Mustertext gibt es unter www.verbraucherzentrale-rlp.de/Gefaelligkeitsvereinbarung.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: