Gefährliches Spielzeug:Die Suche nach verseuchtem Puppenhaar

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Trotz vieler Rückrufe im Jahr 2007 finden Kontrolleure weiter jede Menge gefährliches Spielzeug - ein Rundgang mit der Gewerbeaufsicht über die Nürnberger Messe.

Uwe Ritzer

Die kleine "Bomb-Bag" für den angehenden Attentäter explodiert mit einem Knall so laut wie ein Gewehrschuss unmittelbar neben dem Ohr. Wer das Terrorspielzeug herstellt, ist unbekannt. Der Importeur Krishna Trading steht nicht im Ausstellerverzeichnis der Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg.

Gefährliches Spielzeug: Barbie-Puppe: Im vergangenen Jahr musste der amerikanische Hersteller Mattel das Spielzeug-Set zurückziehen.

Barbie-Puppe: Im vergangenen Jahr musste der amerikanische Hersteller Mattel das Spielzeug-Set zurückziehen.

(Foto: Foto: AFP)

Fritz Vogel mag dennoch nicht ausschließen, dass unter den eine Million Produkten auf der weltgrößten Spielzeugshow auch das Bombentäschchen aus China ist. Wenn sie es an einem der knapp 2700 Stände sehen, werden er und sein Kollege Franz Gubitz es sofort aus dem Verkehr ziehen. Nicht aus moralischen oder pädagogischen Gründen, von denen sich in diesem Fall besonders gute finden ließen. Vogel und Gubitz kontrollieren die technische Sicherheit von Spielzeug.

Explosions-Gefahr im Kinderzimmer

Sie würden dem Standbetreiber eine Verbraucherwarnung unter die Nase halten, die sie tags zuvor über Rapex erreicht hat, ein EU-weites, behördliches Internet-Schnellwarnsystem für riskante Produkte. Demnach droht durch den "Bomb-Bag" ein "irreparabler Gehörschaden, es fehlt die Herstellerangabe, die Beschreibung und Kennzeichnung ist nur in englischer Sprache angebracht, und es besteht die Gefahr, dass Kinder es in den Mund nehmen oder sich zumindest nicht schnell genug entfernen, ehe es explodiert", fasst Vogel die Rapex-Meldung Nummer 0174/08 zusammen. Explodieren könne das Attentäter-Spielzeug ohnehin sehr schnell. "Dafür sorgt eine chemische Reaktion aus einer Art Backpulver und Zitronensäure", sagt Vogel.

Er packt die Blätter mit der Warnung und Fotos des "Bomb-Bag" in seine rotbraune Aktentasche. In der stecken auch ein Metermaß, um bei Bedarf Sicherheitsabstände, Kabel- oder Schnurlängen zu kontrollieren, und ein orangefarbenes Kunststoffteil, dessen Durchmesser dem Schlund eines Kleinkindes entspricht. Mit der Schablone kann man messen, ob Kleinteile Kindern unter drei Jahren im Hals stecken bleiben können.

Immer neue Meldungen über verseuchtes Spielzeug

Früher hat Fritz Vogel, ein freundlicher, unaufgeregter Mann von 51 Jahren, als Maschinenbauingenieur bei MAN Motoren mitentwickelt. Nach einer Spezialausbildung ist er seit 18 Jahren als Kontrolleur des Gewerbeaufsichtsamtes Nürnberg unterwegs. Sein Kollege Gubitz, 51, ist promovierter Physiker und testet sonst in einem Labor des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in München die Sicherheit aller möglichen Geräte. Für ein paar Tage verstärkt er seine Nürnberger Kollegen, genauso wie mehrere Dutzend weitere Experten, die man aus ganz Bayern, aber auch aus Sachsen, Thüringen und Holland zur Spielwarenmesse zusammengezogen hat. Ihr Hauptquartier ist ein kahler Nebenraum der Halle 7 A mit einer Kaffeemaschine in der Ecke und langen Tischreihen. Wenn der Messetag beginnt, leeren sie sich. Aufgeteilt auf etwa 20 Teams schwärmen die Kontrolleure aus in das bis unter die Decke mit Spielwaren vollgestopfte Messezentrum.

Kontrollen gibt es bei der Spielwarenmesse nicht erst, seit die Branche von einer Fülle von Rückrufaktionen erschüttert wird. Seit vorigen Sommer verunsichern immer neue Meldungen über chemisch verseuchtes, oder wegen leicht ablösbarer Kleinteile für Kinder gefährliches Spielzeug die Öffentlichkeit.

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